Schneller als erwartet hat das Konklave einen neuen Papst gewählt. Die Katholische Kirche ist tief gespalten, die Erwartungen an Leo XIV. sind dementsprechend groß.
Von Daniel Wildraut
„Pontifex Maximus“, oberster Brückenbauer, so lautet traditionell einer der Titel des Papstamtes. Genau diese Fertigkeit muss Robert Francis Prevost als Leo XIV. jetzt unter Beweis stellen. Die Katholische Kirche ist tief gespalten zwischen Progressiven und Konservativen. Die Bewahrung der Einheit einer weltweiten Kirche mit rund 1,4 Milliarden Mitgliedern ist eine – im wahrsten Sinne des Wortes – übermenschliche Aufgabe.
Die Wahl eines US-Amerikaners kam für viele Beobachter überraschend. Doch auf den zweiten Blick wohnt der Entscheidung eine gewisse Logik inne. Leo XIV. gilt als Pragmatiker, als Mann der Mitte und des Ausgleichs. Vielleicht kann er die dringend benötigten Brücken zwischen Traditionalisten und Reformern innerhalb und außerhalb der römischen Kurie und der weltweiten Kirche bauen. Die Mehrheit im Konklave traute ihm das offensichtlich zu. „Wir wollen eine synodale Kirche sein“, sagte Leo XIV. in seiner Antrittsrede (hier im Wortlaut). Anzunehmen ist, dass er in dieser Hinsicht den Reformkurs seines Vorgängers Franziskus fortsetzen wird.
Treue zu Christus
Außerdem betonte Leo XIV. die Bedeutung von Frieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, sprach von der „Treue zu Christus“ und dem missionarischen Wirken der Kirche. „Meine Berufung ist es, wie die jedes Christen, ein Missionar zu sein, das Evangelium zu verkünden, wo immer man ist“, hatte er nach seiner Ernennung zum Leiter der Bischofsbehörde im Januar 2023 in einem Interview gesagt. Befragt nach seiner Vorstellung zum Bischofsamt sagte er damals zudem, man dürfe nicht der Versuchung erliegen, „abgeschottet in einem Palast“ zu leben. Und: „Wir dürfen uns nicht hinter einer Vorstellung von Autorität verstecken, die heute keinen Sinn mehr ergibt.“ Als Kardinal zeigte sich Leo XIV. im selben Interview offen für eine größere Beteiligung von Laien bei der Bischofswahl, ohne jedoch die Ernennung durch Rom infrage stellen zu wollen.
Die Namenswahl „Leo“ könnte darauf hindeuten, dass sich der neue Papst verstärkt sozialen Fragen widmen will. Sein Namensvorgänger Leo XIII. (1878 – 1903) verfasste die erste Sozialenzyklika. Zu erwarten sind unter Leo XIV. strukturelle Reformen, die an das Wirken von Franziskus anknüpfen. Drastische Änderungen der katholischen Lehre im theologischen Bereich sind dagegen unwahrscheinlich. Einer Zulassung von Frauen zum Priesteramt, so wie es katholische Frauenverbände in Deutschland fordern, lehnt der neue Papst, nach allem, was bekannt ist, ab. Auch in Fragen der Sexualethik gilt er als konservativ. Hierbei darf man nicht außer Acht lassen, dass die Katholische Kirche vor allem in konservativer geprägten Regionen wie Afrika oder Lateinamerika wächst – im Gegensatz zur progressiveren Kirche in Deutschland. In Lateinamerika leben mittlerweile über 41 Prozent aller Katholikinnen und Katholiken weltweit, dazu kommen 20 Prozent aus Afrika. Dies, und die Traditionalisten in Kurie und weltweiter Kirche, kann und wird Leo XIV. nicht ignorieren, zumal er selbst viele Jahre lang in Peru tätig war.
Ökumene, Politik, USA
Evangelische Kirchenvertreter in Deutschland hoffen auf weitere Fortschritte beim Thema Ökumene. Von Thomas Schirrmacher, dem ehemaligen Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, ist bekannt, dass er einen guten Kontakt zu Papst Franziskus pflegte. Ekkehart Vetter, 2017 bis 2022 Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, traf Franziskus zu einem Gespräch. Im Jahr des Reformationsjubiläums 2017 empfing Franziskus offiziell eine Delegation evangelischer Kirchenvertreter in Rom, darunter den damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strom. Anzunehmen ist, dass es unter Leo XIV. auf der persönlichen Ebene, sowohl in der Welt- als auch der Ortskirche, weitere Annäherungen geben wird. Grundsätzliche theologische Differenzen, zum Beispiel in puncto Kirchen- und Amtsverständnis, Zölibat, Marienverehrung etc., werden jedoch bestehen bleiben.
Noch ein Wort zur Politik. Als Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholikinnen und Katholiken hat das Wort des Papstes Bedeutung – nicht nur für Kirchenmitglieder, sondern durchaus auch politisch, wie nicht erst durch Johannes Paul II. deutlich wurde. US-Präsident Donald Trump äußerte sich unmittelbar nach der Papstwahl erfreut darüber, dass erstmals ein US-Amerikaner an der Spitze der Katholischen Kirche steht. Ob er dauerhaft Freude am neuen Papst haben wird, ist eher unwahrscheinlich. Leo XIV. hat als Kardinal mehrmals kritische Inhalte über Trumps Migrationspolitik in seinem X-Account geteilt. Im Februar kritisierte er US-Vizepräsident Vance sogar direkt.
Als evangelischer Christ wünsche ich Leo XIV. Weisheit und Gottes Segen.
Daniel Wildraut hat Geschichte, Kirchengeschichte und Politikwissenschaft studiert und ist Redaktionsleiter von Jesus.de.
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Der Heilige Geist wirkt auch katholisch
Daniel Wildraut hat einen guten Artikel geschrieben. Ich würde aber die Wirklichkeit des Heiligen Geistes nicht indirekt marginalisieren in jener Richtung, die (subjektiv) positiven Reformen wären beim neuen Papst eher nicht möglich. Auch mit dem Zölibat, was bekanntlich durch die ganze Kirchengeschicht hindurch eher so schlecht wie recht funktionierte, ist kein Staat zu machen. Einerseits kann man – ein normales Verhältnis zur Sexualität erhalten, wenn dies möglichst in den Jugendjahren (gesund) in sein Leben zu integriert wird (wie es hier auch die Psychologen sehen). Aber hier andererseits von den Priestern zu verlangen es zu sublimieren, würde ich doch als fragwürdig ansehen. Die Partner- und Ehelosigkeit könnte ja durchaus jeweils freiwillig sein, was auch dazu passt, daß Menschen sich für geistliche Kommunitäten mit und ohne Zölibast entscheiden dürfen. Aber mit dem benachbarten Problem ist das Fehlen einer Möglichkeit, die meisten Ämter in der Katholischen Kirche nicht zu erhalten, wenn jemand leider eine Frau ist. Oder von Ev. Pfarrern, die konventieren und katholische Priester werden, wenngleich sie auch verheiratet sind, eidesstattlich sich für eine Josefsehe zu entscheiden. Auch die wirklich synodale Kirche wäre eine noch demokratischere. Daß ein gemeinsames Abendmahl nicht möglich ist, obwohl selbst gute Katholiken dies eher philosophisch begründetes Abendmahlsverständnis nicht verstehen, ist auch eine ganz große Frage. Daß hier Gott in ganz besonderer Weise beim Mahl dabei ist, würde doch voll genügen, es muss nicht begründbar sein. Kein vernünftiger Theologe wird jemals einfordern, die Anwesenden Gottes in der Welt zu beschreiben, schon gar nicht physikalisch, oder philosophisch. Vorallem, weil diese Trennung geradezu ein Skandal ist, wenn doch Jesus selbst alle Menschen zu diesem Mahl einlädt. Man darf also hoffen, aber wenn man älter ist, besteht die große Wahrscheinlichkeit Liberalisierungen im positiven Sinne nicht mehr zu erleben. Daß Papst Franziskus Homosexuelle nicht mehr verurteilt hat,war schon ein Fortschritt. Aber Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung kamen nur anders auf die Welt und sie leiden an eben jener Abweichung von der Norm und damit oft noch kirchlich nicht akzeptiert zu sein, obwohl es sich um eine seelische und/oder biologische-medizinische Abweichung handelt. Was macht das Katholische Kirchenrecht mit einem Mann, der über eine Gebärmutter verfügt? Wird der nicht zum Priester zugelassen, obwohl der durchaus zumeist unsichtbar, auch beweisen könnte (auch!!) ein Mann zu sein?