Wie glaubt ...?

Theologe Faix: Matthäus-Evangelium ist „Scharnier“ zwischen AT und NT

Der Theologe Tobias Faix schätzt das Matthäus-Evangelium und gute geistliche Bücher. Im Alltag erinnert ihn eine App ans Gebet.

1. Was ist Ihr Lieblingsbuch aus der Bibel?

Tobias Faix: Das Matthäusevangelium. Es ist wie ein Scharnier und verbindet auf wunderbare Weise das Alte mit dem Neuen Testament. Es ist kunstvoll komponiert, jedes Wort sitzt am richtigen Platz und unterstreicht so den Inhalt – ganz große hebräische Sprachkunst. Die fünf großen und sieben kleinen Reden Jesu stehen dabei im Mittelpunkt und beschreiben das anbrechende Reich Gottes so mutmachend und herausfordernd zugleich, dass es mich immer wieder neu berührt.

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2. Wenn Jesus bei Ihnen zum Essen vorbeikommen würde, was würden Sie kochen? Worüber würden Sie sich mit ihm unterhalten?

Faix: Etwas Einfaches, vielleicht gemeinsam grillen. Wichtig ist eher ein richtig guter Wein! [lacht] Und worüber sprechen … Puh, da gibt es so viel. Ich würde, glaube ich, im Zentrum anfangen und nach der Bedeutung des Kreuzes fragen. Wie es war, tot zu sein. Wie sich die Auferstehungserfahrung anfühlt? Und natürlich die Frage, ob er mir das Mysterium mit der Trinität mal erklären kann. [lacht]

3. Was ist Ihr Zugang zu Gott?

Faix: Das hat sich im Laufe meiner Biografie immer wieder geändert. Ich entdecke gerade vorformulierte Gebete neu, die ich mir zu eigen mache. So etwas konnte ich mir als jüngerer Mensch gar nicht vorstellen. Außerdem schätze ich Unterbrechungen und lasse mich mehrmals am Tag von der APP „Evermore“ an Gebet und kurze Stille erinnern. Ich merke, dass mir das guttut, gerade weil meine Tage oft sehr voll sind. Ansonsten liebe ich es vor dem Kamin zu sitzen, ein Glas Wein zu trinken und ein gutes geistliches Buch zu lesen.

4. Welches Glaubensthema beschäftigt Sie in letzter Zeit?

Faix: Dekonstruktion. Weil das Wort gerade so inflationär benutzt wird und viele Menschen die Schönheit und den Nutzen dieses Wortes und der Bedeutung nicht richtig kennen. Dekonstruktion ist ja eigentlich ein Kunstwort und besteht aus Destruktion und Konstruktion und wurde vor allem durch Jacques Derrida geprägt. Wenn wir ihm folgen und es auf unseren Glauben beziehen, dann bedeutet es, dass wir uns konstruktiv kritisch mit dem eigenen Glauben und Gottesbild auseinandersetzen. Und das halte ich für wichtig, ja für notwendig, weil unser Glaube und auch unsere Gottesbilder immer auch biografisch geprägt sind und sich somit mit uns verändern.

5. Wofür leben Sie?

Faix: Nah bei Gott und nah bei den Menschen zu sein. Das ist ein wenig mein Lebensmotto. Ich möchte immer wieder die verschiedenen Beziehungsebenen, in denen ich lebe – zu Gott, zu mir, zu meinen Nächsten und zur Natur -, kritisch betrachten und versöhnt leben. Bei allem lebe ich aus der Hoffnung, dass Christus das füllt, was ich nicht schaffe …

Tobias Faix ist Theologe und Autor. Er lehrt als Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule in Kassel.


Dieses Interview ist Teil unserer Serie „Wie glaubt … ? 5 Fragen, 5 Antworten“. Wir haben bekannten Christinnen und Christen Fragen zum Glauben gestellt.

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4 Kommentare

  1. Das Matthäusevangelium als Scharnier zwischen dem AT und dem NT, das ist typischer Theologensprech. Der Bibelleser hat nichts davon. Der wird aber einfach weiterlesen, glauben und in seinem Leben umsetzen, was er da liest.
    Das Scharnier zwischen AT und NT ist im Übrigen Jesus der Messias, im AT angekündigt, im NT gekommen und geglaubt.

  2. Dekonstruktion ? Ach du meine Güte…. da haben Leute wie Faix ja über 20 Jahre gebraucht, um diesen Begriff ,der ursprünglich aus der Literaturwissenschaft kam, aufzugreifen….und jetzt sind sie beglückt davon. Dabei ist das nichts weiter als eine euphemistisch verbrämte Beschreibung eines Zerstörungsaktes, nahe bei Destruktion, denn es ist leicht, etwas zu zerstören, aber mühsam, etwas aufzubauen.
    Aber die Dekonstruktion ist ja inzwischen bei solch gewaltigen Aussagen wie “ Gott ist queer“ angekommen…..Da gibt es nur eines: Herr,hilf!
    Was sagen wohl seine alten Freunde der Bibelschule Adelshofen dazu…aber das ist eh ein ganz besonderer Fall, Originalzitat des Faix gut bekannten Lehrers Wilhelm Faix im Sommer 1986: “ nur wer sich als Kind bekehrt, kann ein vollgültiger Reichsgottesmitarbeiter werden“. Blödsinn damals , heutzutage anderer Blödsinn, siehe oben.

    • Christliche Geschwister sind nicht immer liebenswürdig

      Warum lieber Ulrich Kriehn, immer wieder diese Falschdarstellungen dessen, was der Prediger auf dem Nürnberger Kirchentag, unter dem Beifall aller auch frommen Zuhörer*innen, dort wirklich sagte und damit deutlich erkennbar meinte. Nämlich dass Gott immer an der Seite derer steht, die eine andere Hautfarbe haben oder beispielsweise eine andere sexuelle Orientierung. Dies würde ich eher – wenn auch nicht gewollt – als eine Dekonstruktion bezeichnen. Oder wie sollten sich Quere, die wie jeder andere Mensch nicht alle starke Persönlichkeiten sind, denn überhaupt fühlen, wenn er ausgesprochen und unausgesprochen hinter der Denke anderer Menschen vermutet, man sei irgendwie von Gott verworfen, oder auch weniger geliebt als alle anderen Sünder. Denn wir sind immer Sünder und mangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollten. Wir sind immer aber auch Geliebte des Himmlischen Vaters nur um unserer selbst willen. Deshalb ist Jesus auch für jeden Menschen am Kreuz gestorben.
      Dass dann Jede und Jeder ein anderes Gottesbild hat, steht auf einem anderen Blatt. Das Bild von Gott in uns spiegelt ein Stück weit auch unsere Biografie und möglicherweise auch deutlich unsere guten oder schlechten Erfahrungen mit den lieben Geschwistern im Glauben, die manchmal überhaupt nicht liebenswürdig daher kommen.

  3. Der Glaube kann Berge versetzen

    Der Theologe Tobias Faix hat meines Erachtens einen sehr wichtigen Satz in den Raum gestellt: „….dass wir uns konstruktiv kritisch mit dem eigenen Glauben und Gottesbild auseinandersetzen. Und das halte ich für wichtig, ja für existenziell notwendig, weil unser Glaube und auch unsere Gottesbilder immer auch biografisch geprägt sind und sich somit mit uns verändern“! Wie sagt doch die Bibel – und damit die damalige Erkenntnis der Urgemeinde – so treffend: „Wir sehen Gott wie in einem dunklen Spiegel, später aber von Angesicht zu Angesicht“(sinngemäß zitiert). Es gibt keine Erkenntnis Gottes die sich vergleichen würde mit Alltagserkenntnissen und unserer Wahrnehmung: Der Tisch und Stuhl im Raum lässt sich physikalisch beweisen und mit den Händen greifen sowie den Augen sehen. Gott ist uns allerdings immer nur innerlich gegenwärtig, auch durch Glaubenserfahrung und beispielsweise aufgrund von Gebetserhörungen. Aber gerade sehr gläubigen Menschen, die eigentlich immer ein großes Vertrauen in Gott setzten, werden gerade die Alter von starken Glaubenszweifeln regelrecht überfallen. Nicht nur ihre Lebenserfahrung, sondern auch das Nachdenken über die Wirklichkeit Gottes stößt an Grenzen. Niemand kann Gott erklären. Er ist in Raum und Zeit nicht vorhanden: War vielleicht mein Glauben ein Trugschluss ? Oder wie kann Gott überall gleichzeitig sein ? Wie vermag er in allen Dingen zu stecken, unendlich sein ?

    Ähnlich grundsätzlich sind Brüche im Glaubensleben, aber kein Glauben wächst einfach weiter ohne dass Risse bzw. Zweifel entstehen können. Als junge Menschen waren wir begeistert missionarisch-evangelistisch tätig, durchaus begleitet und ausgestattet mit einer vernünftigen Theologe sowie einem Wissen über bibelkundlich-heilsgeschichtliche Zusammenhänge. Aber als unsere Gemeinschaft sich dann urplötzlich auflöste, weil das Geld ausgegangen war und die Gebete nichts halfen, stellten wir fest: Wir sind ins Bodenlose gefallen, waren wie symbiotisch von der Gruppe abhängig gewesen und nunmehr musste Gott an allem schuld sein, oder wir waren einem Schein aufgesessen. Ein alter Pfarrer sagte einmal in einem ähnlichen Zusammenhang: Glaubenskrücken können helfen, auch falsche Sicherheiten zu geben, aber der wirklich vertrauende Glauben ist die Krücken und falschen Sicherheiten wegzuwerfen. Nun geht es unter Umständen dabei auch einfach und sogar radikal. Etwa so wie bei einer Vertrauensübung, in der jemand mit verbundenen Augen von einer hohen Kiste springt. Als große Vertrauensübung, dass die Untenstehenden ihn auffangen. So geht dies auch mit Gott. Man kann sich ihm in die Arme werfen und damit ausprobieren ob das Vertrauen trägt. Dies nennt man ein „Existentieller Akt“: Glauben zu wagen. Der ungläubige Thomas wollte die Wundmale Jesu ebenso fühlen um zu Glauben, wobei Jesus auch diese Glaubensschwäche – als typisch menschlich – ebenso akzeptierte. Aber ich darf und sollte auch ohne das große Wunder glauben, und auch dass der Glaube Berge versetzen kann. Denke ich an meine Gebetserhörungen, die ja auch biografisches Material sind, dann können diese Erinnerung wirklich helfen.

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