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Missbrauch: Wie können Gemeinden Prävention fördern?

Sexueller Missbrauch sollte in Kirchen und Gemeinden offen thematisiert werden. Therapeut und Psychologe Chris Brandt erklärt, wie Prävention funktionieren kann.

Viele Menschen sprechen grundsätzlich nicht gern über sexuellen Missbrauch. Wie können Gemeinden mehr Dialog in das Thema bringen?

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Erstmal ist es wichtig, sich dieses Thema überhaupt vorzuknöpfen und zu merken: Da können wir auch einen Beitrag leisten. Im Gemeindekontext gibt es ja vieles, über das man sich austauscht – theologische, gesellschaftliche, politische und soziale Themen. Da können doch auch sexueller Missbrauch oder sexuelle Grenzverletzung thematisiert werden: Wie gehen wir mit unseren Grenzen um? Wie mit persönlichen Grenzen? Wie wollen wir das im Miteinander handhaben?

Wie kann dieser Dialog dann konkret aussehen?

Einerseits kann sexueller Missbrauch, wie ich es gerade erwähnt habe, direkt angesprochen werden. In einer sozialen Gemeinschaft ist es aber auch wichtig, generell auf einen respektvollen Umgang miteinander zu achten. Es gibt auch Medien, die helfen, Bewusstsein zu schaffen. Zum Beispiel Plakate, die darauf hinweisen: Hier soll ein Raum sein, in dem keine Grenzen verletzt werden. Auch in der Kinder- und Jugendarbeit kann man Bilder, Bücher und Geschichten verwenden. Vielleicht sogar biblische Geschichten, die Beispiele geben von Menschen, deren Grenzen verletzt worden sind – so wie Josef.

Es gibt vielerlei Möglichkeiten, im Gemeindekontext auf diese Thematik einzugehen. Und auch verschiedene Methoden, die man dazu nutzen kann, das Thema größer zu machen als es bisher schon war.

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Für Betroffene ist es oft schwierig, den sexuellen Missbrauch, den sie erleben, zur Sprache zu bringen. Macht es dabei einen Unterschied, ob es sich um Kinder oder Erwachsene handelt?

Grenzverletzungen zur Sprache zu bringen, kann grundsätzlich auch für Erwachsene schwer sein. Allerdings haben Kinder aufgrund ihres Entwicklungskontextes nochmal eine größere Schwierigkeit damit. Ihnen fällt es oft nicht auf, wie schlimm es eigentlich ist, was ihnen passiert.

Das Problem ist aus meiner Sicht, dass Kinder extrem anpassungsfähig sind – manchmal sage ich sogar: leider. Leider können Kinder extrem viel aushalten. Leider kommen Kinder mit Situationen zurecht, wo wir Erwachsene uns die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen würden: Kann man denn in solchen Kontexten überleben? Aber Kinder schaffen das, weil sie so anpassungsfähig sind. Deswegen ist es ihnen auch weniger möglich, zu sagen: Das ist nicht okay, was da passiert. Je jünger die Personen sind, desto schwerer fällt es ihnen, diese Abgrenzung hinzukriegen.

Kinder können sich und andere noch nicht so gut beobachten und sich dazu positionieren. Wenn sie Grenzverletzungen ansprechen, wird ihnen oft nicht geglaubt. Im Durchschnitt muss ein Kind siebenmal über den Missbrauch reden, bevor ihm geholfen wird. Bei Jugendlichen sind es oft soziale Kontexte, die es schwer machen, Missbrauch zur Sprache zu bringen. Natürlich gibt es auch Erwachsene, denen eine Abgrenzung immer noch schwerfällt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie es schon besser können, ist höher.

Im Durchschnitt muss ein Kind siebenmal über den Missbrauch reden, bevor ihm geglaubt und geholfen wird.

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Sind Kinder dann auch öfter betroffen als Erwachsene?

Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, nicht unbedingt. Oft waren erwachsene Betroffene aber auch schon als Kind Opfer. Sexueller Missbrauch ist leider etwas, das sich wie ein Muster durch ein Leben ziehen kann.

Wenn jemand schon einmal betroffen war, ist die Wahrscheinlichkeit rein statistisch gesehen höher, dass das über das Leben hinweg wieder passiert. Die eigenen Schutzmechanismen scheinen dann nicht so stark ausgeprägt zu sein. Die Person ist irgendwie „anfällig“ dafür, wieder in ähnliche Situationen zu geraten. Das kann auch psychische Dynamiken mit sich bringen – dass man immer wieder in eine gewisse „Opferrolle“ kommt, bewusst oder unbewusst.

Du hast erwähnt, dass betroffene Kinder siebenmal über den Missbrauch sprechen müssen, bis ihnen jemand glaubt. Warum ist das so?

Menschen sind grundsätzlich sensibel für das, was sie erwarten. Wenn man mit etwas rechnet, nimmt man es auch leichter wahr. Wenn aber Dinge geschehen, die man sich nicht vorstellen kann, bemerkt man sie vielleicht gar nicht. Das heißt: Erwartungsvoll durchs Leben zu gehen, gibt uns eher die Möglichkeit, Dinge wahrzunehmen. Auch da, wo wir sie kategorisch ausschließen. Wir denken oft, in der Gemeinde kann sexueller Missbrauch nicht stattfinden, denn Christen machen so etwas nicht. Das kann dazu führen, dass man es gar nicht registriert – selbst, wenn es dann passiert.

Das ist ein komisches Phänomen, passiert aber leider immer wieder. Und deshalb können Erwachsene Kindern oft nicht glauben: Das, was du von dem Menschen berichtest, passt überhaupt nicht mit dem Bild zusammen, das ich von ihm habe – und deswegen kann es nicht stimmen.

Wir denken oft, in der Gemeinde kann sexueller Missbrauch nicht stattfinden. Das kann dazu führen, dass man es gar nicht registriert, wenn es dann passiert.

Was kann ich selbst tun, wenn mir eine betroffene Person etwas anvertraut und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll?

Grundsätzlich ist es total in Ordnung, mit Informationen oder Dingen, die im Umfeld passieren, überfordert zu sein. Das ist ganz normal. Man muss sich dann auch nicht befähigen oder Wissen aneignen, um sich nicht mehr überfordert zu fühlen. Dafür gibt es Professionelle, die sich tagein, tagaus mit solchen Dingen beschäftigen.

Ein „normaler“ Mensch braucht in solchen Situationen nur eine Fähigkeit: die, sich Hilfe holen zu können. Sich nicht zurückzuziehen, sondern andere mit einzubeziehen und sich einzugestehen: Ich kann das nicht und deswegen hole ich mir Hilfe dazu. Das müssen auch nicht immer professionelle Stellen sein – es können auch Menschen sein, denen man vertraut. Allein das kann schon einen großen Unterschied machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Chris Brandt ist als systemischer Therapeut, Psychologe und Erziehungswissenschaftler im ICF Beratungszentrum in Karlsruhe tätig.

Die Fragen stellte Malin Georg. Sie ist Volontärin bei Jesus.de und dem Family-Magazin.

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9 Kommentare

  1. “ [gestrichen | Bitte sachlich kritisieren. Sie sind eloquent genug, um das zu tun. MfG, das JDE-Team] “

    Eine eindeutige Abfuhr an die Meinungsfreiheit.

    • Meinungsfreiheit bedeutet nicht, sich nicht an geltende Regeln/AGB halten zu müssen. In den meisten Fällen halten Sie sich an die Hausordnung, also sollte das kein Problem darstellen. MfG, das JDE-Team

      • Ihre Hausordnung wird nicht allen gerecht. auch dadurch begünstigt sie Missbrauch.
        Bleiben Sie unter sich, in Ihrer eigenen Missbrauchsblase, das ist wohl besser so, oder lassen die Kommentarspalte ganz weg. Sie sorgt ohnehin nur für Bosheit und Ärger.
        Dem Glauben ist das abträglich, der allgemeinen Stimmung erst recht.
        Jetzt kann ich mit Fug und Recht mein Leben als Missbrauch mit “ Jesus “ bezeichnen.

        Die evangelische Publizistik kann nur Pöbeln, siehe Chrismon :
        “ Die AFD erfüllt eine Blitzableiterfunktion “
        “ Es war kein Ausländer – und nun ? “
        oder
        “ danke CDU für diese Primagelegenheit
        “ CDU/CSU attackieren Organisationen, die sich für Demokratie und gegen rechts engagieren. Ein bösartiger Einschüchterungsversuch. Ahnungslos obendrein. Oder sollte man das einfach „Lügen“ nennen? Ein Kommentar “
        u.a.
        Diese “ bösartige “ Stunkpublizistik führt zu nichts als Missstimmung, im Sinne von jeder gegen jeden.
        Das ist so KLEINLICH evangelisch, aber mit großer Wirkung auf das das unzufriedene Völkchen eben.

        Der Fisch stinkt immer vom Kopf her, lautet eine altbekannte Redensart. Ich dachte nicht, dass ich sie mal wieder ausgrabe, aber es passt ganz besonders gut auf die christlich populistische Publizistik, die sich obendrein in alter Tradition wähnt, obwohl sie sich eher als modern sieht.

        Während wiederum die Jesus.de Texte die Friede . Freude … und Wir – haben – uns – alle- lieb Hymne auf Jesus , ununterbrochen im Hintergrund besingen !

        Jesus Christus tut es nicht mehr weh, dafür aber die Vielen, die auf Ihn ihr Leben setzten.

        Aber wen kümmert das noch ? Hauptsache Ich , das ist wohl die neue christliche Nächstenliebe.
        Ich meine, handeln muss jeder selbst, das ist selbstverständlich, aber wenn die Kommunikation nur noch übers Pöbeln funktioniert, weil die braven Christen alle nur gen Himmel blicken wollen, oder in die Bibel, tut sich darunter ein Abgrund auf, und der Himmel weint Tränen !
        Das ist die Realität .

        Fazit : jede Kritik ist wichtig, liebe Redaktion.
        Vielleicht modifizieren Sie Ihre Hausordnung, um mehr Selbstkritik zuzulassen ?

        • Guten Tag Gabrielle,
          wohnen Sie eigentlich weit entfernt? Falls nicht, dann kommen Sie doch mal auf ein Gespräch vorbei. Oder ein Telefonat? Das wäre spannend. Ich kann mir gut vorstellen, dass das auf beiden Seiten Missverständnisse ausräumen könnte.

          Eine Hausordnung wird nie allen gerecht, das stimmt. In erster Linie dient sie dem Schutz derjenigen, die diskutieren. Kritik an uns selbst löschen wir nur sehr selten. Entsprechende Beiträge, auch von Ihnen, sind zahlreich online.

          „Die evangelische Publizistik kann nur Pöbeln, siehe ChrIsmon“

          Was Chrismon publiziert, ist nicht unser Thema. Die von ihnen sogenannte „Stunkpublizistik“ betreiben wir nicht, das stimmt. Allerdings auch nicht die „Friede . Freude … und Wir – haben – uns – alle- lieb Hymne“.
          Es ist richtig, dass wir viele positive, potenziell aufbauende Artikel veröffentlichen (die meinen Sie?). Das ist Teil unseres Anspruchs – und des gesamten Verlags. Ob das gelingt, ist eine andere Frage. Sicher nicht immer und nicht für jede/n.
          Darüber hinaus veröffentlichen wir üregelmäßig Beiträge zu Themen wie Religionsfreiheit, Christenverfolgung, Missbrauch, Sterbehilfe, NS-Zeit (Heute: Anne Frank) , Kirchenaustritte, Abtreibung, Hospizdienst, Armut etc. – davon passt nichts in die „Friede, Freude“-Kategorie.

          Wir bilden uns nicht ein, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben oder im Besitz der alleinigen „Wahrheit“ zu sein. Vieles von dem, was hier gepostet wird, sehe ich persönlich völlig anders. Ein anderes Teammitglied würde dagegen womöglich zustimmen.

          Es geht hier um die Kommentarfunktion in einem Webportal und entsprechende Regeln. Ohne Regeln, das zeigt die Erfahrung, sind wir schnell bei Exzessen, wie sie in „Sozialen Netzwerken“ an der Tagesordnung sind. Danke – nein, das wünschen wir nicht. Vielleicht ist unsere Hausordnung strenger als andere? Möglich – auch wenn sie in weiten Teilen HO anderer Portale entspricht. Das hilft uns. Niemand ist gezwungen, bei uns zu schreiben.

          „Jede Kritik ist wichtig“
          Wenn die Kritik sachlich formuliert ist, ist dagegen nichts einzuwenden. Kritik und Selbstkritik sind wichtig.

          MfG, Daniel vom JDE-Team

          • Ganz kurz nur :
            Danke für Ihre Antwort, es gibt natürlich interessante Themen auf dem Jesus.de Portal, keine Frage.
            Auf die Einladung komme ich vielleicht irgendwann zurück.

  2. Leider bleibt dieser Beitrag sehr vage und wenig handfest.
    Es wären konkrete Beispiele hilfreich, die man schon als einen Missbrauch definiert.
    So bleibt alles wieder etwas zu wolkig.

  3. [gestrichen | Bitte sachlich kritisieren. Sie sind eloquent genug, um das zu tun. MfG, das JDE-Team]

    Die Menschen werden hier einfach nur in ihrer Ohnmacht vorgeführt.
    Luther hatte eine große Familie, er liebte Kinder, und junge Menschen. Nichts von seiner positiven Lebenskraft strahlt durch das verhärtete Wesen der EKD auf ihre Gemeinden und die Gesellschaft hindurch. Kinder sollen abgetrieben werden, werden missbraucht, werden zum Problem, weil die Bequemlichkeit wichtiger wird.

  4. Den kirchlichen Verbrechen des Missbrauchs liegt ein Grundübel zugrunde, und zwar egal ob katholische, evangelische oder freikirchliche Kirche:
    Die Kirche wird über die Menschen gestellt. Es ist wichtiger, dass der Ruf geschützt wird als die Menschen.
    So traurig wie es ist, aber Missbrauch wird es immer geben. Aber die institutionelle Verschleierung, das Wegschauen ja sogar das Unterstützen von Missbrauch bis hin zum Verunglimpfen der Opfer, das könnte man verhindern.

    Leider ist bis heute da kein wirkliches Umdenken zu erkennen. Das zeigen sogar die kircheneigenen Untersuchungen.

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