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Diskussion über Prostitution: Was hilft wirklich?

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat ein Diskussionspapier zum Thema Prostitution veröffentlicht. Darin: ein bisschen Konsens und viele offene Fragen – auch zum sogenannten „Nordischen Modell“.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat ein umfassendes Diskussionspapier zum Thema Prostitution veröffentlicht („Konsens und Diskurs beim Thema Prostitution – Eine Diskussion in der evangelischen Kirche über das Nordische Modell„). Es entstand auf Grundlage eines Synodenbeschlusses von 2023 und wurde von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erarbeitet. Ziel war laut EKD nicht die Festlegung einer eindeutigen Position, sondern die Darstellung unterschiedlicher Perspektiven – und die Förderung der Meinungsbildung.

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Konsens besteht tatsächlich nur in wenigen grundlegenden Punkten, etwa der Ablehnung menschenunwürdiger Verhältnisse und der Schutzbedürftigkeit vulnerabler Gruppen. In vielen anderen Fragen – etwa zur Bewertung von „Sexarbeit“, zur Rolle der Organisierten Kriminalität oder zur Wirksamkeit des Nordischen Modells – gehen die Meinungen teils weit auseinander.

Ein zentraler Streitpunkt ist die Frage, ob Prostitution grundsätzlich eine Verletzung der Menschenwürde darstellt oder ob sie unter bestimmten Bedingungen als Ausdruck von Selbstbestimmung gelten kann. Während einige Stimmen – etwa Prof. Dr. Elke Mack (Katholische Professorin für Christliche Sozialwissenschaft und Sozialethik) – Prostitution als objektive Würdeverletzung einstufen, betonen andere – wie Stefanie Leich (Referentin der Diakonie Deutschland, Themenfeld Gewaltschutz für Frauen, Prostitution und Menschenhandel) – die Vielfalt der Lebensrealitäten und die Notwendigkeit, individuelle Entscheidungen zu respektieren. Auch die Unterscheidung zwischen freiwilliger Prostitution, Zwangsprostitution und Menschenhandel wird kontrovers diskutiert. An dieser Stelle zeigt sich laut EKD eine äußerst lückenhafte Datenlage. Viele Betroffene blieben im Dunkeln.

Physische und psychische Gewalt

Das Papier zeigt auf: Viele Menschen in der Prostitution – vor allem Frauen – sind erheblichen Risiken ausgesetzt. Dazu zählen physische und psychische Gewalt, fehlende soziale Absicherung und Abhängigkeit von kriminellen Strukturen. Studien belegen eine deutlich erhöhte Sterblichkeit und massive Traumatisierungen. Die Rolle der Organisierten Kriminalität wird ebenfalls beleuchtet – mit Beispielen wie dem „Paradise“-Prozess in Stuttgart. Der Geldfluss in der Branche kommt vor allem Bordellbetreibern, Zuhältern und Menschenhändlern zugute – nicht den Prostituierten selbst.

Wie lässt sich verhindern, dass Menschen in die Prostitution geraten? Und wie gelingt ein Ausstieg? Auch hier bietet das Papier keine einfachen Antworten. Es werden sowohl strukturelle Maßnahmen wie Bildung und Armutsbekämpfung als auch rechtliche Schritte wie die Kriminalisierung der Nachfrage diskutiert. Der Ausstieg wird als komplexer Prozess beschrieben, der individuelle Begleitung, sichere Wohnmöglichkeiten und berufliche Perspektiven erfordert.

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Das Nordische Modell

Ein Schwerpunkt des Papiers liegt auf der Bewertung des Nordischen Modells, das in Ländern wie Schweden und Frankreich umgesetzt wird. Es sieht die Entkriminalisierung der Prostituierten, die Kriminalisierung der Freier und umfassende Ausstiegshilfen vor. Befürworter sehen darin einen Weg zur Reduzierung von Menschenhandel und Gewalt. Kritiker warnen vor Verdrängungseffekten und verschlechterten Arbeitsbedingungen. Die EKD bezieht keine eindeutige Position, sondern stellt Argumente und Gegenargumente gegenüber.

Theologisch bleibt die EKD in ihrem Papier vorsichtig. Sie spricht von Schutz, von Solidarität, von der Würde jedes Menschen. Sie fragt: Was hilft wirklich? Und sie erinnert an Jesu Haltung gegenüber den Schwachen. Die Broschüre enthält Beiträge von Ethikerinnen und Theologinnen, die zwischen struktureller Sünde, individueller Entscheidung und gesellschaftlicher Verantwortung abwägen. Besonders betont wird die Notwendigkeit, Menschen in der Prostitution nicht zu verurteilen, sondern ihnen mit Respekt und Solidarität zu begegnen.

Die Broschüre versteht sich laut EKD ausdrücklich nicht als Handlungsanweisung. Sie will zum Nachdenken anregen, zur Diskussion ermutigen und zur Meinungsbildung beitragen. „Diese Broschüre liefert keine einfachen Antworten“, heißt es im Begleittext. Vielmehr werden unterschiedliche Ansichten nebeneinandergestellt – mit dem Ziel, den Blick für Gerechtigkeit, Menschenwürde und Mitmenschlichkeit zu schärfen.

Download: Konsens und Diskurs beim Thema Prostitution (PDF)

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2 Kommentare

  1. Letztlich ist die uneinheitliche unklare Meinung der EKD hier thematisch ein Abbild der Wirklichkeit.

    Prostitution ist vieldimensional und eben nicht einfach klar.

    Man kann sie nicht effektiv verbieten, sie sucht sich dann nur ihre Nischen, oft mit negativen Folgen für die Prostituierten verbunden.

    Ich bin eigentlich ein Verfechter des skandinavischen Modells, weil ich die Liberalisierung in Deutschland für gescheitert ansehe. Die erwarteten positiven Effekte haben sich nicht eingestellt.

    Gleichwohl ist das skandinavische Modell, das ja einem Verbot der Prostitution gleichkommt, nicht unproblematisch.

    Man nehme mal den positiven Fall: Eine erwachsene Prostituierte verkauft Sex freiwillig, ohne Zwang und ohne Zuhälter, an erwachsene Männer. Alles im gegenseitigen Einvernehmen. Warum sollte man das erwachsenen Menschen verbieten? Und ist der Unterschied zu Frauen, die sich von einem SugarDaddy mit Geschenken aushalten lassen, wirklich so groß? Wie und wo zieht man da die Grenze?
    Was ist mit der bildschönen 20jährigen, die den 80jährigen Millionär heiratet? (Beispiel Anne Nicole Smith). Ist nicht auch das eine Art von Prostitution?

    Aber wie verbreitet sind diese positiven Fälle im Verhältnis zu den negativen wie Zwangsprostitution, Minderjährige, Drogenbeschaffung, Flatrate-Bordelle usw.? Ich denke, das Negative überwiegt hier bei weitem.

    Was ist mit exotischen Fällen wie der Prostitution bei behinderten Menschen, die sonst keine Chance auf Sex haben? Auch das gibt es und die Organisationen, die das anbieten, sind angesehen.

    Man sieht schon, wirklich alles andere als einfach.

    Und eigentlich auch nicht nur deutschlandweit zu regeln, denn Prostitution ist schnell grenzüberschreitend. Es bräuchte eine einheitliche EU-Regelung.

    Aber sicher ist eben auch: So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Die Reform war einfach in den Folgen zu negativ.

  2. Zur Prostitution bald Mehrheitsmeinung beschließen

    Schwarzen wahren Humor haben Menschen, die behaupten, dass himmlische wie kirchlichen Mühlen nur extrem verlangsamt arbeiten könnten.
    Unsere Evangelische Kirche in Deutschland hatte ein Diskussionspapier zum Thema Prostitution veröffentlicht. Darin: Nur sehr wenig Konsens und also doch viele offene Fragen. So schön und gut (auch Diskussion und) Meinungsbildung bleibt, zeigt doch auch die Erfahrung z. B. bei der EU und Weltsicherheitsrat, dass Einstimmigkeit in schwierigen Fragen leider oft Wunsch bleibt . Es ist durchaus erlaubt und muss auch so sein, dass es hier sehr gute Außenseiterpositionen gibt. Aber zu einem möglichst nahen Zeitpunkt sollte man entscheiden, mit den nach Kirchengesetzen zulässiger Mehrheit. Beste Demokraten sind so auch gut in unseren Kirchen, wenn Minderheiten diese Mehrheitspositionen dann solidarisch mittragen. Denn ohne solche Haltungen kommt es niemals zu Entscheidungen, oder es bleiben Zwist, Streit und sinnlose Endlosschleifen. Aus Kirchenvorständen kenne ich es, weil nach jeder Wahlperiode immer die gleichen Probleme auf den Tisch des Hauses kommen. Regierungen arbeiten sehr ähnlich.

    Meine eindeutige Haltung: Sexualität ist eine normale und nicht unerhebliche Lebensäußerung. Pornografie und erst recht jede Prostitution sind gewaltähnliche und Menschen verdinglichende Handlungen und deutlich auch eine Versklavung von Menschen. Aber hier kann man, wenn dann überhaupt eine Meinung zur kirchlichen Entscheidung wird, ethische Kompromisse in Entscheidungen gut berücksichtigen. Keinesfalls darf eine kirchliche Meinung und Entscheidung die Betroffenen, die Prostituierten, hier aber gegebenenfalls zu den Bösen degradieren. Dies stände uns hier niemals zu, weil große Abhängigkeiten existieren von den (rein rechtlich oft nicht vorhandenen) Zuhältern, die ihre Menschen verkaufen wie unsere Autohändler ihre Fahrzeuge. Jesus hätte, wie es vor vielen Jahren einmal evangelische Kirchenoberen aus Hamburg praktizierten, Heiligabend mit den Mitarbeiterinnen des Liegenden Gewerbes gefeiert, nicht weil deren Arbeit an unserer Kultur diese bereicherte, sondern weil es sich immer um Menschen handelt, die Gott unendlich liebt. Es muss ja immer auch richtig bleiben, dass wir – egal ob Christinnen, Christen, Atheisten, Nihilisten, Positivisten oder Gleichgültige, „allzumal Sünder/innen sind und es uns an Ruhm vor Gott mangelt“! Jesus ist auch für die Prostituierten und auch ihre Kunden ans Kreuz gegangen, genauso wie für das harmlose Lieschen Müller und dem berühmten einfachen Mann von der Straße. Allein diese Überzeugung muss auch zu mutigen Beschlüssen führen. Jesus heute auf Stippvisite würden auch bei den heutigen Unreinen einkehren, nur dass diese nicht mehr so benannt werden. Wir sind sehr modern. Leider leben wir mit einer unmenschlichen Halbwelt und betrachten sie als normal. Es ist eben doch ein Denkfehler. Aber Prostitution zu verbieten wie Sklavenhaltung, würde vom modernisierten Menschen so angesehen, als verbiete man dann eines Tages auch das ungesunde Eis, das fette Schnitzel, den leckeren Kuchen und das gefährliche Besteigen der 8-Tausender. Dabei geht es ja bei den Verboten bei Genüssen nur um unsere Selbstgefährdung (oder deren Übertreibung), aber nicht um seelische Zertrümmerungen
    derjenigen Mitmenschen, die jeden Tag unter fetten oder dünnen Menschen liegen müssen, um elementare Bedürfnisse quantitativ zu erfüllen. Dabei sind die armen Mädchen und Frauen nur nützliche Idiotinnen, weil sie die Zuhälter als Geldgenerier-Maschinen stündlich ausnutzen werden. Da denke ich, dass mir der Begriff „Prävention“ im Zusammenhang mit der Prostitution leider noch niemals begegnete. Aber niemand fällt nur so.

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