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Bonhoeffer-Film: Hält er das Versprechen der „true untold story“?

Er war Theologe und aktiv im Widerstand gegen das NS-Regime: Dietrich Bonhoeffer. Ein neuer Film erzählt Ausschnitte seines Lebens – und nimmt sich dabei viele künstlerische Freiheiten.

Von Tim Bergen

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In dieser Woche ist „Bonhoeffer“ in den deutschen Kinos angelaufen. Im Vorfeld kam es zu teils heftigen Kontroversen um den Film. Warum eigentlich?

Dazu muss man einen Blick auf die Vermarktung des Films in den USA werfen. Der Kinoverleih Angel Studios kaufte im November 2023 die Rechte für den Film. Aus dem Arbeitstitel „God’s Spy“ der Filmemacher machte der Kinoverleih „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“. Beworben wurde „Bonhoeffer“ mit dem Slogan „the true untold story“. Auf dem Plakat hielt der Theologe eine Waffe in der Hand – eine unerträgliche Verdrehung der Geschichte. Diese Form der Vermarktung und die Instrumentalisierung des Films im US-Wahlkampf lösten einen Sturm der Entrüstung aus, vor allem in Deutschland. Nachkommen der Familie Bonhoeffer waren empört, die Bonhoeffer-Gesellschaft äußerte Kritik. Selbst die Schauspieler distanzierten sich von der Vermarktung des Films in den USA.

Anlässlich des Deutschland-Starts kam der Regisseur und Drehbuchautor von „Bonhoeffer“, Todd Komarnicki, eigens zur Premiere nach Köln und stand bei einer Podiumsdiskussion Rede und Antwort. Komarnicki, selbst bekennender Christ, betonte, dass er bei der Vermarktung des Films in den USA kein Mitspracherecht gehabt habe: „Als Angel Studios diese Marketing-Kampagne vorgestellt hat, habe ich gesagt, dass man Bonhoeffer nicht als Mörder und Attentäter darstellen könne – auch nicht mit der Waffe in der Hand. Sie haben aber nicht auf mich gehört.“ Er habe einen antifaschistischen Film über Liebe und Opfer machen wollen. Die Vermarktung in den USA lehne er entschieden ab. Mit Blick auf die Kritiker des Films sagte er: „Ich war schon auf ihrer Seite, bevor sie davon wussten.“ Für den deutschen Markt wurden Titel und Trailer des Films verändert. Bonhoeffer ist nicht mit einer Waffe in der Hand zu sehen und wird auch nicht mehr als Attentäter betitelt.

Was der Film zeigt

Die Vermarktung des Films ist die eine Sache, aber entscheidend bleibt: Welche Geschichte erzählt der Film? Hält „Bonhoeffer“ das Versprechen der „true untold story“? Was für einen Bonhoeffer bekommen die Zuschauer zu sehen?

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Zu Beginn zeigt der Film eine unbeschwerte Kindheit. Die Idylle wird allerdings schnell unterbrochen: Plötzlich sieht man den erwachsenen Dietrich in einem Wagen sitzen – geführt von SS-Männern. Er wird in eine Zelle gebracht und liegt auf der Pritsche. Ab diesem Zeitpunkt wird Bonhoeffers Geschichte mittels Rückblenden erzählt.

Nach dem Tod seines Bruders Walter wird sein Auslandsaufenthalt in New York thematisiert. Er nimmt an Vorlesungen teil und lernt durch einen Freund die afroamerikanische Kultur und Musik kennen. Geprägt davon kehrt Dietrich in ein Deutschland zurück, das sich verändert hat: Die NSDAP kommt an die Macht. Bonhoeffers Familie ist sehr besorgt über die politischen Entwicklungen, die zunehmend auch Einfluss auf die evangelische Kirche haben. Bonhoeffers Konfirmanden marschieren plötzlich als Hitlerjugend über den Kirchenplatz. Geistliche passen Predigtinhalte an die NS-Ideologie an. Bonhoeffer geht in den Widerstand, wird Spion und reist nach England, um dort von den Geschehnissen zu berichten.

Eine wichtige Rolle spielt Pfarrer Martin Niemöller. Bonhoeffer reist gemeinsam mit seinem Freund Eberhardt Bethge nach Berlin, um Niemöller zu besuchen. Dieser hält kurz nach der Reichspogromnacht eine Predigt gegen das NS-Regime. Daraufhin wird er in Gegenwart seiner Familie und den beiden Gästen verhaftet. Dietrich und Eberhardt schleppen sich verwundet zu Dietrichs Schwager Hans von Dohnanyi. Dort erzählt Hans von den Anschlagsplänen gegen Hitler. Dietrich überlegt nicht lange und entschließt sich, ein Teil der Widerstandsgruppe zu werden. Er glaubt: „Wenn wir nichts tun, machen wir uns auch schuldig.“

Um Zugang zu sensiblen Informationen zu bekommen, schwört Bonhoeffer Hitler die Treue. Nach einem Auftrag für das Regime, bei dem er sieben Juden in die Schweiz bringt, reist er in die USA. Währenddessen versucht ein Mitglied der Gruppe, Hitler durch ein Sprengstoffattentat zu töten – ohne Erfolg. Bonhoeffer fährt daraufhin nach London und bittet Churchill um eine Bombe für ein weiteres Attentat. Der Staatsmann lehnt ab. Trotz der hohen Gefahr kommt Dietrich zurück nach Deutschland. Kurze Zeit später wird er verhaftet. Am Ende des Films wird er in der Einöde neben einer leerstehenden Schule von der SS gehängt.

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Fakten versus künstlerische Freiheit

Wer sich mit der Person Dietrich Bonhoeffer befasst hat, wird im Film kleinere und größere Fehler entdecken – von der Darstellung bis hin zu historischen Fakten, die aus dramaturgischen Gründen verändert wurden. Um ein paar zu nennen: Niemöller hielt die entscheidende Predigt nicht nach der Reichspogromnacht (1938), denn da saß er schon in Haft. Die Texte der Predigt im Film verfasste Niemöller auch erst nach der NS-Zeit – als persönliches Schuldeingeständnis. Bonhoeffer bettelte nicht bei Churchill um eine Bombe, um Hitler zu töten. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der große innere Konflikt des überzeugten Pazifisten Bonhoeffers in Bezug auf den Widerstand im Film nicht thematisiert wird. Mehrmals fallen dagegen Bonhoeffer-Zitate, die die Notwendigkeit zum Widerstand unterstreichen.

Podiumsdiskussion mit Regisseur Todd Komarnicki (Foto: privat)

Dazu kommen Elemente im Films, die seltsam anmuten und wahrscheinlich nicht so stattgefunden haben: Bei der Predigt Niemöllers gibt es in Gegenwart der SS-Mitglieder tosenden Applaus der Gottesdienstbesucher. Das wurde selbst am Filmset schon kritisiert. Ein SS-Mann, der später an seiner Hinrichtung beteiligt ist, nimmt gemeinsam mit Bonhoeffer das Abendmahl ein. Insgesamt wird Bonhoeffers Rolle im Widerstand sehr frei interpretiert. Der Film endet schließlich auch mit einer groben Abwandlung der historischen Gegebenheiten: Bonhoeffer wurde nicht in der Einöde neben einer Schule gehängt, sondern nackt im KZ Flossenbürg. Hierzu der Regisseur: „Wir haben diese Szene nicht im KZ dargestellt, weil es schon so viele Filme gegeben hat, in denen Szenen im KZ stattfinden.“

Fazit

Dramaturgisch ist die Filmbiografie gut gemacht – ein spannendes Biopic, wenn man Bonhoeffers Geschichte noch nicht kennt. Es lässt sich verschmerzen, dass seine Verlobte Maria Friederike von Wedemeyer nicht auftaucht und zum Beispiel Bonhoeffers berühmtes Gedicht „Von guten Mächten“ nicht thematisiert wird, weil beides nicht zur Dramaturgie des Films passte. Der Film ist prominent besetzt. Tragende Rollen spielen unter anderem Jonas Dassler, Moritz Bleibtreu und August Diehl.

Der Film regt dazu an, mehr über Dietrich Bonhoeffer zu erfahren. Das betonte auch Schauspieler Patrick Mölleken (Walter Bonhoeffer) bei der Filmvorführung in Köln: „Ich stehe voll und ganz hinter diesem Film. Mir geht es hauptsächlich darum, dass man mit so einem Film sensibilisiert, dass man Gespräche anregt und auf soziale Missstände hindeutet – gerade aufgrund der politischen Lage. Obwohl der Film vor 80 Jahren spielt, ist er im Grunde genommen ein so tagesaktuelles Werk, dass mich das erschreckt.“

Bleibt die Frage nach der „true untold story“. „‚Bonhoeffer‘ ist kein Dokumentarfilm“, sagt Regisseur Komarnicki. Es gehe in erster Linie um die Kraft der Geschichte in künstlerischem Gewand. In der Tat: Der Film interpretiert das Leben Bonhoeffers aus einem bestimmten Blickwinkel. Aber etwas mehr Faktentreue wäre angesichts des Titels nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig gewesen. Die historische Korrektheit hat bei „Bonhoeffer“ nur einen Cameo-Auftritt.

Eins hat der Film erreicht: Viele Menschen haben sich mit der Person Bonhoeffer beschäftigt. Das Versprechen der „true untold story“ hält der Film jedoch nicht.

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3 Kommentare

  1. Feindesliebe oder Tyrannenmord – handelte Dietrich Bonhoeffer richtig ?

    ……“fällt auf, dass der große innere Konflikt des überzeugten Pazifisten Bonhoeffers in Bezug auf den Widerstand im Film nicht thematisiert wird“! Ich glaube dies ist ausschlaggebend, daß ich (vielleicht) auch mit dem Film sehr unzufrieden bin. Aber ich werde mir das Werk ansehen und mir dann mein Urteil bilden.

    Ob der Film stimmig ist für die – in diesem Falle sehr wichtigen geschichtlichen Fakten – dürfte aber hier sehr ausschlaggebend sein. Bonhoeffer war, historisch belegt, einer zwischen Baum und Borke, oder mit seiner Entscheidung zwischen Pest und Colara. Und er hat trotzdem die Hand in das Rad gehalten, was ihn nicht nur verletzte, sondern tötete. Dies steht ethisch fast in der gleichen Höhe mit der Handlung des guten Menschen, der für einen anderen Menschen im Konzentrationslager in den Tod geht. Der folgte dann logisch auch real Jesus, der freiwilliges Opfer für alle war.

    Die Frage selbst, ob Christ:innen immer den Tyrannenmord ablehnen sollten, kann man nur als (subjektiv!!) richtig oder falsch ansehen. Es handelt sich niemals um Physik, sondern um eine Ethik, die sich als christlich versteht, wenngleich sie notfallmäßig ausgerichtet war. In diesem Fall ist die Bibel kein Rezeptbuch, schon gar nicht jener Rezepte von vor 2000 Jahren. Die Feindesliebe der Bergpredigt ist für mich normativ, aber das W i e der Feindesliebe (etwa im Krieg bzw. von einem Menschen der alle Menschlichkeit in den Müll tritt) ist nochmals eine andere Frage. Im Normalfall kann jede/r mit seinem bösartigen Nachbarn das Gespräch wieder aufnehmen, Waffenstillstand herstellen und sich langfristig mit ihm nicht nur versöhnen, sondern ihn als Freund gewinnen. Dies würde auch für Putin gelten, mit dem man auch jedenfalls reden muss, aber wenn er nicht will kann man ihn auch nicht lieben: Er erlaubt es schlicht nicht. Das jedenfalls gilt auch für Adolf Hitler. Einen Antichristen braucht niemand zu lieben, weil ich mich dann nur für die verfolgten Menschen und die vielen Kriegstoten einsetzen muss. Aber nicht für den machtverliebten Unmenschen, der jede Menschlichkeit meidet. Es ist klar, daß man nicht alle Staatsoberhäupter von Bananenrepubliken, oder auch nicht jene der Chinesen oder der Russen, oder gar einen Herrn Trump, ausschalten darf. Für Gewalt und Tyrannenmord muss eine hohe Schwelle gelten, darum geht es, Aber in dieser Hinsicht war die Schwelle hoch genug in Quantität und Qualität der von Hitler praktizierten Bösartigkeit.Er beweist, wir waren hier die Hölle.
    Statt bösartige Tyrannen und Diktatoren mit Drohnen zu töten, und deren Familien und die Umgebung gleich mit, sollten Straftäter gegen die Menschlichkeit vor ein ordentliches Weltgericht kommen. Aber dies ist durchgängig heute unmöglich und wird ideologisch oftmals verhindert.

    Jedenfalls gilt nicht die einfache Botschaft damaliger Filme aus dem wilden Westen, in denen die Leute erst gar nicht auf einen Richter warteten, sondern Deliquenten ohne Urteil einfach am Baum aufhängten. Daher bin ich auch strickt dagegen, böse unethisch handelnde Machthaber dann einfach mit Drohnen vom Leben zum Tode zu bringen und so auch in Kauf zu nehmen, daß dort deren seine Familie oder die Umgebung mit in den Abgrund gerissen werden. Es wäre ein sehr großer Fortschritt, wenn Tyrannenmorde (oder Kriege) nicht mehr stattfinden. Wenn also dann die international Mächtigen sich gegen ein (in solcher Form noch nicht bestehendes) internationales Recht vergehen, vor das Weltgericht gehören. Aber dies ist derzeit nicht global realisierbar, weil es ideologische Uminterpretationen gibt über manches, was im Westen Gut und Böse wäre.

    Theologisch ist dies ganz einfach: Kain ermordete seinen Bruder Abel, das ist verboten. Im Krieg zu töten ist auch gegen Gottes Willen. Aber wenn wir die Gebote nicht akzeptieren bzw. einfach im Krieg oder Bürgerkrieg ausser Kraft setzen, dann muss sich leider auch jeder wehren dürfen. Aber da beginnt wieder die irrsinnige Gewaltkette. Dass Krieg zur Zeit der Wanderschaft der Israeliten als Sünde galt, weil das Töten generell verboten war, trennte man später im Gelobten Land den privaten Mord von der kollektiven Tötung im Krieg ab. Man unterstellte dann auch Gott, er führe die Kriege der Israeliten. Da wurde die Überlieferung von Glaubens- und Gotteserfahrung auch mit menschlicher Meinung und religiöser Propaganda vermischt. Wenn wir sehen, daß Jesus sich am Kreuz nicht wehrte, dann ist dies ein großes Zeugnis dafür, daß bei himmlischer Gerechtigkeit nie die Gewalt, sondern nur Gottes Liebe stattfinden. Der Himmel wirft kein Feuer auf uns, weil er Jesus als Feuerwehrmann zum löschen ausschickte. Aber wenn ich dies schreibe, dann begebe ich mich auf dünnes Eis. Denn leider darf man Menschen nicht verwehren, ihr Leben zu verteidigen und dies gilt leider auch für Staaten. Dies löst sich auf, wenn wir nach biblischer Prophetie die Schwerte zu Pflugscharen machen und nach Gottes Willen den Krieg ächten. Dann sind Tyrannenmorde nicht mehr möglich, Kriege fallen aus und die bösartigen Zeugnisse unserer Untaten können wir im Museum bewundern, wie unsere Vorfahren die Folterkammern und Burgverliese. Möglicherweise müssen dann die Verbrecher in spezielle Kliniken und nicht in Sammelunterkünfte für alle, die sowie sich schon destruktiv erhalten. In allen ethischen Fragen gibt es viel Luft nach oben.

  2. „Bonhoeffer bettelte nicht bei Churchill um eine Bombe, um Hitler zu töten. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der große innere Konflikt des überzeugten Pazifisten Bonhoeffers in Bezug auf den Widerstand im Film nicht thematisiert wird. Mehrmals fallen dagegen Bonhoeffer-Zitate, die die Notwendigkeit zum Widerstand unterstreichen.“ – Wie kann jemand seinen Film „true untold story“ nennen, wenn er solche entscheidenden Fakten weglässt und andere erfindet??? Gerade Bonhoeffers innere und eben christliche und theologische Auseinandersetzung zum Thema Widerstand ist doch entscheidend, um danach die Sichtweisen zu verstehen. Dazu nur zu sagen, es sei eben keine Dokumentation finde ich schwach. Warum macht man einen historischen Film ,wenn man die Historie nicht darstellt? Dadurch wird es irgendwie zur Propaganda für was auch immer, also jemand will eine Botschaft mit dem Film senden, aber benutzt die historische Person nur.

    • >Warum macht man einen historischen Film ,wenn man die Historie nicht darstellt?

      Natürlich, um Geld zu verdienen. Das Filmgeschäft ist keine wohltätige Vereinigung.

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