Tom Laengner fühlt sich energielos. Doch weil es ohne Kraft nicht weitergeht, macht er sich auf die Suche nach dem, was ihm neue Frische gibt.
Pausenlos klopft der Regen an mein Dachfenster. Eigentlich ein Grund zur Freude! Denn nach dem trockenen Sommer ist der Boden fast verdurstet. Doch uneigentlich ersehne ich ein mildes Blau. Das Dauergrau des Winterhimmels verschafft mir keine gute Laune. Irgendwie muss ich meine Lebensenergie verlegt haben.
Damit wäre ich nicht allein. In einer im Dezember 2020 veröffentlichten Studie der Vereinigung der Betriebskassen pronova BKK lese ich, dass unbestimmte Angstgefühle und Antriebslosigkeit in Deutschland seit Pandemiebeginn stark zugenommen haben. Immer mehr Menschen ermüden und sind erschöpft, ohne einen besonderen Grund dafür angeben zu können. Fachmediziner wundert das nicht. „Die Pandemie stellt den Alltag auf den Kopf und raubt den Menschen das sichere Gefühl gewohnter Strukturen“, sagt Dr. Gerd Herold, BKK. Es ist, als würde das Leben schleichend aus dem Lande weichen.
Die Erklärungen der Mediziner bringen in meine momentane Befindlichkeit ein wenig Klarheit. Es ist in einer Krise wie dieser keine Schande, schlapp und erschöpft zu sein. Aber eine besondere Ehre ist es auch nicht. Ich verstehe sehr wohl, dass mir Unsicherheiten und Belastungen in Coronazeiten Energie entziehen. Doch weil ich ohne Energie nicht weit komme, muss ich suchen, was mir neue Frische gibt. Die Frage stellt sich unabhängig von Glauben, Kultur oder politischer Überzeugung. Ich frage nach einem Zugewinn an Lebensenergie, einfach weil ich Mensch bin. Also suche ich!
So bleibt die Frage:
Was gibt mit heute Energie?
In Coronazeiten fällt die naheliegendste Antwort leider weg: „Wenn alles so wäre wie früher!“ Ja, wenn! Aber heute ist nicht früher und wird es auch nie werden. Und so bleibt die Frage: Was gibt mit heute Energie? Unter den aktuellen Bedingungen mit massiven Einschränkungen mag das herausfordernd sein. Doch was soll’s! Am besten suche ich nach einer Tankstelle, bevor ich auf freiem Feld liegenbleibe. In meinem Leben sieht das genauso aus.
Neue Wege für mich und andere zu suchen, erfordert Pioniergeist. Das ist allemal anspruchsvoll und es mag Fehlversuche geben. Doch liegt darin nicht auch ein Reiz? Menschen, die mit Jesus unterwegs waren, stellten sich ähnliche Fragen vor 2.000 Jahren. Das machte sie in ihren Tagen relevant. Sie sagten: „Wir gehören nicht zu denen, die den Mut verlieren und deshalb zugrunde gehen, sondern zu denen, die Gott vertrauen und das Leben gewinnen“. Das Vertrauen zu Gott führte sie dazu, entschlossen zu handeln. Sie machten nicht alles richtig, brachten dafür aber allerhand auf den Weg. Nur das Eine taten sie nicht: Sie warfen die Brocken nicht mit Verweis auf die Umstände hin.
Als Menschen sind wir Unikate; ob wir wollen oder nicht. Entsprechend facettenreich fällt unsere Antwort aus. Sie sollte nur meine ureigene sein und alltagstauglich. Gerade an einem grauen Tag, wenn unabsehbar ist, wann der Regen mal Pause macht.
Und ich gehe jetzt mal eiskalt duschen. Das spart einerseits Energie, gibt mir aber welche.
Das weiß ich, auch wenn ich es mir im Moment nicht vorstellen kann.