Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Welchen Raum schaffe ich für die Freude?

Da fließen die Tränen: Ein Wettkampf bei den Olympischen Spielen in Paris erinnert Tom Laengner daran, dass er es einüben muss, Momente der Freude wahrzunehmen.

Sollen sie lachen oder weinen? Paulina Paszek und Jule Hake hatten eben in Paris die Bronzemedaille im Zweier-Kajak gewonnen. Jetzt halten sie sich in den Armen und strahlen miteinander um die Wette. Einige Momente später erinnere ich mich kaum daran, was die beiden gesagt haben. Aber diese Tränen der Freude berühren mich.

Ein Werbespot mit fragwürdiger Botschaft

Sollten wir Menschen die Freude nicht als Lebenselixier in unserem Alltag pflegen? Mich würde es ja freuen. Doch inzwischen gibt es ganz andere Ansätze. Deren Vertretung machte in einem Werbeclip zu Olympia klar, wohin diese Reise gehen könnte. Da erscheinen dann Freude und Tränen wie muffiger Mundgeruch. Mit einem Werbeetat von 3,4 Milliarden können diese Kreativen auf dem TV-Bildschirm richtig Karussell fahren lassen. In der angesprochenen Kampagne ‚Gewinnen ist nicht jedermanns Sache‘ präsentiert ein US-amerikanischer Konsumgüterhersteller Legenden unterschiedlicher Sportarten. Heroen aller Art! Und sie preisen sich als selbstsüchtig, empathielos, respektlos, nie zufrieden, machtbesessen, reuelos und wahnhaft. Das ganze Spektakel gipfelt in der Frage: ‚Bin ich deshalb ein schlechter Mensch. Sag es mir! ‘

Erst dachte ich ‚nein‘. Ich will weder verhauen werden noch verurteilen. Dann dachte ich ‚ja‘. Persönlich fühle ich mich mehr zur Freude hingezogen. Und finden wir in Europa machtbesessene Menschen nicht gerade als sehr problematisch? Ich meine, da war doch was.

Doch letztendlich dachte ich, dass die Frage der Kampagne in eine Sackgasse führt. Sollten die Legenden dieser Kampagne nicht eher fragen: Möchte ich mit solchen Menschen gerne meinen Alltag teilen, wenn sie so sind und bleiben wollen? Und: Wie sieht ein Ort aus, der ausschließlich aus solchen Menschen besteht?

Harfenspiel und Freudentränen

Freude ist für mich ein Schlüssel zum Leben. Auf Fernsehsport und Werbeweisheiten kann ich verzichten, auf die Freude eher nicht. Allerdings gehöre ich zu den Menschen, die es einüben müssen, Momente der Freude wahrzunehmen und diese herzlich zu umarmen. Nehmen wir mal den letzten Sonntag. Ich hatte für Gérard und Anna ein paar Pancakes gemacht. Vorher hatte ich Nüsse angeröstet und für die geschmackliche Säure zum Dattelsirup auch noch Pflaumen beigemischt. Überaus köstlich! Dann packte Anna ihre Harfe aus und die beiden sangen ein paar Lieder über Jesus. Und ob ich es nun glauben wollte oder nicht: Ich konnte keinen Ton mitsingen. Jeder Einzelne blieb mir sozusagen im Halse stecken. Ich war tief beglückt und Wasser floss aus meinen Augen. Und mir war, als würde in diesem Moment eine Menge Schmerz aus meiner Seele geschwemmt. Das tat mir mehr gut, als ich erst dachte. Natürlich darf ich mich beherrschen, weil es niemand etwas angeht, was in mir vor sich geht. Ich darf mich auch schämen, dass mir das hier nicht gelungen ist. Oh, wie peinlich! Ich darf aber auch die Kontrolle über meine innere Welt ablegen und aus ganzem Herzen weinen wie meine kleine Enkeltochter.

Ein Griesgram lernt Fröhlichkeit

Meine Erfahrung lehrte mich, dass ich es lernen muss, Gefühle wie Freude zuzulassen. Für mich gilt das, weil ich mal ein Griesgram von Format war. Das war lange vor der Zeit, als ich in der Bibel las, dass sich ein Mensch unabhängig von seinen Lebensumständen freuen solle. Er solle dazu einen Lebensstil der Freude entwickeln. Der Autor dieser Gedanken schrieb aus dem Gefängnis. In den Jahren vorher hatte er Folter erlebt, Morddrohungen und andere Garstigkeiten.

Und weil er auch nicht aus der Marihuana-Schatzkammer zugedröhnt war, nehme ich den Mann ernst und frage mich: Wie hat er das gemacht?

Gérard und ich haben uns zum Abschied sehr lange in den Arm genommen und uns einen Kuss auf beide Wangen gedrückt. War das schön! Auch ein Grund zur Freude. Ich drücke nicht jedem Gesicht einen Kuss auf. Denn beim Küssen bin ich schon etwas pingelig.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier >>

Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

1 Kommentar

  1. Selbstsüchtig und empasthielos ist kein christliches Ideal

    „Mit einem Werbeetat von 3,4 Milliarden können es diese Kreativen auf dem TV-Bildschirm richtig Karussell fahren lassen. In der angesprochenen Kampagne „Gewinnen ist nicht jedermanns Sache‘ präsentierte ein US-amerikanischer Konsumgüterhersteller anlässlich der Olympischen Spiele Legenden unterschiedlicher Sportarten. Heroen aller Art! Und sie preisen sich als selbstsüchtig, empathielos, respektlos, nie zufrieden, sehr machtbesessen, reuelos und einiermaßen wahnhaft. Das ganze Spektakel gipfelt in der Frage: ‚Bin ich deshalb ein schlechter Mensch. Sag es mir“!
    Tom Laengner hat dies in seiner regelmäßigen Kolummne geschrieben und es verdient hohen Lob und Zustimmung.

    Ich würde mal (ganz mutig) JA sagen. Dies hat zu tun mit Jesu Aufforderung ja ja oder nein nein zu sagen. Es ist nicht alles relativ: Selbstsüchtig, empathielos, respektlos, nie zufrieden, machtbesessen, reuelos und wahnhaft zu sein, widerspricht unserem christlichen Menschen- und Weltbild.
    und bereits dem Ideal der Urgemeinde. Jesus wird als Friedefurst kommen, nicht als Henker oder Richter. Er ist ein Erlöser und er wird nach eigener Aussage mit milder Hand regieren. Die Schwerter werden einst zu Pflugscharen. Darin immer mitzuarbeiten ist unser Amt, aber es liegt nicht ursächlich in unserem Vermögen. In der Nachfolge Jesu geht es darum, Liebe zu üben, gerecht zu sein und sich selbst und das eigene So-Sein nicht über andere zu stellen. Leider arbeitet aber Werbung oft mit Neid, aber wie die Schwester des Neides ist auch die Überheblichkeit ein Übel. (Übrigens sind Populisten aller Art und aus unterschiedlichen Gründen auch ähnlich unterwegs). Natürlich kann man sich, wie wir eigentlich sein sollten, und wie 1. Korinther 13 uns im Ideal umschreibt, diesem nur bescheiden annähern. Wie wir sind, und wenn wir einen unendlich hellen Heiligenschein tragen würden und zudem unsere allergrößten Leistungen sowie die Verdienste um die christliche Sache einbringen: So ist dies dazu nicht geeignet, uns damit unser Ewige Leben zu verdienen. Das Erlössung wurde alle Menschen, die je gelebt haben, durch Jesu Vergebung am Kreuz von Golgatha, völlig unverdient und unverdienbar geschenkt. Unsere Erwiderung als Christinnen und Christen ist daher nur freiwillige Dankbarkeit. Dankbare Leute wandelt gern in den Fußspuren ihres Messias. Wenn wir mit Gott im Reinen sind, dann steht uns echte Fröhlichkeit und die Leichtigkeit des Seins auch gerne zu. Niemand muss in den Keller gehen um zu lachen. Es darf auch anlassbezogen gefeiert werden, denn Jesu nahm drei Tage an der Hochzeit in Kaana teil. Ebenso alles Menschenverbindende, auch von Olympia, betrachte ich als sehr positiv.

    Aber nicht jede menschliche Werbeidee ist verdächtig, wirklich klug und sozial sinnvoll zu sein. Klug ist nur, wenn wir uns auch gegenseitig um uns kümmern, statt gegeneinander wie in einem altrömischen Wagenrennen auf Leben und Tod zu kämpfen. Dies meine ich auch sinnbildlich. Das Leben ist kein Boxkampf und die Stärke liegt seelisch nicht in den Muskeln und einem langem Atem. Doch auch der Schwache kann mit Gott über Mauern springen.

WAS KANNST DU ZUM GESPRÄCH BEITRAGEN?

Bitte gib hier deinen Kommentar ein
Bitte gib hier deinen Namen ein

* Mit dem Absenden meines Kommentars akzeptiere ich die Nutzungsbedingungen von Jesus.de. Weitere Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.

Die neusten Artikel