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Minarett-Verbot: Türkei überraschend selbstkritisch

In der türkischen Politik, Presse und Bevölkerung wird sehr differenziert über das Minarett-Votum in der Schweiz diskutiert. Bisher gab es noch keine öffentlichen pauschalen Verurteilungen, wie die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch berichtet.

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Ganz im Gegenteil. Das Schweizer Votum, das den Bau von Minaretten verbieten soll, erinnere die türkische Bevölkerung an den eigenen Umgang mit Minderheiten. Der türkische Kulturminister Günay und der Europaminister Bagis erklärten, die Entscheidung der Schweizer stünden im Gegensatz zu den europäischen Werten und sei nur möglich gewesen, weil die Schweiz kein EU-Mitglied sei. So stellt sich die Türkei, die selbst EU-Mitglied werden will, die Aufgabe, sich ebenfalls mehr an die „europäischen Werte“ anzunähern und die Diskriminierung der eigenen Minderheiten kritisch zu betrachten.

 Noch deutlicher wurde die Presse. So schrieb die Kolumnistin des türkischen Rechtsblatts "Tercüman" Nazli Ilcak, die Schweiz sei zwar kalt und ausländerfeindlich, die Türkei sei aber nicht besser. „Wenn wir ein Referendum gegen Kirchenglocken abhalten würden“, so argumentierte sie, „dann würden wohl 90 Prozent für ein Verbot stimmen – und das ‚Land der Schande’ wären wir.“

Dabei sei das Minarettverbot in der Schweiz noch nicht einmal mit der Situation für Christen in der Türkei vergleichbar, wie der orthodoxe Pater Dositheos gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte. Schon seit Jahren kämpfen die Grichisch-Orthodoxen für die Wiedereröffnung des Priesterseminars auf der Insel Halki, von der das Überleben des Patriarchats abhängt. Bisher hat sich hier noch nichts getan. Und obwohl die türkischen Christen gerade mal 0,2 Prozent der Bevölkerung ausmachen, werden immer wieder Stimmen laut, die im Christentum eine Bedrohung für Land und Leute sehen.

Solche Beschimpfungen, so berichtet Pater Dositheos, habe er jetzt nach dem Votum noch nicht gehört. Er hätte Anrufe von vielen Türken bekommen, doch „bisher gab es keine Drohungen oder Schikanen.“ Auch der türkische Autor Mehemet Barlas mahnte seine Landesgenossen vor solchen unüberlegten Verurteilungen: „Haben wir vergessen, dass man bei uns Andersgläubige abgeschlachtet hat? Dass das Priesterseminar auf Halki noch immer geschlossen ist?“

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Theologen und Politologen aus ganz Europa, einschließlich der Türkei, sehen in dem Minarett-Verbot deshalb auch eine Chance. In ganz Europa müsse nun über das Zusammenleben von verschiedenen Religionen nachgedacht werden, erklärt der Jesuit Felix Körner, der selbst lange in Ankara lebte und arbeitete. Und sagt weiter: „Ich finde es gut, dass diese Diskussion jetzt geführt wird, überall in Europa.“

(Quelle: jesus.de)

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