Assistierter Suizid ist nach einer Studie des Zentrums für Gesundheitsethik an der Akademie Loccum immer öfter Thema in der evangelischen Seelsorge. Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat ein Gerichtsurteil.
epd-Gespräch: Urs Christian Mundt
„Die Zahl und die Intensität der Anfragen bei Seelsorge-Personen haben in den vergangenen vier Jahren zugenommen“, sagte die Leiterin des Forschungsprojekts, die Theologin Dorothee Arnold-Krüger, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Indes seien alle befragten Seelsorger bereit, Menschen, die einen assistierten Suizid erwägen oder durchführen möchten, zu begleiten – trotz mitunter erheblicher ethischer Bedenken.
Erste Forschungsergebnisse präsentierte Arnold-Krüger am Donnerstag bei einer Tagung in Hannover. Für die vierjährige Studie wurden seit 2020 mehr als 400 Pastoren und Diakone in der hannoverschen Landeskirche zu ihren Erfahrungen und Einstellungen zum Thema befragt. Die Befragten arbeiten unter anderem in Krankenhäusern, in der Altenseelsorge, in der Chatseelsorge sowie in Kirchgemeinden.
Bundesverfassungsgericht kippt Verbot der Sterbehilfe
Wesentlichen Anteil an der Entwicklung habe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, sagte die Ethik-Expertin. Das höchste Gericht in Deutschland hatte damals das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt und den Gesetzgeber mit einer Neuregelung beauftragt. „Das hat den Diskurs über assistierten Suizid geöffnet und das Thema neu ins Bewusstsein gerückt.“
Seelsorgerinnen und Seelsorger, die schon mit suizidalen Personen zu tun hatten, stünden einer völligen Liberalisierung des assistierten Suizids besonders kritisch gegenüber, sagte Arnold-Krüger. Einige der Befragten lehnten ihn sogar grundsätzlich ab. Als ethisch und seelsorgerlich besonders schwierig werde etwa auch den Umgang mit psychisch oder demenziell Erkrankten gesehen, die durch einen assistierten Suizid sterben möchten.
Zunehmende Brisanz erhalte das Thema nach Meinung der Befragten auch angesichts einer älter werdenden Gesellschaft, sagte die Theologin. Assistierter Suizid dürfe demnach nicht die Antwort sein auf Pflegebedürftigkeit, Einsamkeit im Alter oder das Gefühl, nicht mehr wertvoll zu sein. „Die Umfrageergebnisse sind ein deutlicher Appell an eine solidarische Gesellschaft, die klar sagt: Jeder Mensch ist wichtig für die Gemeinschaft, egal in welcher Lebens- und Krankheitssituation er sich befindet.“
Falls ihr selbst in einer verzweifelten Situation seid, sprecht mit Freunden und Familie darüber. Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Auch die Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Weiterlesen:
Nach christlicher Auffassung gehört jeder einzelne Mensch Gott. Gott entscheidet über Leben und Tod. Nach säkularer Auffassung gehört der einzelne Mensch sich selbst und darf deshalb auch selbst über seinen Tod entscheiden.
Ich denke, bei dieser Frage ist der Kernpunkt: Respekt
Sterbehilfe hat immer einen Ausgangspunkt: Die persönliche Entscheidung eines Menschen, dass er sterben möchte.
Man kann jetzt viel darüber diskutieren, was die Gesellschaft möchte oder die Kirchen oder andere Gruppen. Man kann zu Recht auch andere Meinungen haben als das Bundesverfassungsgericht.
Aber, und das ist der Kern des Urteils des Bundesverfassungsgerichts: Es ist das unmittelbare Recht eines jeden, über sein eigenes Leben zu entscheiden. Das ergibt sich unmittelbar aus der Menschenwürde. Das darf daher auch nicht beschränkt oder praktisch verweigert werden.
Denn bei aller Meinungs- und Religionsfreiheit: Die Grenze ist bei dieser persönlichen Entscheidung eines einzelnen.
Die Verzweckung des Lebens
Liebe Chey, mit dem was du schreibst, gebe ich dir recht. Allerdings ist die Angelegenheit schwieriger, weil wenn wir das menschliche Leben in allen seinen Formen nicht mehr schützen, dann kann das menschliche Leben eher nicht befreit werden, sondern fällt dem Gegenteil zum Opfer. Wenn Leben verzweckt wird, dient es Zwecken und damit Ideologien, vielleicht auch modernen, die wir heute noch nicht kennen. Ich wünsche mir keinen Wunschmenschen, den man beliebig vor der Geburt wieder abschalten kann, der nach Zweckmäßigkeit lange oder kurz leben soll und der dann vielleicht auch manipuliert wird, also sich einer bestimmten Mode des Lebens betreffend anpasst. Wenn er bestimmte Krankheiten im Mutterleib bekommt, wird er vielleicht nie leben dürfen. Da könnte auch ein Stromlinienmensch entstehen, der nirgend mehr aneckt. Man muss da gar nicht erst religiöse Narrative formulieren. Vielleicht gibt es dann Menschen, die man gerne sterben lässt und andere braucht man, die sollen also leben. Schon Jahrzehnte gibt es Ideen, in fernerer Zukunft unsere Gene ins Universum zu senden und niemand sieht da ein Problem, wenn diese Babys zunächst von Robotern aufgezogen werden. Und dann ist es auch interessant, welche Gene man – auch in Form lebender Menschen – auf eine weite Reise schicken will, nicht Lieschen Müller und Normalverbraucher. Es muss dann eine resiliente Sorte sein. Ist das Utopie? Noch?Aber es könnte damit ansatzweise ernst werden, wenn wir Menschen genetisch mischen können wie der Komponist die Notensammlung. Geistig Behinderte wird es dann nicht mehr geben. Aber Abenteuerreisen macht dann auch niemand mehr. Denn solche sind ja zweckfrei. Aber da wo es nur Gesunde geben soll, da gibt es keine großen ethischen Bedenken gegen den gewünschten Tod von Menschen, die vielleicht doch noch krank sind oder einfach nur alt. Ich halte dies für die Büchse der Pandora. Leider beginnt das mit dem Wunschtod und die Gründe dafür können durchaus manigfaltig sein, wenn sie auf (angeblich) Individuellen Gründen beruhen. Da kann man anstelle der Psychotherapie sich auch gegen die dumpfe Depression den sanften Tod wünschen.
Wenn du das Leben eines Menschen aus deinem Glauben heraus gegen seinen eigenen Willen und damit gegen ihn selbst schützen willst, dann ist das übergriffig.
Und gemäß Rechtsprechung illegal.
Ergänzend zum Thema, und zu meinem vorhergehenden Kommentar.
https://www.evangelisch.de/inhalte/229821/17-05-2024/debatte-um-sterbehilfe-experte-fordert-zwei-unabhaengige-fachleute
„Der flächendeckende Ausbau der Palliativmedizin, eine ausreichende Hospiz-Versorgung, eine verbesserte Alltagsassistenz für ältere Menschen im gewohnten Umfeld und eine ausreichende Suizidprophylaxe seien Grundvoraussetzungen für freie Entscheidungen, erklärte der Psychiater.“
Damit hat er Recht. Nur will das keiner bezahlen. Auch nicht die Kritiker der Suizidentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Forderung mit den 2 Fachleuten hingegen widerspricht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Geld ist zwar ein starkes Argument, aber dabei stehen zu bleiben, wäre jämmerlich.
“ Die Forderung mit den 2 Fachleuten hingegen widerspricht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.“
Das ist zu pauschal. So kann man an das Thema nicht herangehen, außerdem wird in dem von mir angegebenen Artikel auch das Gerichtsurteil kritisiert, Es wird von Idealisierung des Selbstbestimmungsrechts geschrieben , und davon, dass mit dem Urteil der Weg in die Normalität geebnet werde.
> So kann man an das Thema nicht herangehen,
Wieso kann man nicht als Ausgangslage die rechtlichen Bestimmungen nehmen?
> außerdem wird in dem von mir angegebenen Artikel auch das Gerichtsurteil kritisiert
Das kann man kritisieren in einer Demokratie. Nur kann es der Gesetzgeber nicht ignorieren. Insofern kommt man bei der Umsetzung nicht daran vorbei Und danach ist meines Erachtens die Forderung nach 2 Fachleuten nicht rechtlich zulässig.
>Es wird von Idealisierung des Selbstbestimmungsrechts geschrieben
Ich würde es nicht Idealisierung nennen, aber ja, das Selbstbestimmungsrecht wird hier über das gesellschaftliche (und damit auch religiöse) Fremdbestimmungsrecht gesetzt.
Sterbehilfevereine behalten ein Geschmäckle
Seelsorgerinnen und Seelsorger, die schon mit suizidalen Personen zu tun hatten, stünden einer völligen Liberalisierung des assistierten Suizids besonders kritisch gegenüber, sagte Arnold-Krüger. Einige der Befragten lehnten ihn sogar grundsätzlich ab. Als ethisch und auch seelsorgerlich besonders schwierig werde etwa auch den Umgang mit psychisch oder demenziell Erkrankten gesehen, die durch einen assistierten Suizid sterben möchten. Ich halte eine Liberalisierung der Sterbehilfe, als das Nichtverbot provisioneller Sterbehilfe, für sehr bedenklich. Das Sterben darf kein Geschäft sein. Früher aus dem Leben zu scheiden mag jemand für sich entscheiden, allerdings ist von Sterbenskranken aber sehr bekannt dass ihre Stimmungen schwanken, sodass sie morgen vielleicht unbedingt leben wollen. Und was ist mit psychisch Kranken und Demenzkranken? Ich denke, dass wir das Leben eines Menschen, das im Mutterleib beginnt, nicht einfach zu reglementieren haben, es also einerseits willkürlich zu verkürzen, aber auch manchmal auch Menschen nicht einen natürlichen Tod gönnen und (nicht das Leben, aber) das Sterben damit unendlich verlängern. Der einzige wirkliche Grund wären für den Suizid sehr große und nicht abzuwendende Schmerzen, die aber die moderne Medizin fast immer abzustellen vermag. Wenn wir das Leben eines Menschen steuern wie eine Maschine, wenn wir im Grunde im Menschen eine biologische Maschine sehen, dann glauben wir nicht mehr wirklich dass Gott der Herr ist über Leben und Tod. Und bedenklich ist die Liberalisierung von Sterbehilfe immer in einer stets älter werdenden Gesellschaft, in dem ein langer Sterbeprozess, also faktisch ein Nichtsterben, eine wenn auch nicht zu offenbarende finanzielle Frage darstellt. Das menschliche Leben als Wert an sich, als Ebenbild der Liebe Gottes, kann nicht zukünftig jeder möglichen Nützlichkeitserwägung geopfert werden. Sollte die Wissenschaft sich (erfolgreich) bemühen – was ich für unwahrscheinlich aber ebenso nicht unmöglich halte – dass Menschen so alt werden wie Methusalem – dann sind dies nur die finanziell Betuchten. Aber dann wird es erst recht eine Angelegenheit, die ein Geschmäckle hat. Christen wissen heute einerseits um die Begrenztheit irdischen Lebens, aber der Unbegrenztheit des Lebens mit Gott. Hier auf unserem kleinen Planeten können wir nicht alle so alt werden mit Methusalem, selbst auch mit der hinreichend guten Gesundheit, weil da der Platz und die Resourcen leider fehlen. Wenn der Damm bricht und das Leben nicht mehr heilig ist, dann kann das Leben mit einer dann zur Verfügung stehenden modernen Wissenschaft in jeder Weise verzweckt werden. Das geht zugunsten der Reichen, die sich alles kaufen und die Armen müssen (mehr oder weniger) zwangsläufig früher sterben. Und ihnen werden dann eine hilfreiche Sterbeindustrie und auch die entsprechende Pychologen hilfreich zur Seite stehen. Die Sache behält also stets ein Gemäckle. Arme sterben schon aus Gründe ihrer Gesundheit früher. Und politisch kann sich dies ein Oberverwalter der Finanzen irgendwann auch unverblümt wünschen. In diesem Thema klaffen die Widersprüche: Einerseits die Möglichkeiten das Leben beliebig abzuschalten einerseits – und andererseits doch die medizinischen Möglichkeiten haben, es sehr zu verlängern. Diese Absurdität begegnet man heute schon in Intensivstationen, wo Menschen sich selbstverständlich wünschen dürfen keine maschinelle Lebensverlängerung zu erhalten – wo diese Menschen dann von Kopf bis Fuß verkabelt sind und umso perfekter gemessen wird, wann der Tod eintritt. Und es wird nie so perfekte Gesetze geben, die alles zwischen Leben und Tod regeln.
> Der einzige wirkliche Grund wären für den Suizid sehr große und nicht abzuwendende Schmerzen, die aber die moderne Medizin fast immer abzustellen vermag.
1.) die Betonung liegt auf ‚fast‘. es ist nicht in jedem Fall möglich, auch nicht in der Palliativmedizin
2.) Und obwohl vieles möglich ist, erhalten viele Menschen hier eben nicht das, was möglich ist. Aus Unkenntnis oder Gleichgültigkeit von Ärzten oder aus fehlenden Plätzen in Hospizen u.a.
3.) Bei seelischen Schmerzen wie Depressionen sind die Möglichkeiten sogar noch deutlich geringer.
Wobei laut Bundesverfassungsgericht es unerheblich für die Akzeptanz der Entscheidung ist, ob so etwas vorliegt. Es kommt hier nur auf die persönliche Entscheidung an, nicht auf die Gründe.
> Das Sterben darf kein Geschäft sein.
Warst Du schon mal aus den Websites dieser Sterbehilfevereine? Ich denke nicht. Sonst würdest Du wissen, dass das nicht gerade ein tolles Geschäft ist. Die Preise sind ja kein Geheimnis.
Ich würde Dir gerne mal recht geben
Liebe Chey: Ich würde ja furchtbar gerne dir mal recht geben. Aber leider wird in deiner Erwiderung nicht auf die (von niemand bestrittene mögliche) Verzweckung des Lebens eingegangen. Und dann ist auch die derzeit völlig unbeantwortbare Frage, wie mit dem Willen eines psychisch Kranken umgegangen wird sterben zu dürfen. Dies ist ja einerseits dann sein Recht, aber andererseits kann der Todeswunsch die seelische Erkrankung ausdrücken. Die Starken dürfen dann leben und die Schwachen erhalten den gnädigen Tod. Dies muss nicht immer oder zwangsläufig so sein, aber wenn das Leben nicht grundsätzlich geschützt bleibt, zieht man aus dem großen Kartenhaus der Ethik eine Karte heraus und bekanntlich brechen dann vielleicht solche Türme bald ein. Das fängt leider bei der völligen Freigabe einer Abtreibung an und es hört auf, wenn jeder aus freiem Willen entscheiden darf wann, wie und weshalb er stirbt. Fast kommt es mir so vor, als würden wir Gottes Willen hier in den Dreck treten. Das Nicht-Töten-Dürfen war ursprünglich in den Geboten nur auf andere Menschen bezogen, aber von der Logik her gilt dies auch bei der Sterbehilfe. Etwa wenn das Leben nicht mehr heilig ist. Denn dies ist der tiefste Sinn dessen, dass Töten verboten ist. Oder wir sagen: Was interessiert uns Ethik, mein Wille ist mein Wille !
Ich respektiere Deine Meinung als Deine religiöse Überzeugung, insbesondere wenn Du schreibst:
> Fast kommt es mir so vor, als würden wir Gottes Willen hier in den Dreck treten.
Insofern hast Du natürlich das Recht, für Dich(!) Sterbehilfe abzulehnen.
Woher aber nimmst Du das Recht, dieses auch für andere zu tun? Die vielleicht nicht mal Deinen Glauben teilen?
> . Und dann ist auch die derzeit völlig unbeantwortbare Frage, wie mit dem Willen eines psychisch Kranken umgegangen wird sterben zu dürfen.
Das hängt davon ab, ob dieser voll entscheidungsfähig ist. Wenn ja, hat er das gleiche Recht wie alle anderen. Wenn nein, sind die Entscheidungswege noch rechtlich zu regeln.
Denn darum geht es hier: Es ist ein Recht, sogar ein Menschenrecht laut Bundesverfassungsgericht.
Keine Pflicht, kein Zwang, sondern ein Recht. Das man entsprechend der eigenen Überzeugung und dem eigenen Gewissen in Anspruch nehmen kann. Auf Deine Überzeugung kommt es hierbei nur für Dich an, nicht für mich oder andere.
> Das Nicht-Töten-Dürfen war ursprünglich in den Geboten nur auf andere Menschen bezogen,
Es gibt kein Nicht-töten-dürfen in den Geboten sondern nur ein Mord-Verbot. Das hatte ich Dir auch schon mehrfach biblisch klar und eindeutig belegt. Da Du es offensichtlich nicht liest, schenke ich mir hier jetzt die Wiederholung.
… eine solidarische Gesellschaft, die klar sagt: Jeder Mensch ist wichtig für die Gemeinschaft, egal in welcher Lebens- und Krankheitssituation er sich befindet.“
Diese solidarische Gesellschaft existiert nur in einigen Köpfen, aber nicht in der Realität.
siehe z.B. die Steigerung der privaten Kosten in Pflegeheimen in den letzten Jahren als ein Beispiel.
Ja, Du hast leider Recht. Und das wird sich meines Erachtens auch eher weiter verschlechtern als verbessern.