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Christen in der AfD?

„Christen in der AfD?“ Passt das zusammen? Die Diskussion zwischen dem evangelischen Bischof Markus Dröge und Anette Schultner vom Arbeitskreis „Christen in der AfD“ im Rahmen des Kirchentags war mit Spannung erwartet worden. Während auf der Bühne sachlich diskutiert wurde, gab es immer wieder teils empörte Zwischenrufe aus dem Publikum. Die AfD schüre Ängste, sähe Misstrauen und predige Ausgrenzung, kritisierte Bischof Dröge.

Vor dem Veranstaltungsort, der Sophienkirche, hatten sich Demonstranten versammelt. Das Polizeiaufgebot war entsprechend groß. Der Kirchentag hatte für die Ansetzung dieser Veranstaltung zum Teil heftige Kritik einstecken müssen. Man dürfe der AfD keine Plattform bieten, hatten Kritiker moniert. Doch die Berliner Journalistin Bettina Warken, die die Diskussion moderierte, stellte gleich zu Beginn klar: „Es gibt keine Frage, die nicht im Dialog beantwortet werden kann – oder muss.“

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Der verbale Schlagabtausch in der mit 500 Besuchern voll besetzten Kirche begann mit der Frage nach dem christlichen Menschenbild. „Jeder Mensch ist gottgewollt, wertvoll vor Gott und von Gott geliebt“, erklärte Schultner. „Vor Gott haben alle Menschen dieselben Rechte.“ Aber schon in der Bibel sei es undenkbar gewesen, dass Zugereiste die gleichen Rechte wie die Einheimischen besäßen. „Im staatlichen Sinne gilt das nicht“, so Schultner. „Wir sehen das Elend in verschiedenen Ländern dieser Welt, wollen aber vor Ort helfen.“ Man sei in der AfD gegen „Völkerwanderungen“. Es sei ein „deutsches Phänomen“, den Flüchtlingen hier im Land helfen zu wollen. Dies dürfe jedoch nicht zu einer Destabilisierung führen. Man müsse Prioritäten setzen und Wirtschaftsflüchtlinge, bei allem Verständnis für deren Lage, konsequent abweisen.

Ihre Partei schüre keine Ängste, die Menschen in Deutschland hätten Angst. Zum Beispiel aufgrund der Vorfälle auf der Kölner Domplatte. Zudem gebe es zu wenig Solidarität mit verfolgten Christen seitens der Kirchen.

Landesbischof Dröge betonte, dass man vorhandene Ängste ernst nehmen müsse. Aber die AfD „übertreibe“ und „dramatisiere“. Das Evangelium sei eine Kraft, Ängsten zu begegnen. Paulus habe von Glaube, Liebe und Hoffnung geschrieben. „Wie passt das zum Misstrauen der AfD gegenüber allem möglichem?“ Natürlich gebe es islamistischen Terror. Natürlich wolle niemand, dass so etwas in Deutschland geschehe. „Aber wir werden Gewalt nicht durch Mauern verhindern.“ Außerdem sei es nicht richtig, dass die Kirchen die Gewalt gegen Christen – zum Beispiel in Flüchtlingsunterkünften – verharmlose. „Ich bin nach den Vorwürfen in ein Heim gegangen und habe mit den christlichen Flüchtlingen dort gesprochen. Ohne die Heimleitung. Aber sie behaupten pauschal, wir würden nichts tun.“ Darüber hinaus gebe es zum Beispiel in Berlin seit Jahren Fürbitte und Gottesdienste für verfolgte Christen.

Dröge: „Kritisch mit der Propaganda der Rechtspopulisten auseinandersetzen“

Er spreche niemandem das Christsein ab, der sich in der AfD engagiere, so Dröge. „Das war eine verzerrende Aussage von Frau von Storch.“ Er glaube allerdings, dass es „Christenpflicht“ sei, sich kritisch mit der Propaganda der Rechtspopulisten auseinanderzusetzen. „Die AfD möchte provozieren, so dass der sachlich argumentierende Gegner dazu verführt wird, selbst nicht mehr sachlich zu diskutieren“, kritisierte Dröge. „Ich finde schon, dass es ein Glaubwürdigkeitsproblem damit gibt, sich als Christ in der AfD zu engagieren.“ An die Adresse von Anette Schulter sagte er: „Als Christin werden Sie in der AfD als Feigenblatt missbraucht für eine Partei, die kein christliches Menschenbild vertritt!“

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Es sei uralte biblische Tradition, Fremde aufzunehmen und zu achten. Die AfD stelle ein „großes Erbe der christlich-jüdischen Tradition in Frage“. Dröge betonte die Gottesebenbildlichkeit des Menschen. „Damit begründen wir die gleiche Würde und die gleichen Rechte jedes Menschen.“ Man müsse empfindlich sein, wenn diese Würde irgendwo nicht geachtet werde. Für das christliche Menschenbild sei die Bergpredigt Jesu wesentlich. Jesus habe die Nächstenliebe durch die Forderung nach der Feindesliebe zugespitzt, so der Bischof. „Es geht nicht darum, nur den oder das zu lieben, was mir ohnehin nahe ist.“ Das spezifisch Christliche sei es, einen Schritt darüber hinauszugehen. Darüber hinaus sei es eine völlig falsche und übertriebene Behauptung, man wolle „die ganze Welt nach Deutschland holen.“

„Völkischer Sound“

Unterstützung erhielt Dröge von der dritten Diskussionsteilnehmerin, der Münchener Publizistin Liane Bednarz „Wir hatten eine Flüchtlingskrise, aber keine unkontrollierte Völkerwanderung“, betonte sie. Die AfD schüre Ängste und bediene sich eines „völkischen Sounds“. In ihrem Wahlprogramm sei davon die Rede, dass eine „erfolgreiche Anpassung“ der Flüchtlinge unmöglich sei. Sie wolle die Zuwanderung massiv einschränken und gegebenenfalls ein Gesetz formulieren, dass keine Asylbewerber mehr zulassen würde.

Einig waren sich alle drei Redner, dass es in der deutschen Politik eine „konservative Repräsentationslücke“ gebe. „Zum Beispiel bei einem Thema wie Abtreibung, das gerade für konservative Christen große Bedeutung hat“, erklärte Bednarz. „Ich persönlich bin übrigens auch gegen Abtreibung. Aber was macht die AfD daraus? Deutsche Bevölkerungspolitik wird gegen Zuwanderung ausgespielt und mit dem Thema Abtreibung verknüpft.“ Die AfD sei „völkisch ausgrenzend“ und behaupte, die traditionelle Familie sei in Gefahr. Sie könnte jedoch nicht sehen, dass durch die Gleichstellung anderer Formen des Zusammenlebens „irgendeine eine traditionelle Familie bedroht werde. „Gender? Kann man kritisch sehen, ja. Aber die AfD übertreibt in ihrer Kritik.“ Der Rechtspopulismus wolle einen „moralischen Alleinvertretungsanspruch“. Andere, wie die „Altparteien“, würden „verächtlich gemacht“.

Foto: Jesus.de / D. Wildraut

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Schultner sagte, dass keine andere Partei in Deutschland solchen Angriffen und Gewalt ausgesetzt sei wie die AfD. Bischof Dröge hielt dagegen, dass die AfD eine „Opferrolle“ kultiviere. Häufig heiße es, bestimmte Meinungen dürften nicht geäußert werden. „Aber dann werden sie geäußert und sind menschenverachtend.“ Positionen rechts von CDU und CSU machten ihm keine Angst. Angst mache die Art und Weise, dass Menschen bedroht würden, die sich für Flüchtlinge einsetzen. „Zum Teil mit übelster Hetze.“ Er selbst habe hunderte Hassmails bekommen. Schutner erklärte, Gewalt sei keine Lösung, kein Mittel der Politik. „Auf keiner Seite.“

Die AfD-Vertreterin kritisierte außerdem, dass sich die evangelische Kirche zu sehr „in die Belange des Staates einmische,“ statt sich auf die Mission zu konzentrieren. Sie zitierte in diesem Zusammenhang einen Abschnitt aus der Barmer Theologischen Erklärung. Dröge wies darauf hin, dass es in der Barmer Erklärung aber eben auch heiße, dass die Kirche den Auftrag habe, „den Staat an Gottes Gebot zu erinnern.“ Es sei die Verantwortung eines christlichen Lebens, auch in die Politik hinein zu wirken. „Sie sagen jedoch: Wenn es nicht meine Politik ist, dass ist es halt eine politisierte Kirche. Das geht nicht.“ Er wandte sich auch gegen den Vorwurf, nicht genügend für die Mission zu tun. „Wenn man in den neuen Bundesländern überhaupt jemand für den Glauben interessieren will, dann muss man sozial aktiv werden und sich engagieren.“ Denn schließlich gebe es dort seit langem das Vorurteil, dass die Kirche sich nur um das Seelenheil kümmere.

Es blieb bis zum Ende kontrovers. „Wir haben mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gefunden“, resümierte Bettina Warken und ergänzte: „Nicht jede Antwort war gut auszuhalten.“ Sie hoffe jedoch, dass der Versuch einer Diskussion gewürdigt werde.

Von D. Wildraut

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