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Seelsorger brauchen Hilfe: Rückzugsort soll Pfarrer vor Burn-out retten

Seelsorger sorgen sich um andere, selten um sich selbst. Dabei gibt es immer mehr, die Hilfe wegen Erschöpfung brauchen. Eine neue Einrichtung soll Pfarrer vor dem Burn-out bewahren.

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Der evangelische Pfarrer Andreas Pohl ist es gewohnt, sich für andere zu engagieren. Neben der Gemeindearbeit in Taunusstein bei Wiesbaden übernahm er auch die Aufgabe als Notfallseelsorger. Aber allmählich fiel ihm der Dienst immer schwerer. «Ich habe eine Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit und große Müdigkeit verspürt», erzählt Pohl. «Ich kam schwer in die Gänge, habe für bestimmte E-Mails unendlich lang gebraucht und Traueransprachen erst auf den letzten Drücker geschafft.»

Eine Fortbildung zum Thema Burn-out öffnete ihm die Augen.
 Pohl ist kein Einzelfall. Drei bis fünf Prozent der Pfarrerinnen und Pfarrer seien von einer Erschöpfungsdepression betroffen, schätzt der Professor für Praktische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Neuendettelsau, Andreas von Heyl, der über das Thema geforscht hat. Dabei gebe es eine hohe Dunkelziffer. Die Zahl fünf Prozent hält die Personalleiterin für hessen-nassauische Pfarrer, Ines Flemmig, für realistisch. Immer mehr evangelische Pfarrer in ganz Deutschland kämen «aus der Balance». Kollegen müssten öfter in lange Klinikaufenthalte mit psychotherapeutischer Behandlung eingewiesen werden.

 Gerade Menschen in helfenden Berufen überladen sich gerne und sind besonders von Burn-out gefährdet, erklärt die Pfarrerin und Psychotherapeutin im Personalberatungsinstitut der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Sylta Stautner. Bei Pfarrern komme die Schwierigkeit hinzu, das Berufliche vom Privaten zu trennen. Außerdem hätten sie das Problem, Erfolg schwer messen zu können. Durch Überanstrengung erhofften manche, Anerkennung zu erringen. Schließlich könne das kirchliche Streben nach Harmonie und das Zurückstellen eigener Bedürfnisse zu einer inneren Zermürbung führen.

 Doch auch die Veränderung des gesellschaftlichen Umfelds spielt eine Rolle. Die Wünsche und Erwartungen der Gemeindemitglieder an eine Begleitung bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen würden immer vielfältiger, berichtet der Vorsitzende des hessen-nassauischen Pfarrerinnen- und Pfarrervereins, Martin Zentgraf. Erlernte Verhaltensmuster hülfen immer weniger. Pfarrer müssten ihre Handlungen von Fall zu Fall neu überdenken und aushandeln und erlebten dies als steigende Belastung.

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 Hilfe für kirchliche Mitarbeiter gegen Erschöpfungsdepression bietet das Haus Respiratio auf dem Schwanberg in Unterfranken. Die bisher einzige evangelische Einrichtung ihrer Art im deutschsprachigen Raum bietet acht Plätze für eine sechswöchige Erholung an. Die Plätze sind nach Aussage des Leiters Hans-Friedrich Stängle in der Regel immer belegt, manchmal gebe es eine Warteliste. In Einzelgesprächen, Gruppen- und Körpertherapien werden die Gründe der Erschöpfung aufgearbeitet, erläutert der Pfarrer und Psychotherapeut. Viele Besucher nähmen anschließend ambulante Psychotherapien in Anspruch, die meisten könnten in ihre Arbeit zurückkehren.

 Angesichts des wachsenden Hilfebedarfs lassen die evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau, Hannover und Westfalen nun ein zweites Haus für erschöpfte Seelsorger errichten. Die Einrichtung im Kloster Barsinghausen bei Hannover werde im November eröffnet, sagt der Leiter des Aus- und Fortbildungsreferats im hannoverschen Landeskirchenamt, Michael Wöller. Die acht bis zehn Plätze würden zunächst sechsmal im Jahr für einen jeweils sechswöchigen Aufenthalt genutzt. Die therapeutische Begleitung solle dazu führen, dass die Besucher wieder ihren Alltag meistern können.

 Die Fachleute sind sich einig, dass das neue Haus allein nicht reicht. Personalleiterin Flemmig zählt Angebote der Kirchen auf wie Fortbildungen, Auszeiten, geistliche Begleitung und Supervision. Der Theologe von Heyl erinnert die Pfarrer an die Bedeutung von Bewegung, Hobbys und sozialen Beziehungen und mahnt die Kirchen, Strukturen zu ändern. Solange Personal eingespart und die Arbeit anderen Kollegen aufgehalst werde, würden die Hilfsangebote nicht nachhaltig wirken.

 Respiratio-Leiter Stängle stellt den Kirchen die Frage: «Wie können wir gesund schrumpfen?» So müssten Vakanzen von Pfarrstellen und das Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen neu überdacht werden.
 Pfarrer Pohl haben der achtwöchige Klinikaufenthalt und die folgende Auszeit von drei Monaten, verbunden mit einem allmählichen Wiedereinstieg in den Beruf, gutgetan. Er hat Konsequenzen gezogen. Pohl hat auf den Zusatzdienst der Notfallseelsorge verzichtet und den Alltag geändert: «Ich sage jetzt öfter Nein.» So aktuell bei der Bitte um eine Trauerfeier an einem Samstag, an dem er bereits einen Basteltag mit den Kindern der Gemeinde verabredet hatte. Früher wäre er von einem Termin zum anderen gehetzt. Jetzt schlug er einen Termin in der Folgewoche vor.

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(Quelle: epd)

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