Jerusalem ist für Christen ein bedeutendes Pilgerziel an Ostern: Die Stadt, in der Jesus der Überlieferung nach im Garten Gethsemane festgenommen und schließlich gekreuzigt wurde. Vielen palästinensischen Christen aber bleibt der Besuch verwehrt.
Von Susanne Knaul (epd)
In Israel boomt der Tourismus. Bereits in den ersten zwei Monaten 2018 hat das zuständige Ministerium mehr als eine halbe Million Besucher gezählt. Jetzt in der Karwoche drängeln sich die Pilger an den heiligen Stätten, allen voran in Jerusalem, wo zum Osterfest Dutzende Gruppen Gläubiger mit dem Kreuz auf den Schultern den Leidensweg von Jesus Christus entlang der „Via Dolorosa“ bis zur Grabeskirche abschreiten. Hier ist Jesus der Überlieferung nach bestattet worden.
„Es ist schon paradox, dass Ausländern mehr erlaubt ist als Einheimischen“, findet der Palästinenser Josef Mosalam, Veterinär aus dem 18 Kilometer entfernten Bethlehem, und erklärt: „Palästinenser brauchen eine Sondergenehmigung, um nach Jerusalem zu reisen, und Israelis dürfen nicht nach Bethlehem kommen.“ Der 47-jährige Katholik war in seinem ganzen Leben nur vier Mal in Jerusalem, davon zweimal auf der Durchreise zum Flughafen.
Die Einreisebestimmungen ändern sich von Jahr zu Jahr je nach Sicherheitslage. Israel ist „ein souveräner Staat und hat das Recht, darüber zu entscheiden, wer einreisen darf und wer nicht“, heißt es dazu in einer Stellungnahme der COGAT, der Koordinierungsstelle zwischen Israels Regierung, der Armee und der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Jerusalem – nur bestimmte Christen dürfen einreisen
Besonders streng hält es die COGAT aktuell mit Blick auf den Gazastreifen. „Angesichts des wiederholten Phänomens, dass Palästinenser die Einreisegenehmigung für illegalen (länger als erlaubten) Aufenthalt in Israel missbrauchten“, habe man entschieden, nur Christen, die 55 Jahre und älter sind, zum Osterfest nach Jerusalem reisen zu lassen. Insgesamt wurden laut Verteidigungsministerium dieses Jahr 500 Reisegenehmigungen ausgestellt. Nur ein Bruchteil davon kann jedoch wahrgenommen werden, aus Altersgründen.
Für die Christen im Westjordanland ist es grundsätzlich leichter. Pater Hannah Salem aus Beit Dschalla schätzt, dass „rund die Hälfte unserer Gemeindemitglieder an Ostern nach Jerusalem reisen darf“. Die Anträge werden jeweils von den zuständigen Kirchen ausgestellt. Bei Absagen werde immer derselbe Grund genannt: „Sicherheit“.
Josef Mosalam vermutet, dass Israel ihm immer noch zur Last legt, dass er während der ersten Intifada (1987-1993) Steine auf Soldaten geworfen hat. Damals war er gerade 17, stand kurz vor dem Abitur und sympathisierte mit der PFLP, der Volksfront zur Befreiung Palästinas. Wer der Armee einmal auffällig geworden ist, läuft Gefahr, für immer in den Computern als Sicherheitsrisiko registriert zu bleiben.
Ostern am Geburtsort Jesu
Für die Familie Mosalam bedeutet das, Ostern wieder in Bethlehem im Westjordanland zu feiern, obschon Manal, die Ehefrau des Tierarztes, eine Einreisegenehmigung hat. „Ich würde nicht ohne meinen Mann fahren“, sagt die 40 Jahre alte Chemikerin, die sich nicht zutraut, die vier Kinder allein in dem Gedränge zu beaufsichtigen. Alexandros, der älteste Sohn des Paares, verdreht die Augen. Auf der Lippe des Pubertierenden zeigt sich schon deutlich ein dunkler Bartflaum. Auf ihn, so signalisiert er, müsse seine Mutter nicht mehr aufpassen. Aber da sind noch Nicole und Lorin und die quirlige kleine Joana, die sich liebevoll an den Vater presst, bevor sie wieder losstürmt, um zu spielen.
Mosalam arbeitet im Rathaus von Bethlehem, wo er als Direktor der städtischen Gesundheitsabteilung zuständig ist für die Fleischkontrolle und die Lizenzen für Nahrungsmittelhändler. Außerdem ist er Leiter der katholischen Pfadfinder, die regelmäßig ältere Bürger besuchen, in Krankenhäuser gehen und bei öffentlichen Veranstaltungen wie dem jährlichen Marathon mithelfen. Und natürlich in der Kirche: Mosalam kramt den Plan der Gottesdienste in der Geburtskirche hervor. „Wir werden vier Mal in der Osterwoche die Messe begleiten“, sagt er stolz.
Von Sicherheitsgründen und Hoffnung
Die Pfadfinder dürfen vor dem Osterfest mit einem Bus nach Jerusalem fahren, und „vielleicht setze ich mich einfach mich rein“, überlegt Mosalam in der Hoffnung, dass die Kontrolle der Soldaten am Kontrollpunkt nicht allzu streng ausfällt. „Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass sie mich wieder zurückschicken.“
Er habe schon „so oft“ versucht, offiziell eine Genehmigung zu erhalten. Es gab immer dieselbe Absage: „Sicherheitsgründe.“ Im vergangenen Jahr sei er so entmutigt gewesen, dass er keinen neuen Antrag mehr stellte. „Es ist besser, wenn ich mir gar nicht erst Hoffnungen mache.“
Am Ostersonntag geht die Familie gemeinsam in die Kirche in Bethlehem. Mosalam wird am Morgen die aus Reis und Fleisch bereitete Mahlzeit zum Backen wegbringen. „Unser Ofen ist nicht groß genug“, sagt er. 15 Gäste sollen satt werden.
Zum Nachtisch gibt es an Ostern traditionell „Kaek“, einen mit Datteln gefüllten runden Kuchen, der die Dornenkrone symbolisiert. Und außerdem Mamul, einen Keks aus Nüssen in Form des Schwamms, der nach biblischer Überlieferung in Essig getränkt dem am Kreuz sterbenden Jesus an die Lippen gepresst wurde. „Das mag zwar keiner von uns“, sagt Manal Mosalam, „aber es gehört einfach dazu“.