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Kirche der Zukunft: Mehr Geist, mehr Freiheit

Brauchen wir andere Kirchen? Muss sich Kirche verändern? Dieser Frage stellten sich auf dem Kirchentag in Berlin die lutherische US-Pastorin Nadia Bolz-Weber (Denver) und die reformierte Kirchentagspräsidentin Christina aus der Au in einer Podiumsdiskussion.

Bolz-Weber, Gründerin der „Church for All Sinners and Saints“ („Kirche für alle Sünder und Heiligen“) in Denver/Colorado, rief dazu auf, mehr über das Thema  „Sünde“ zu sprechen. Jesus habe dies ständig getan. „Wenn er heute zu uns käme, würde er sich wundern, wie selten wir das tun. Für unsere Beziehung zu Gott ist das nämlich zentral.“ In ihre Kirche in Denver kämen viele Menschen, die sich wertlos und schuldig fühlten, so Bolz-Weber. „Ja, die Sünde hat Macht. Aber die Gnade auch!“ Die frohe Botschaft laute, dass wir uns unserer Fehler und Schwächen nicht schämen müssten. „Der christliche Glaube erlaubt Unperfektheit! Gott liebt uns so, wie wir sind.“

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„Das Evangelium zu predigen ist unser Job“

Es sei Aufgabe der Kirche, das Evangelium zu predigen und von Sünde zu sprechen. Warum? „Niemand sonst wird es tun. Das ist unser Job“, unterstrich die Pastorin. „Im Yogakurs wird dir das niemand erzählen.“ Der Mensch müsse zunächst verstehen, was Sünde sei, sonst könne er auch die Gnade Gottes nicht verstehen. Und Buße schaffe Freiheit. In der heutigen Zeit würde uns oft eingeredet, wir könnten durch Persönlichkeits-Kurse, Meditation, ökologisches Verhalten usw. als Menschen immer „besser“ werden. Womöglich so gut, dass wir Gottes Gnade nicht mehr brauchen, fragte Bolz-Weber pointiert? „Nein, wir brauchen Gottes Gnade. Und die ist ein Geschenk und wird nicht durch Taten verdient.“ Es sei eine Illusion, zu diesem Zweck einem menschlichen Idealbild von sich selbst nachzueifern. „Gott liebt nicht deine Idealvorstellung von dir, die ist ohnehin irreal. Er liebt dein tatsächliches Ich.“

Bolz-Weber regte abschließend zu einem Gedankenexperiment an: „Was würden wir als Kirche tun, wenn in fünf Jahren alles vorbei wäre?“, fragte sie. „Wir könnten Sitzungen und Konferenzen absagen und stattdessen mehr Zeit miteinander. Wir würden mehr gemeinsam lachen und singen. Wir wären freier.“ Das Evangelium mache Menschen frei, sagte sie. Und Luther habe mehr an die Freiheit eines Christenmenschen geglaubt als an die Institution Kirche.

„Ich bin unperfekt“

Kirchentagspräsidentin Christina aus der Au erklärte, als reformierte Christin sei es ihr ein Anliegen, zu betonen, dass „wir diese Freiheit auch ausstrahlen müssen.“ Das Thema Buße – von Luther in seiner ersten These thematisiert – und das „Unperfektsein“ sei ihr selbst gerade auf dem Kirchentag sehr bewusst. „Wo hätte ich mir mehr Zeit nehmen sollen, wo noch besser hinhören müssen?“ Wenn sie nicht wüsste, dass Gott auch aus dem Unperfekten etwas Gutes wachsen lassen könne, „dann hätte ich diesen Kirchentag nicht durchgestanden, denn an mir hängt dieses ‚post it‘: Ich bin unperfekt. Erst wenn ich weiß, dass ich von Gott getragen bin, halte ich es aus, so zu sein, wie ich bin.“ Da seien sie und Nadia Bolz-Weber nahe beieinander. Reformierte Tradition sei es, die Freiheit zu erkennen und anschließend „erlöster“ auszusehen.

Christina aus der Au (Foto: Jesus.de / D. Wildraut)

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Aber was tun, wenn niemand kommt, der das Evangelium hören möchte? „Trinitarisch gedacht sollten die Kirchen weg vom rein diakonischen Denken und den Heiligen Geist neu entdecken“, so aus der Au. Denn am Anfang stehe das, was den Reformatoren wichtig gewesen sei: „Die bedingungslose Zuwendung Gottes zum Menschen zu predigen.“ Und das in einer Sprache, die Menschen erreiche. Wenn diese Botschaft nicht durchkomme, „dann haben wir ein ganz anders Problem als die Kirche vor 500 Jahren.“ Kirche sei mehr als Predigten und das Spenden der Sakramente. Das Gedankenexperiment Bolz-Webers aufgreifend sagte aus der Au: „Ja, wir würden keine Strukturreformen planen, wenn uns noch fünf Jahre blieben. Wir würden draußen mit den Menschen Abendmahl feiern. Auch mit denen, die frömmer oder politischer sind als ich. Wäre das nicht der Geist von Pfingsten? Darauf hoffe ich.“

Sie wünsche sich, so die Kirchentagspräsidentin, dass Christen mehr miteinander als übereinander reden würden. „Ich habe viel von anderen gelernt, die vielleicht auf ‚verrückte‘ Art Kirche bauen. Von den ganz Frommen, von den Lutheranern. Ich lerne dort, wo ich mich denen stelle, die anders sind als ich. Dort entsteht für mich dieser gewisse Funke.“ Und so appellierte sie an die Besucher: „Lassen wir die Sorge sein, ob wir richtig oder falsch Kirche sind, lassen wir uns vom Geist herauswehen auf die Gassen.“

Von Daniel Wildraut

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