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„Ehe für alle“: Zustimmung und Kritik bei Kirchenvertretern

Die kirchlichen Reaktionen auf die „Ehe für alle“ fallen unterschiedlich aus. Katholische Kirche, Konservative Werke und Gemeinschaften sowie die Evangelische Allianz sind gegen eine rechtliche Gleichstellung. Der Rat der EKD begrüßt grundsätzlich die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, ein Sprecher kritisierte jedoch den plötzlichen „Zeitdruck“. Aus den Landeskirchen kommt zum Teil Zustimmung, aber auch kritische Töne. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger befürwortet laut Umfragen die „Ehe für alle“.

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montagabend zu erkennen gegeben hatte, dass sie Unionsabgeordneten das Votum für oder gegen die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften freigeben will, entwickelte das Thema eine unerwartete Dynamik. Die SPD drängte unterstützt von den Grünen auf einen Beschluss noch in dieser Woche. Der Rechtsausschuss des Bundestags hat am Mittwoch mit knapper Mehrheit (20:19 Stimmen) entschieden, eine Abstimmung anzusetzen und empfahl außerdem die Annahme des Gesetzentwurfs des Bundesrats für die Öffnung der Ehe. Die „Ehe für alle“ wird erster Tagesordnungspunkt der Bundestagssitzung am Freitag in Berlin, wie die Pressestelle des Parlaments am Donnerstag mitteilte.

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Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kritisierte das Vorpreschen der SPD scharf und warf ihr „Vertrauensbruch“ vor. Die SPD müsse das Thema zusammen mit der Opposition aus Linken und Grünen auf die Tagesordnung bringen und „dann gegen uns diese Abstimmung durchführen“, sagte Kauder. Der Streit um die „Ehe für alle“ hat die große Koalition die ganze Wahlperiode lang begleitet. Aus Koalitionsdisziplin setzte die SPD bislang keine Abstimmung durch, auch wenn sie sich wiederholt für die Gleichstellung ausgesprochen hatte.

Der CDU-Politiker Jens Spahn rief zu gegenseitigem Respekt auf. „Wir müssen in dieser Debatte auf beiden Seiten verbal abrüsten“, schrieb Spahn in einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“ (Mittwoch). „Wenn jemand sagt, aus religiösen Gründen sei die Ehe für ihn etwas, das nur Mann und Frau vorbehalten ist, dann ist er nicht gleich homophob“, betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, der selbst die „Ehe für alle“ befürwortet.

Die Grünen haben die Ankündigung der SPD begrüßt, noch in dieser Woche über die „Ehe für alle“ abstimmen zu wollen. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck, der allen voran für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle gestritten hatte, sprach am Mittwoch in Berlin nach der Sitzung des Rechtsausschusses von einem „historischen Schritt“. „Mich erfüllt das mit großer Freude“, erklärte er. Persönlich sei er „tief dankbar“, dass die Grünen „von Anfang an auf unsere Seite gekämpft haben.“ Auf Twitter schrieb Beck: „Die ‚Ehe für alle‘ passt zum Reformationsjubiläum & denkt Luthers Satz zu Ende: ‚Die Ehe ist ein äußerlich, weltlich Ding.'“ Beck ist auch religionspolitischer Sprecher seiner Partei.

Evangelische Allianz lehnt „Ehe für alle“ ab

Die evangelikale Evangelische Allianz bekräftigte in einer aktuellen Stellungnahme ihre Ablehnung der „Ehe für alle“. Darin heißt es, dass es im Kern bei der Öffnung der Ehe nicht nur um die Beseitigung von Diskrimierungen gehe: „Der unscharfe Begriff ’symbolische Diskriminierung‘ wird mit einer ‚Änderung des Eheverständnisses‘ durch den ‚gesellschaftlichen Wandel‘ begründet. Insofern handelt es sich nicht um eine Öffnung der Ehe ‚für alle‘, sondern um die ’symbolische‘ Abschaffung des klassischen, aus Sicht der Antragsteller überholten Ehebegriffs.“ Die Evangelische Allianz dagegen halte am Eheverständnis von Mann und Frau und Familie fest. „Sie sind die Keimzelle einer jeden Gesellschaft“, heißt es. „Wird dieses Eheverständnis aufgelöst, werden sich weitere Fragen ergeben: etwa, ob auch Polygamie oder Geschwisterehen legalisiert werden sollten.“

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Generalsekretär Hartmut Steeb hatte bereits im Februar erklärt, dass die Ehe „per Definition die lebenslängliche Liebes- und Treuegemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann“ sei. Die Ehe müsse Ehe bleiben, der Slogan „Ehe für alle“ sei populistisch. Homosexuelle Partner sollten laut Steeb auch keine Kinder adoptieren dürfen. „Kinder brauchen zu ihrem Wohl Vater und Mutter“, so der Generalsekretär.

Die Allianz wehrt sich gegen den Vorwurf, Homosexuelle zu diskrminieren. Die Ehe regele die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Partner. „Manches davon kann ebenso für gleichgeschlechtliche Paare gelten“, heißt es in der Stellungnahme. Dafür gebe es mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ein eigenes Rechtsinstitut. „Zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft wird nach dem juristischen Grundsatz differenziert, das ‚Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln‘ ist.“ Ausdruck dieser Differenzierung – und ebenfalls keine Diskriminierung – sei, dass die Lebenspartnerschaft ihrerseits heterosexuellen Paaren nicht offen stehe. Auch wenn sich der Gesetzesentwurf auf das BGB beziehe, führe er zu einer normativen Veränderung des Ehebegriffs. „Wir halten es für verfassungsrechtlich bedenklich, die Grundrechte, die im Grundgesetz in den Artikeln 1-19 formuliert sind, nach den jeweiligen gesellschaftlichen Strömungen umzuinterpretieren, oder sie aus wahltaktischen Gründen in Frage zu stellen. Grundrechte haben eine leitende und schützende Funktion für jeden einzelnen Bürger und für die Gesellschaft.“ Unterschrieben ist die Stellungnahme von Ekkehart Vetter (Vorsitzender), Siegfried Winkler (2. Vorsitzender), Hartmut Steeb (Generalsekretär) und Uwe Heimowski (politischer Beauftragter der Allianz in Berlin).

„Für biblisches Leitbild“

Scharfe Kritik kommt von der Konferenz Bekennender Gemeinschaften. Die „Ehe für alle“ bedeute letztlich „die Aufhebung der Ehe“, erklärte der Vorsitzende, Pastor Ulrich Rüß, gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Sie widerspriche eindeutig den Aussagen der Bibel, sei „nicht vereinbar mit dem christlichen Menschenbild und widergöttlich“.

„Das biblische Leitbild der lebenslangen Ehe zwischen Mann und Frau bleibt unübertroffen“, heißt es in einer Stellungnahme der ChristusBewegung Lebendige Gemeinde. Daran wolle man „unabhängig vom Ergebnis gesellschaftspolitischer Mehrheitsverhältnisse“ festhalten. Die geplante Ausweitung des Ehe-Begriffs auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften halte man für „sachlich unangemessen und lehnen sie deshalb entschieden ab“. Die Ehe sei nicht nur aus christlicher Überzeugung die „Lebens- und Liebesgemeinschaft von Frau und Mann als prinzipiell lebenslange Verbindung mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben.“

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Kritik aus der katholischen Kirche

Die katholische Kirche lehnt die Ehe für homosexuelle Partner ab. Sie trage „zu einer allgemeinen und nicht zuletzt rechtlichen Verwirrung bei“, sagte der Berliner Erzbischof Heiner Koch der Katholischen Nachrichten-Agentur am 24. Juni. Koch ist Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie bei der Deutschen Bischofskonferenz.

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, nannte es bedauerlich, „wenn dieser Ehebegriff aufgelöst werden soll und damit die christliche Auffassung von Ehe und das staatliche Konzept weiter auseinandergehen“. Auch wegen der von vielen Seiten geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken sei es völlig unangemessen, eine „solche gesellschaftspolitische Grundentscheidung in diesem überstürzten Verfahren zu fällen“.

Rat der EKD unterstützt mehrheitlich Ehe für gleichgeschlechtliche Paare

Der Rat der EKD meldete sich am Mittwochabend mit einer Stellungnahme zu Wort. „Für die Evangelische Kirche in Deutschland sind Vertrauen, Verlässlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in der Gestaltung menschlicher Beziehungen von zentraler Bedeutung. Aus Sicht der EKD bietet die Ehe dafür beste Voraussetzungen und ist deshalb ein Zukunftsmodell. […] Dass auch für gleichgeschlechtlich liebende Menschen, die den Wunsch nach einer lebenslang verbindlichen Partnerschaft haben, der rechtliche Raum vollständig geöffnet wird, in dem Vertrauen, Verlässlichkeit und Verantwortung durch gesetzliche Regelungen geschützt und unterstützt werden, begrüßt die EKD. Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil – sie wird noch einmal unterstrichen.“

Zur Frage der Ausgestaltung eines rechtlichen Rahmens gebe es in den evangelischen Landeskirchen wie in der weltweiten Kirche unterschiedliche Auffassungen, „die auch weiterhin ihre Berechtigung haben werden.“

Bischöfin Junkermann: „Besondere Beziehung zwischen Mann und Frau“

In mehreren evangelischen Landeskirchen können sich homosexuelle Paare segnen lassen. Das Formular entspreche inhaltlich zu 98 Prozent dem einer Eheschließung, erklärte die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann gegenüber dem MDR. „Es heißt nur nicht, wir segnen eure Ehe, sondern wir segnen eure gleichgeschlechtliche Partnerschaft.“ Ein Problem habe sie aber mit dem Begriff „Ehe“ für eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. „Die Notwendigkeit, die da wäre, ist Respekt. Dafür habe ich mich seit 20 Jahren eingesetzt, dass es Adoptionsrecht gibt. Aber der gleiche Name belastet sozusagen das Verständnis zwischen der besonderen Beziehung zwischen Mann und Frau.“

„Keine Schwächung der Ehe“

Die „Ehe für alle“ würde nach Ansicht des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung eine „lange Geschichte der Diskriminierung beenden“. Sie wäre auch keine Schwächung der Ehe, wie manche befürchteten, sagte Jung am Mittwoch in Darmstadt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vielmehr würde sie „die Ehe als Schutzraum verbindlich und verantwortungsvoll gelebter Partnerschaft stärken.“

Die hessen-nassauische Kirche war 2013 die erste Landeskirche in Deutschland, die die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare mit der Trauung heterosexueller Paare gleichgestellt und die Eintragung ins Kirchenbuch ermöglicht hat. Eine einheitliche Position zur Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern gibt es in den evangelischen Landeskirchen nicht.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hatte sich bereits 2015 gegenüber dem Spiegel für eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe ausgesprochen.

Erfreut reagierte die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) auf die aktuelle Entwicklung. „Wir fordern seit langem die Ehe für alle, weil wir sie für zutiefst christlich halten“, erklärte deren Sprecher Markus Gutfleisch gegenüber dem Webportal evangelisch.de. Sie sei christlich, weil sie das Zusammenleben in lesbischen und schwulen Partnerschaften als gleichwertig definiere und alle „umständlichen, diskriminierenden Sonderbestimmungen überflüssig macht.“

Ethikrat begrüßt „Ehe für alle“

Der Vorsitzende des deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, begrüßt die Einführung der „Ehe für alle“. Der Ehebegriff habe im Laufe der Zeit unglaublich viele Veränderungen erfahren, sagte der evangelische Theologe. „Viele andere Dinge haben wir abgeschichtet im Ehebegriff und nun ist es eben soweit, dass die Gegengeschlechtlichkeit infrage gestellt worden ist.“ Dafür habe es sich als „das zentrale Moment gehalten, dass Menschen wechselseitig füreinander dauerhaft Verantwortung übernehmen wollen, treu sein wollen und verlässlich miteinander umgehen wollen“, erklärte Dabrock. „Und das ist glaube ich das Entscheidende.“

Besorgnis darüber, dass nun auch homosexuelle Paare Kinder adoptieren können, seien „rein psychologisch vielleicht nachvollziehbar“. Sämtliche Studien zeigten jedoch, dass diese Sorge völlig unberechtigt sei. „Das Entscheidende ist, ob Kinder in einer Umgebung groß werden, die ihnen Vertrauen und Liebe vermittelt“, betonte er.

Umfrage: Mehrheit der Bevölkerung für Öffnung der Ehe

Bei einer Emnid-Umfrage im April lag die Zustimmung für die „Ehe für alle“ in Deutschland bei 75 Prozent. Andere Umfragen kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Noch höher lag die Zustimmung bei einer im Januar vorgestellten Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Dort sprachen sich 82,6 Prozent der Befragten dafür aus. 75,8 Prozent stimmten für das volle Adoptionsrecht von schwulen und lesbischen Paaren.

Mit dem Gesetzentwurf aus dem Bundesrat, der im Bundestag abgestimmt wird, würde im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, dass auch zwei Personen gleichen Geschlechts eine Ehe eingehen können. Seit 2001 können homosexuelle Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen, die der Ehe weitgehend gleichgestellt ist. Was Ehe und Lebenspartnerschaft heute noch unterscheidet, ist das Adoptionsrecht: Schwule und Lesben dürfen nicht gemeinsam ein Kind adoptieren. Das würde sich mit dem neuen Gesetz ändern. Bestehende Lebenspartnerschaften können – müssen aber nicht – in Ehen umgewandelt werden. Neue Lebenspartnerschaften könnten künftig aber nicht mehr geschlossen werden. In 13 anderen europäischen Ländern gibt es die gleichgeschlechtliche Ehe bereits. Als weltweit erstes Land erlaubten die Niederlande 2001 homosexuellen Paaren die Eheschließung.

Ob die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eine Grundgesetzänderung (Artikel 6) nötig macht, das ist unter Verfassungsrechtlern umstritten.

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