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Käßmann zu Missbrauch: Glaubwürdigkeit der Kirche steht auf dem Spiel

Die Theologin Margot Käßmann sieht in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben ihrer Kirche. Ein Aspekt macht ihr dabei Hoffnung.

«Die Glaubwürdigkeit unserer Kirche und ihres Willens zur Veränderung steht dabei auf dem Spiel», heißt es in einem Beitrag der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In dem Text, der am Mittwoch veröffentlicht wurde (Texte aus der VELKD Nr. 195), ging es um die Themen Vergebung und Rechtfertigung nach der ForuM-Studie.

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Laut der im Januar dieses Jahres veröffentlichten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt im Bereich der EKD wurden seit 1946 mindestens 2.225 Menschen in der evangelischen Kirche und der Diakonie missbraucht, hauptsächlich Kinder und Jugendliche. Dazu schreibt Käßmann: «Sexualisierte Gewalt ist eine brutale Straftat, die Leben zerstört. Sie gehört vor staatliche Gerichte.»

Ob die Erkenntnisse durch die ForuM-Studie «unsere Kirche so angemessen erschüttert haben, dass sexualisierte Gewalt konsequent geahndet wird, die Opfer geschützt werden und jedwede Vertuschung ein Ende findet, wird sich rückblickend in einigen Jahren zeigen», fügte die frühere hannoversche Landesbischöfin Käßmann hinzu.

„Die lutherische Kirche ist offensichtlich lernfähig“

Die evangelische Kirche habe Fehlverhalten unter anderem bei ihrem Umgang mit Frauen und im Umgang mit der Homosexualität sowie ihre Schuld gegenüber dem Judentum inzwischen klar anerkannt, so Käßmann weiter: «Die lutherische Kirche ist offensichtlich lernfähig. Sie kann Selbstherrlichkeit ablegen und voller Demut anerkennen, wo sie in die Irre gegangen ist. Das macht mir Hoffnung!»

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) veröffentlichte eine Textsammlung zur ForuM-Studie mit dem Titel «Lutherische Theologie und die Abgründe sexualisierter Gewalt in der Kirche». Käßmann steuerte einen Beitrag dazu bei. weitere Texte stammen zum Beispiel von Thorsten Dietz und Petra Bahr. Die Texte behandeln theologische Fragen zu Sünde und Vergebung im Kontext sexualisierter Gewalt in der Kirche. Der 1948 gegründeten VELKD gehören heute sieben Landeskirchen mit über 7,5 Millionen evangelischen Christen an.

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12 COMMENTS

    • Es wird sehr um die Aufklärung gestritten – und zwar im Sinne einer Aufklärung

      Nein, dass was ich von einem Mitglied der bei der EKD anässigen Aufklärungskommission gehört habe, in einem Gottesdienst mit Betroffenen, und dies machte nicht den Eindruck, man wolle sich der Verantwortung nur ein Yota entziehen. Im Gegenteil: Nur ist es auch verdammt schwierig, jemand einerseits – was man tun muss – als Betroffenen voll und uneingeschränkt zu glauben – und andererseits kann auch nach kirchlichem Recht niemand für schuldig bestimmt werden, wenn es null Zeugen und Beweise gibt. Dies ist dann immer eine Aufklärung nicht deshalb nur in schwierigem Gelände, sondern auch ein Bemühen zwischen Pest und Colera. Ich habe aber herausgehört, dass man sie eben deshalb trefflich und leidenschaftlich streitet. Ich glaube nicht, dass dort überhaupt um die Einrede der Verjährung gestritten wird, sondern um die Anwendung der notwendigen Gerechtigkeit auf beiden Seiten. Der Staat hat schlicht dieses Problem nicht, wenn dort Verjährung eintritt, dass tritt sie ein mit der gleichen Folge, wie wenn es keine Beweise gibt. Ich halte dies auch immer noch für ein notwendiges Rechtsstaat-Prinzip, denn es schützt jeden einzelnen Menschen bei allen Delikten, seien sie eher harmlos und brutal, vor einer unschuldigen Verurteilung. Aber dies hat wirklich nichts mit irgendeiner Relativierung von tatsächlicher Schuld zu tun. Das Problem bei den vielen Menschen ist, die auch aus anderen Gründen nicht bestraft werden können, da wir niemand nach Bauchgefühl verurteilen können und vorallem dann, wenn Beweise nicht vorhanden sind. Ich war lange Zeit Schöffe, nur haben die damaligen Jugendlichen schon gar nicht versucht, ausser dummen Ausreden, ihre Schuld zu leugnen. Aber leider wird das Recht durch diejenigen Leute gebeugt, die Beweise verschwinden lassen oder dort wo es keine gibt, weil die Schuldigen und Zeugen schon längst verstorben sind. Ich denke aber, die Kirche hat mehr Möglichkeiten als der Staat, weil er auch die entschädigen kann, die sich – fast immer zurecht – als Opfer empfinden und es dann auch sind. Die Schwierigkeit liegt in der Sache. Jedenfalls kann man der Kirche, wo auch immer, keine offene und flächendeckende Verschleppung oder Verharmlosung nachsagen – und wenn man dies tut, dann muss man Ross und Reiter wirklich nennen.

  1. Ich denke nicht, dass die Glaubwürdigkeit der EKD auf dem Spiel steht.Sie ist längst verspielt.

    Das Thema ist ja nicht erst seit der Veröffentlichung dieser Studie vor einem Jahr auf dem Tisch Dieser gehen mindestens 15 unwürdige Jahre des Leugnens, Kleinredens, Vertuschen und wohl auch Weitermachens voraus. Dazu ein teilweise schlimmer Umgang mit den Opfern.

    Und die Studie selbst spricht von der Spitze der Spitze des Eisbergs.

    Was die Lernfähigkeit beim Thema Judenhass angeht, so scheint mir auch dieser sehr eingeschränkt, wenn es um eigene Verfehlungen geht und nicht um den Antisemitismus anderer. Beispiel Judensau an christlichen Kirchen.

    • Die Kirche ist kein Wesen auf zwei Beinen

      Auch, liebe Chey, wenn ich mir geschworen habe nicht mehr zu antworten: Die Glaubwürdigkeit der EKD ist nach deiner Formulierung verspielt. Dabei bitte ich doch auch gnädig zu berücksichtigen, dass Generalisierungen eher zum Handwerkszeug der Populisten gehört. Die Kirche ist kein zweibeiniges Wesen. Sie besteht vorliegend aus der EKD als Verbund vieler Evangelischer Kirchen in Deutschland und in ihnen gibt es sehr viele Menschen, auch die angeblich tendenziell bösen Berufschristen, wovon die allermeisten aber jeden Tag ihren Glauben zu leben versuchen, in aller Bescheidenheit, Korrektheit und in Annäherung an eigene christliche Ideale. Aber es gibt genauso real ebenso alle die schwarzen Schafe. Und daher sollte man nie verallgemeinern, weil man dann nur die beleidigt, die gerade über jeden Missbrauch sehr entsetzt und enttäuscht sind. Ich kann aus dieser Welt nicht austreten und zum Paradiesplaneten fliegen, weil hier überall Mißbrauch, Gewalt, Krieg, Mord und Totschlag herrscht und sich die Welt wie ein Haifischbecken anfühlt, vorallem in der Politik. Ich kann aus einer Kirche nicht austreten, weil selbiges da passieren kann. Christinnen und Christen haben sich mit Vorbefindlichkeiten nicht zu arrangieren, sondern es ist ihre Aufgabe, alles zu ändern was zu ändern ist. Aber nicht zu verändern, was niemand zu verändern vermag. Mit Letzterem müssen wir alle leben. Ich glaube, daß diese vorbefindliche Welt nicht heil ist und nicht vollkommene Gerechtigkeit und Liebe vorliegt. Aber auch dort wo eine Windstille herrscht und keine Kritik an den Bösartigkeit in ihnen, ist dies kein Beweis, dass nur das Unkraut der Unmenschlichkeit in den Landeskirchen und bei den Katholiken wuchert. Diese Annahme wäre von Anfang an falsch. Und dies hat in keiner Weise etwas mit Relativierungen zu tun, sondern nur mit einer gerechten Sichtweise. Im übrigen bin ich der Meinung, daß ich weder meinen Staat lieben und küssen kann, auch meine Kirche kann ich nicht lieben und küssen, aber mit Menschen sollte man dies einvernehmlich liebevoll tun dürfen. Und alle Kirchen bestehen aus allen möglichen Menschen mit allen Möglichkeiten. Allerdings was wir wünschen, denken und dann vielleicht tun, dafür sind wir in Wort und Bild immer auch ganz persönlich auch verantwortlich.

        • Ich dachte bisher, als Christ sollte man gar nicht schwören, siehe Matthäus 5, 33ff.

          Ob mir hier einer antworten will oder nicht, obliegt jedem selbst. Aber so was anzukündigen ist schon etwas merkwürdig. Und dass dann keine 24h durchzuhalten auch. Aber da steckt man nicht drin.

      • > Christinnen und Christen haben sich mit Vorbefindlichkeiten nicht zu arrangieren, sondern es ist ihre Aufgabe, alles zu ändern was zu ändern ist

        Offensichtlich waren viele Christen in der EKD der Meinung, dass institutionell unterstützter Missbrauch nicht zu ändern ist

        Das sehe ich anders.

        Und man kann zwar nicht aus der Welt austreten, aus der Kirche aber schon.

        Jedes Mitglied muss sich die Frage stellen, ob sie sich weiter mitschuldig machen will, indem sie diese Institution weiter unterstützt

        Und jetzige und ehemalige Verantwortungsträger sollten ihre kirchliche Vergangenheit und Gegenwart mal kritisch hinterfragen, wie viel Mitschuld sie auch durch Wegsehen und Kleinreden tragen. Viele ja bis heute.

        Wir sind nicht am Ende der Aufklärung dieses schrecklichen Skandals, wir sind am Anfang. Lies das Gutachten

      • Ich will dir mal eine ganz konkrete Frage stellen:

        Die EKD klärt aus 2 Gründen nicht vollumfänglich auf:

        – Sie will den Ruf der Institution und der Täter schützen. Die Institution ist wichtiger als der einzelnde Mensch.
        – Sie will nicht alle Opfer ermitteln und diesen eine Entschädigung in der Höhe zahlen, wie sie zuletzt Gerichte als angemessen fanden, weil das die Kirche in finanzielle Schwierigkeiten bringen würde, bei der Vielzahl der Fälle, die noch gar nicht aufgedeckt sind, vielleicht sogar ruinieren würde.

        Meine Frage an Dich:
        Würde Jesus genauso entscheiden?

        Oder würde er vor allem auf die Opfer schauen, auch wenn das auf Kosten der Institution geht, selbst wenn es diese die Existenz kosten würde?

  2. Den guten Willen wenigstens gut finden

    Die Theologin Margot Käßmann sieht in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben ihrer Kirche. Damit macht sie Hoffnung auf eine Perspektive. Laut der im Januar dieses Jahres veröffentlichten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt im Bereich der EKD wurden seit 1946 mindestens 2.225 Menschen in der evangelischen Kirche und der Diakonie missbraucht, hauptsächlich Kinder und Jugendliche. Ich meine, man sollte zumindest den guten Willen vieler auch leitender Kirchenmitarbeiter:innen – gegenüber jenen die eigentlich das Problem schamhaft kleinhalten – auch positiv bewerten. Diese gewaltige Zukunftsaufgabe ist nicht leicht, lässt sich sicherlich nicht mit einem Zauberstab entfernen und momentan das Paradies herstellen. Uns Christinnen und Christen sollte man nicht nach den Gießkannenprinip den bösen Hang generell unterstellen, den Abgrund menschlicher Bösartigkeit und Gewalt, nämlich den sexuellen Mißbrauch, nicht aufklären zu wollen. Es liegt auch in der Natur der Sache, dass viel Missbrauch staatlich juristisch schon verjährt ist. Es geht also oft auch um die kirchliche Reaktion, Erkennung und Bestrafung der Täter, sowie die Wiedergutmachung sowie Gespräche mit den Opfern. Mir ist einleuchtend, da die Versöhnung mit den Opfern naturgemäß schwierig sein wird, aber sie erscheint mir notwendig. Ein sehr guter (nicht „schöner“!) Gottesdienst zum Thema fand am Buß- und Bettag in der Pfälzischen Landeskirche statt, unter Teilnahme und Mitwirkung von Opfern sowie Beteiligung von Aufklärer:innen. Inhaltlich wurde hier sehr deutlich, (fasst könnte man sagen „brutal deutlich“), wie schwierig und schmerzhaft der Umgang mit dem Thema für jeden auf allen Seiten sich anfühlt. Die mutige Teilnahme der Betroffenen beweist, daß nicht alle Katzen grau sind und viele Leute beabsichtigen, das Thema und die Änderung des Bewusstsein zu einem achtsamen und guten Umgang miteinander, auch Mühen macht und sich aber letztlich lohnt.

    • „Es liegt auch in der Natur der Sache, dass viel Missbrauch staatlich juristisch schon verjährt ist.“, schreiben sie. Das stimmt so pauschal nicht.

      Verjährung wird in einem Verfahren erst rechtswirksam, wenn sich der Beklage darauf beruft.

      Warum verzichtet die Kirche nicht auf die Verjährung, stellt sich endlich ihrer Verantwortung und leistet zeitnah angemessene Entschädigungen?

      Das ganze Prozedere über Jahre zu verschleppen hat jedes Vertrauen in die Kirche zerstört.

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