- Werbung -

Bonhoeffers Gedicht „Von guten Mächten“ wird 80 Jahre alt

Der NS-Widerstandskämpfer und Pastor Dietrich Bonhoeffer wurde 1945 von den Nazis ermordet. Wenige Monate vorher, kurz vor Weihnachten 1944, schrieb er in der Gestapohaft sein Gedicht „Von guten Mächten“. Bis heute tröstet es viele Menschen.

Von Franziska Hein (epd)

- Werbung -

Dezember 1944: Der evangelische Theologe und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer ist seit über einem Jahr inhaftiert. In seiner Gefängniszelle im Hauptquartier der Gestapo in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße versucht Bonhoeffer, einen Alltag aufrechtzuerhalten: schlafen, essen, lesen, Briefe schreiben, beten – etwas turnen und gehen in der Zelle bei geöffnetem Fenster. Die Mahlzeiten sind spärlich.

Bonhoeffer ist ein persönlicher Gefangener des NS-Diktators Adolf Hitler. Der Theologe, damals 38 Jahre alt, ist Teil eines Widerstandsnetzwerks, das für mehrere gescheiterte Attentatsversuche auf Hitler verantwortlich ist. Am 19. Dezember, kurz vor Weihnachten, darf Bonhoeffer mit Genehmigung der Gefängnis-Zensur einen Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer schreiben: Ein Blatt Papier – Vorder- und Rückseite sind eng beschrieben. Auf der Rückseite findet sich das siebenstrophige Gedicht, das mit den Worten „Von guten Mächten treu und still umgeben“ beginnt.

Später wurde es dutzendfach vertont – bis heute ist es eines der beliebtesten Kirchenlieder, wie eine Umfrage im Jahr 2021 zeigte. Die Verse finden sich auch oft in Traueranzeigen. Es ist Bonhoeffers Schicksal und sein vor 80 Jahren entstandenes Gedicht, das ihn über die Sphären der Theologie hinaus berühmt gemacht hat.

Theologe und NS-Widerstandskämpfer

1906 in Breslau geboren, entwickelt sich Bonhoeffer mit Anfang 20 zum theologischen Überflieger. Er kritisiert das nationalsozialistische Regime von Anfang an für dessen Rassenpolitik, wird Mitglied der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Hitler-treuen Deutschen Christen wendet. Die Chance zur Emigration und damit die Rettung seines Lebens bestand 1939: Schon in den USA angekommen, entscheidet er sich schließlich gegen die Pfarrstelle in New York und reist zurück nach Deutschland.

- Werbung -

Dank persönlicher Beziehungen arbeitet Bonhoeffer während des Kriegs bis zu seiner Verhaftung für den militärischen Auslandsgeheimdienst im Oberkommando der Wehrmacht. Das schützt ihn vor dem Militärdienst an der Front. Durch seine Arbeit kommt er mit dem militärischen Widerstand gegen Hitler in Kontakt und schließt sich den konspirativen Kreisen an. Erst wenige Wochen vor seiner Verhaftung 1943 hatte Bonhoeffer sich mit der 18 Jahre jüngeren Maria von Wedemeyer verlobt. Kurz vor Kriegsende, die Alliierten sind bereits im Anmarsch, wird er am 9. April 1945 auf Hitlers Befehl im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet.

„Als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet“

Der Weihnachtsbrief an seine Verlobte ist eines seiner letzten Zeugnisse aus der Haft. In dem Brief offenbart der prominente Häftling, wie intensiv er geistig Anteil nimmt am Familienleben gerade zur Weihnachtszeit: „Es werden sehr stille Tage in unseren Häusern sein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein u. verlassen gefühlt“, schreibt Bonhoeffer und weiter: „Es ist ein großes unsichtbares Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat.“ Seiner Verlobten versichert er: „Du darfst also nicht denken, ich sei unglücklich.“

Die guten, unsichtbaren Mächte, die spürt Bonhoeffer jeden Tag, wie er schreibt. Diese Mächte verbindet er mit den vielen Menschen, die ihn in seinen Gedanken begleiten. So beschreibt es auch der Theologe und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, der eine enge Beziehung zu Bonhoeffers theologischem Werk hat: „Das beschränkt er nicht nur auf die gute Macht Gottes, die ihm nahe ist, sondern auch der Menschen, die ihm lieb und wichtig sind – insbesondere natürlich seine Verlobte, aber auch seine Eltern und seine Geschwister.“

Gedicht und Brief hätten etwas sehr Persönliches, sowohl im Anklang auf seine eigene Situation als auch im Blick auf die Adressatin, sagt Huber. „Nach der ursprünglichen Vorstellung war es überhaupt nicht das, was daraus geworden ist, nämlich ein Lied in unserem Gesangbuch.“

- Werbung -

Zwei Vertonungen sind vor allem als evangelische Kirchenlieder bekannt: Die Vertonung von Otto Abel aus dem Jahr 1959 steht im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 65. Beliebter ist die von Siegfried Fietz aus dem Jahr 1970, die sich in mehreren regionalen Teilen des Evangelischen Gesangbuchs findet. Laut der Frankfurter Kirchenmusikerin und Chorleiterin Elisabeth Schwarz-Gangel empfinden viele Menschen die Fietz-Melodie als berührender. „Der Satz von Otto Abel gleicht mehr einem klassischen Choral, während Fietz‘ Vertonung poppiger klingt.“ Sie sei heute zu Recht die bekanntere Version.

Für Wolfgang Huber ist das Großartige an Bonhoeffers Text, dass man ihn biografisch verstehen und nachvollziehen kann, „aber zuzüglich alle Freiheit hat, ihn davon zu lösen und auf die eigene Lebenssituation und Lebensgeschichte zu beziehen“. Huber: „Diese Zeilen wirken in sich selbst. Und viele Menschen werden den Hintergrund gar nicht kennen und trotzdem von ihnen ergriffen sein.“

Von guten Mächten (Dietrich Bonhoeffer)

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen

das Heil, für das du uns geschaffen hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt,
die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Weiterlesen:

Quelleepd

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht

1 COMMENT

  1. Bonhoeffer würde heute nein sagen Rechtsradikale zu wählen

    Der Theologe und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, 1906 in Breslau geboren, entwickelt sich mit Anfang 20 auch zum theologischen Überflieger. Er kritisiert das nationalsozialistische Regime von Anfang an für dessen Rassenpolitik, wird Mitglied der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Hitler-treuen Deutschen Christen wendet. Die Chance zur Emigration und damit die Rettung seines Lebens bestand 1939: Schon in den USA angekommen, entscheidet er sich schließlich gegen die Pfarrstelle in New York und reist zurück nach Deutschland. Ein Beispiel für Jesustreue.
    Wie der politische Wind wehte zeigt ein Foto, wo der Ev. Reichsbischof Ludwig Müller gegenüber Hitler den gleichnamigen Hitlergruß ableistete.
    Diese Deutschen Christen glaubten, Adolf Hitler sei ein Werkzeug Gottes. Aber sie vergaßen, daß Jesus leider auch ein beschnittener Jude war. Und Juden waren immer die bösartigen Sündenböcke (Abschaum) für alles, was in unserem Staat nicht funktionierte oder marode war.

    Jesusnachfolger:innen arbeiten nicht (nur) mit frommen Worten, sie reden sich die Welt nicht schön (aber auch nicht schlechter als sie ist), aber was aber am wichtigsten ist: Sie schweigen nicht, kritisieren, sind unangepasst, aber sie sind nicht unklug und für ihre wirklich sehrgute Sache der Menschlichkeit auch durchaus raffiniert. Dank persönlicher Beziehungen arbeitet Bonhoeffer während des Kriegs bis zu seiner Verhaftung für den militärischen Auslandsgeheimdienst im Oberkommando der Wehrmacht. Das schützt ihn vor dem Militärdienst an der Front. Durch seine Arbeit kommt er mit dem militärischen Widerstand gegen Hitler in Kontakt und schließt sich den konspirativen Kreisen an. Was Bonhoeffer auszeichnet: Er scheute sich nicht in die Speichen des Rades zu greifen, sprich in das Getriebe des Staates, wohl auch im Wissen, dass man sich damit auch zum Verfolgen und einem Hingerichteten machen kann, jedenfalls verletzlich wird. In jungen Jahren und dies war vor unendlich langen Jahrzehnten, haben wir uns als gerade Erwachsene unsere Köpfe heiß diskutiert, ob trotz der gebotenen Feindesliebe als letzter Ausweg auch Tyranenmord für Christinnen und Christen legitim ist. Trotz unguten Gefühlen, und dem Wissen dass man sich damit auch selbst beschmutzt, waren wir uns dann doch einig: Als allerletztes Mittel mit Gewalt gegen Tyrannen vorzugehen. Einen Antichristen wie Hitler kann man nicht in Kürze und nicht in der Länge der Zeit als Feind zum Freund machen. Nicht mitzumachen beim Unrecht bestand darin, nicht wie leider Unzählige am Sonntag noch sehr fromme Kirchenlieder zu singen, aber heimlisch oder auch offen Heil zu rufen. Da waren auch die vielen fleißigen Beamten, einfältige und leicht beeinflussbare Bürger:innen mit Obrigkeitsverehrung, sowie jede/r, der als eines der vielen Rädchen im Getriebe eines Unrechtsstaates suboptimal funktionierte. Ohne jene treuen Seelen hätte Hitlers Unrecht keine Macht gehabt. Heute ist Dietrich Bonhoeffer für uns Ansporn, erst gar nicht über einen solchen Tyrannenmord diskutieren zu müssen, sondern klar Kante zu zeigen, daß man nicht Jesusfreund/in sein kann und gleichzeitig beispielsweise eine in Teilen rechtsradikale Partei wählen darf. Wir sind verantwortlich.. Der Weg kann dann letztlich nur sein, daß gute Menschen und ebenso gute Christ:innen als Staatsbürger dafür votieren, also vorallem hierfür zuständige Bundestagsabgeordnete als Verfassungsorgan/e, dem Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag vorzulegen. Leider müssen wir uns unbeliebt machen bei Menschen, denen wir deutlich sagen dürfen, daß man nicht Gott und dem Ungeist gleichzeitig dienen kann. Für Freunde von Jesus und Menschen die Gott lieben, ist man für seine demokratische Wahl auch persönlich verantwortlich. Alles was wir denken, vielleicht planen und dann tun, steht in einer nicht selten auch furchtbaren Kausalkette. Ummenschliche Ideen sind somit auch eigenständige Mächte und sie gewinnen sehr schnell auch die Oberhand.

    Damals wurde Hitler demokratisch gewählt, mit einem mageren Wahlergebnis, aber binnen kurzem löste er den Reichstag praktisch auf und viele Berufspolitiker mussten in Deckung gehen, oder landeten in Haft oder gar im KZ. Das damalige Argument war so falsch wie es heute falsch wäre: „Diese Banausen werden sich im politischen Alltag schon guten Sitten angleichen“! Im Gegenteil: Sogar dem Ev. Bekenntnispfarrer in meiner alten Heimat wurde vom Gerichtsvollzieher das Dienstsiegel und der Kirchenschlüssel konfisziert, der Arme erhielt keine Alimentierung durch seine nun abgefallene Kirche, sondern am Sonntag fand nun der Gottesdienst in den Wohnzimmern und Küchentischen der Gemeinde statt. Ein bekannter Bürger meiner Heimatstadt Bernhard Strauß, der Jude war und es als einige wenige überlebte, wurde schon 1938 verhaftet, weil er als Handwerker im Cafe einen Hitlerwitz erzählte und denunziert wurde. Er überlebte 5 verschiedene Konzentrationslager, wurde oft verprügelt und sagte einmal danach, er bleibe aber trotzdem ein Jude. Wer nicht dem Adolf Hitler sogar als Theologe Treue schwören wollte, wurde aus der Kirche entfernt. Denn dieser Logik folgend stellten die Nazis eigene Wahllisten für die Ev. Kirchenvorstände auf und okupierten den Leib Christi von innen. Als der den Nazis sehr widerstrebende und ebenso sehr beliebte katholische Gemeindepfarrer bösartigerweise mitten im Krieg zu sterben gedachte, brachten ihn 2000 Menschen, darunter alle Pfarrer aus allen Konfessionen in ihren Amtstrachten, Kirchenlieder singend, in einem langen Zug von der Pfarrkirche zum Friedhof. Die Nazis an den Fenstern und auf den Dächern sahen es hasserfüllt. Aber eine solche Menschenmenge kann hier niemand kollektiv verhaften. Bonhoeffer ist eine Mahnung, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Es gibt keine Toleranz für Intolerante. Die e Demokratie als deligierte Form einer Volksherrschaft ist gut, solange sie nicht für eine böse Macht missbraucht wird. Gott ist die Macht der Liebe.

WAS KANNST DU ZUM GESPRÄCH BEITRAGEN?

Bitte gib hier deinen Kommentar ein
Bitte gib hier deinen Namen ein

* Mit dem Absenden meines Kommentars akzeptiere ich die Nutzungsbedingungen von Jesus.de. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.