„Liebe deinen Nächsten“ – dieser Satz hat es Cornelius Schelling angetan. Er brennt dafür, seine Liebe an andere weiterzugeben. Kurzerhand gründet er sein eigenes Start-up-Café in einem alten Bus und erfährt schnell: Liebe weckt nicht immer Gegenliebe.
„Guten Espresso erkennt man an der Crema und am Geschmack. Für mich ist Kaffee gut, wenn er auch einen guten Background hat. Deswegen bin ich auf meinen Kaffee besonders stolz.“ Der junge Mann lacht, während er einen Stapel Kaffeebecher „to go“ auf dem Tresen seines Cafébusses zurechtrückt. Der beige Oldtimer Bus glänzt in der Sonne, bereit dem Brautpaar und seinen Gästen den Nachmittag zu verschönern. Kaffeeduft liegt in der Luft. Das dreiköpfige Team in den weißen Hemden mit kleiner Holzfliege wirkt entspannt, während es die letzten Handgriffe im Bus durchgeht. Mittendrin – Cornelius Schelling: 24 Jahre alt, Erzieher, Busbesitzer, Espressoliebhaber und Cafébetreiber. Seit März 2016 zieht Corny mit seinem Bus durch die Lande und verkauft Kaffee auf Hochzeiten, Streetfood-Festivals, Messen, Unternehmensfeiern und Geburtstagen. Er lebt das, wovon viele Leute träumen und sich nur wenige trauen umzusetzen: den Traum vom eigenen Café. Und doch lebt er diesen Traum so ganz anders, als man es sich vielleicht vorstellt.
Von Nächstenliebe angesteckt
Cornys Geschichte beginnt mit dem Modelabel „Love Your Neighbour“, das der Schweizer David Togni ins Leben gerufen hat. Das Geschäftsmodell ist simpel und doch außergewöhnlich: David entwirft und vermarktet faire Kleidung, zwölf Prozent des Umsatzes werden von der inzwischen gegründeten LYN Foundation an verschiedene Projekte gespendet. Corny, damals noch Erzieher in einer Schulkindbetreuung, erfährt von diesem Projekt und ist sofort fasziniert: „Meine Idee war dann, einen Store in Deutschland zu eröffnen.“ Er schreibt einen Brief an David. Aus einer ersten Idee entwickelt sich ein Gespräch über fast ein Jahr, an dem am Ende eine feste Freundschaft, aber auch die Erkenntnis steht: Cornys Idee ist so erst mal nicht umzusetzen.
„Wir holen die Leute nichts ins Café,
sondern gehen mit dem Café zu den Leuten.“
So sucht Corny weiter nach einem Projekt, in dem er Nächstenliebe in jedem Moment leben kann. Angefangen von den Finanzen bis zu dem Umgang mit Kunden und Mitarbeitern. Auch seine nächste Idee, ein Café aufzubauen, lässt sich nicht umsetzen. Zu groß ist der Konkurrenzmarkt, zu hoch die notwendige Finanzierung. „Also habe ich mir gedacht, dann machen wir es einfach so: wir holen die Leute nicht ins Café, sondern gehen mit dem Café zu den Leuten.“ Und so entsteht die Vision, einen Cafébus aufzubauen, der anderen Menschen hilft. Corny gibt zehn Prozent des Gewinns weiter: zur einen Hälfte seinen Kaffeebauern und zur anderen Hälfte Projekten von Love Your Neighbour.
Wir machen einfach mal!
Für viele klingt Cornys Idee verrückt, vor allem seine Erzieherkollegen können nicht verstehen, dass er seinen Job kündigt. Andere lassen sich wie Corny begeistern: „Ich habe das Glück, dass viele Leute gesagt haben: Hey, ich supporte dich.“ Unterstützt von vielen Freunden und Bekannten, seiner Familie und vor allem seiner Verlobten kann Corny das nötige Startkapital zusammensammeln. „Das war der Startschuss. Und dann kam die Frage: Ja, wie machen wir es denn jetzt?“. Zusammen mit einem Bekannten, der Oldtimerhändler ist, findet Corny das richtige Fahrzeug. Weitere Freunde – ein Hobbyausbauer von Wohnwägen, ein Zimmermann, ein Schreiner, ein angehender Architekt – helfen beim Umbau. Frei nach dem Motto „Wir haben keine Ahnung, wie das alles geht, aber wir lassen eine Klappe reinbauen“ wird aus dem rostigen Bus aus Frankreich Corny’s Cafébus.
Auch bei der Frage nach dem richtigen Kaffee wird Corny in seinem Freundeskreis fündig. Ein Freund importiert Kaffee aus Nepal, kennt die Bauern persönlich. „Mir ist es wichtig zu wissen, dass der Kaffee fair gehandelt und zu hundert Prozent bio ist und mein Geld die Kaffeebauern direkt unterstützt.“ Das rechtfertigt auch den Preis des Kaffees, der Corny manchmal auch kritisch vorgehalten wird. „Ich könnte irgendeinen anderen Kaffee nehmen, dann hätte ich vielleicht ein besseres Geschäft, aber das möchte ich nicht. Mir gefällt die Geschichte, die dahintersteht.“
Mehr als ein Slogan
Sieben Monate schrauben Corny und sein Team am Bus rum, bis sie mit ihm die ersten Events besuchen können. Dabei erleben sie, wie rasant die Community um Corny’s Cafébus wächst, neue Leute einsteigen, die Anfragen sich sammeln und sie Ende 2016 bereits für über 40 Wochenenden im Jahr 2017 ausgebucht sind. Das Geheimnis seines Erfolges? „Das Gesamtkonzept spricht an. Wir sind am Puls der Zeit. Vieles, wofür wir stehen, spricht die Leute an: Nachhaltigkeit, der selbstgebaute Bus und die Bio-Produkte.“ Corny ist besonders wichtig, die Vision von Love Your Neighbour weiterzugeben. Nicht umsonst steht sie in großen Buchstaben auf seinen rechten Unterarm tätowiert. Das Tattoo ist ein Gesprächsöffner. Die Kunden fragen nach und Corny erzählt nur zu gerne von der Vision des Labels und seinem Glauben. „Für mich ist der Slogan keine Aktion, sondern macht mein Leben aus. In meinem Handeln, in meinem Denken, in meinem Auftreten. Daran entscheidet sich, wie ich mit meinem Gegenüber umgehe, gerade in Stresssituationen.“
Ein Unternehmen wächst mit seinen Aufgaben
Wer Corny von seinem Projekt reden hört, ist schnell angesteckt von seinem Gründergeist und seiner Leidenschaft für den Bus. Das provoziert auch Neid, wie Corny immer wieder zu spüren bekommt. „Mir ist bewusst, dass ich geraden den Traum lebe, den viele leben wollen. Aber ich fühle mich deswegen nicht besonders toll. Ich sehe es als großes Geschenk und habe dennoch ein sehr hartes Leben gerade.“ Seitdem er seinen letzten Nebenjob gekündigt hat, arbeitet Corny ganz für das Unternehmen. Das bedeutet viele Nachtschichten und lange Wochenenden. Tage, an denen Corny und sein Team 18–20 Stunden auf einem Event arbeiten, drei Stunden schlafen und dann wieder voll durchpowern. Einen festen Wochenrhythmus gibt es für Corny nicht. Gerade in der Anfangszeit war das nicht immer einfach: Corny ist selbst nicht der Strukturierteste, wie er zugibt. Er musste erst lernen, klare Entscheidungen zu treffen, Veranstaltungen genau zu planen und trotz aller Arbeit sich selbst Pausen einzuräumen. Dass er selbst nicht vom Fach ist, hat die ersten Monate erschwert. Mit der Hilfe von Freunden lernt er das Barista-Handwerk und bekommt Tipps zur Unternehmensführung. Auf Kritiker, die Cornys Angebot zu teuer finden, reagiert er inzwischen gelassen: „Ich bin nicht billig. Der Bus ist auf allen Events ein einzigartiger ‚On-top‘-Artikel. Aber mir ist es wichtig, dass die Leute wissen, dass ich etwas von dem Geld weitergebe.“
Das Risiko gelassen nehmen
Corny plant bereits die Erweiterung seines Fuhrparks. Gekauft sind schon ein Wohnwagen, ein Retro Leiterwagen und eine Ape, ein italienisches Dreirad. Bis Anfang 2018 sollen alle Fahrzeuge umgebaut werden. „Mein Anspruch ist, nichts zu machen, was es schon gibt. Ob’s was wird, weiß ich erst, wenn ich’s probiert habe.“ Mit den neuen Wagen plant Corny, sein Angebot zu erweitern und tiefer ins Catering Business einzusteigen. Besonders stolz ist er auf die Idee von „Corny’s Zapfkarre“, an der er zurzeit bastelt. Corny ist Visionär, aber er musste auch immer wieder lernen, Entscheidungen abzuwägen: Wann lohnt es sich, Geld zu investieren? In solchen und ähnlichen Fragen trägt ihn das Grundvertrauen, dass Gott Gutes mit seinem Projekt vorhat. Er ist überzeugt: „Wenn’s blöd läuft, habe ich vielleicht ein bisschen Geld verloren, aber mehr nicht.“
Von Julia Meister
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift DRANNEXT des SCM Bundes-Verlags erschienen, zu dem auch Jesus.de gehört.