Der Tod von George Floyd bringt die Massen auf. Nur die deutschen Kirchen schweigen. Das kann Jeniston Jesudasan nicht verstehen.
Von Jeniston Jesudasan
Minnesota, 25. Mai: George Floyd, ein 46-jähriger Afroamerikaner wird bei einem Polizeieinsatz Opfer von Polizeigewalt. Bei der Konfrontation drückt ein weißer Polizist sein Knie minutenlang an den Hals des Mannes. Die restlichen Polizisten sehen tatenlos zu. In den knapp neun Minuten wiederholt George Floyd immer wieder die Worte „I can’t breathe“ (Deutsch: „Ich kann nicht atmen“) bis er sein Bewusstsein verliert. Im Krankenhaus kann nur noch sein Tod festgestellt werden.
Dieser Vorfall wurde gefilmt und verbreitete sich in den Sozialen Medien wie ein Lauffeuer. Floyds letzten Worte „I can’t breathe“ wurden zu einem politischen Slogan, der Kniefall wird zu einem Zeichen gegen Rassismus. Tausende Menschen gehen auf die Straße und protestieren.
Viel Solidarität
Mich hat dieser Vorfall auch schwer getroffen. Für mich ist das purer Rassismus. Einen Schwarzen wegen des Verdachts auf ein harmloses Vergehen zu Tode zu quälen, ist entsetzlich. Ich habe mich gefragt, wie so etwas im Jahr 2020 noch möglich sein kann. Wie kann noch so viel Hass in dieser Welt existieren? Umso mehr habe ich mich über die zahlreichen Solidaritätsbekundungen gefreut. Meine Instagram Timeline war gefüllt von zahlreichen Posts mit einem schwarzen Bild und den Hashtags #blacklivesmatter und #blackouttuesday. Viele Promis haben ihre Reichweite benutzt, um auf das Thema Rassismus aufmerksam zu machen.
Bei einem Gespräch mit einem Freund ist uns aufgefallen, dass sich die Kirchen in Deutschland gar nicht zu dem Thema geäußert haben. Da frag ich mich warum? Bisher haben nur ein paar christliche Influencer und Bands ein Statement veröffentlicht, zum Beispiel Jana Highholder, Tobias Teichen und die Musikgruppe „Könige und Priester“. Warum wird die Reichweite der Kirchen nicht genutzt, um das Allerweltsthema Rassismus anzusprechen? Warum solidarisieren sich die Kirchen nicht mit den Schwarzen?
Hanau und Halle waren anders
Bei den Anschlägen in Deutschland sah das anders aus. Das Bistum Münster veröffentlichte eine Stellungnahme nach dem Anschlag auf Hanau, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) setzte sich für einen „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ ein. Der Arbeitskreis Christlicher Kirchen hat einen ökumenischen Gedenkgottesdienst organisiert, um der Opfer und Angehörigen von Hanau zu gedenken. Nach dem Anschlag in Halle hat die EKD dazu aufgerufen, sich mit den Juden zu solidarisieren. Unter anderem gab sie den Appell, an einer Mahnwache teilzunehmen.
Ich möchte diese Reaktionen keineswegs herabsetzen. Die waren wichtig. Jedoch empfinde ich die aktuellen Ereignisse in den USA als genauso wichtig. Rassismus ist ein Problem, das die ganze Welt betrifft. Rassismus ist seit Jahrhunderten in unseren Systemen verankert. Rassismus ist auch in Deutschland präsent. Die Anschläge in Halle und Hanau belegen dies. Wer schweigt, akzeptiert den Status Quo. Wer schweigt, schaut weg. Wer schweigt, toleriert die soziale Ungerechtigkeit.
Werdet laut!
Was aktuell passiert, ist kein Problem, das nur Schwarze betrifft. Wir sind alle betroffen. Es ist unsere gesellschaftliche Verantwortung, das Geschwür Rassismus zu bekämpfen. Mein Appell an die Kirchen hier in Deutschland: Nutzt eure Reichweite, um alle anderen auf das Thema aufmerksam zu machen. Positioniert euch und veröffentlicht Statements. Werdet laut!
Jeniston Jesudasan absolviert momentan eine Ausbildung zum Medienkaufmann Digital und Print im SCM Bundes-Verlag. Seine Eltern stammen gebürtig aus Sri Lanka.
UPDATE: Die Auslandsbischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, hat am heutigen Freitag (5.6.) ein Solidaritätsschreiben an die EKD-Partnerkirchen in den USA geschickt. Darin heißt es: „Ihr Zeugnis gegen Ungerechtigkeit und Rassismus ermutigt uns in unserer Kirchengemeinschaft. […] „Wir möchten Sie wissen lassen, dass wir in Ihrem Einsatz für die ‚Black Lives Matter-Bewegung‘ an Ihrer Seite sind.“