Sonntagsblatt:

Streit um mehr Freiheit: Pietisten auf dem Weg zur Freikirche?

Der traditionsreiche Liebenzeller Gemeinschaftsverband (LGV) will Körperschaft des öffentlichen Rechts werden – die Württembergische Kirche betrachtet das als Trennungsgrund. Die Hintergründe.

Es knirsche heftig zwischen LGV und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, schreibt epd-Redakteur Marcus Mockler im Sonntagsblatt. Grund für den Streit ist ein Antrag des LGV auf Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der LGV-Vorsitzende Siehler verspricht sich dadurch nicht nur in der Mitgliedschaftsfrage Vorteile. Es eröffne dem LGV zum Beispiel mehr Freiheiten beim Thema Gottesdienst. Bislang muss die jeweilige evangelische Ortsgemeinde zustimmen, will der Verband am Sonntagmorgen Gottesdienste feiern – was in der Vergangenheit in nicht wenigen Fällen gescheitert sei. Der LGV sehe sich auch in Zukunft „in enger Verbindung mit der Landeskirche“, gewinne aber als Körperschaft mehr „Beinfreiheit“, sagt Siehler.

Antrag ist für Landeskirche Trennungsgrund

Die Landeskirche betrachtet den LGV-Antrag dagegen als Trennungsgrund. Durch den Antrag wandle sich der Gemeinschaftsverband „vom religiösen Verein innerhalb der Landeskirche zu einer Religionsgemeinschaft neben der Landeskirche“, heißt es. Die Württembergische Kirche fordert deshalb eine Rücknahme des Beschlusses. Bis dahin hat der württembergische Oberkirchenrat alle Vereinbarungen zwischen Kirche und Verband aufgehoben.

Dies bedeutet unter anderem auch, dass wer beim LGV getauft wird, nicht mehr automatisch Mitglied der württembergischen Landeskirche wird. Das sei durchaus beabsichtigt, bestätigte der LGV-Vorsitzende Martin Siehler dem Sonntagsblatt, „da manche Menschen gerade nicht Mitglied in der Landeskirche werden wollten.“ Für Dan Peter, Sprecher der württembergischen Landeskirche, wird der LGV damit zur Freikirche und könne nicht länger Teil der Landeskirche sein. Deshalb müsse neu verhandelt werden, ob Konfirmationen und kirchliche Trauungen des LGV von der Landeskirche anerkannt werden.

Den Liebenzeller Gemeinschaftsverband (LGV) gibt es in den Gebieten der Landeskirchen von Württemberg, Baden, Bayern und Hessen-Nassau. Rund 270 Gemeinschaften sind nach eigenen Angaben Teil des Verbands. Er beschäftigt rund 130 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erreicht mit seinen Verbandsveranstaltungen und vor Ort über 19.000 Erwachsene, Jugendliche und Kinder.

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1 Kommentar

  1. Seid nicht päpstlicher als der Papst

    Es ist ja kaum zu glauben. Die Frage ist dabei, ob der LGV sich (die ihm nicht zustehenden, eher formalen) Eigenrechte wie beispielsweise Taufe oder Konfirmation als Vorwand nimmt, weil ihm theologisch an manchen Ecken und Kanten die Ev. Kirche von Württemberg nicht passt. Oder geht es nur um sogenannte wirkliche Beinfreiheit? Vermutlich liegt der Pietistische Verband dann doch aus inhaltlichen Gründen quer. Aber mir erscheint widersinnig, dass evangelische Christinnen und Christen einerseits eine im Prinzip eigenständige Freikirchen schaffen, während man andererseits aus gutem Grund bemüht ist – oder bemüht sein sollte – die Ökumene zu festigen. Wir sollten uns als Jesusnachfolger endlich einmal angewöhnen, dass es auch in Fragen des Glaubens unterschiedliche Auffassungen gibt und jede Form von Dialog besser ist als sich zu trennen. Es gibt so viele Kirchen und Konfessionen, weil so unterschiedliche und oft auch im Widerspruch zueinander stehende Auffassungen existieren. Da braucht es auch dringende Toleranz. Wir haben unsere Erkenntnis nur in sehr irdenen Gefäßen und auf Erden gibt es keine völlige Wahrheit, über die wir verfügen könnten. Es ist umgekehrt: Gott ist die Verkörperung aller Wahrheit. Manchmal hilft auch das gemeinsame Gebet, das mit Hilfe des Heiligen Geistes dieser Dissens relativiert wird. Unterschiedlichkeiten inhaltlich und formal sind positiv eher Vielfalt. Bei uns Evangelen und noch nicht einmal bei den Geschwistern der Katholiken gibt es kein Gremium, dass auf Punkt und Komma festlegt was ein Christ zu glauben hat. In Sekten gibt es dazu noch die Angewohnheit, die Anzahl der erlaubten Fragen zu katalogisieren. Ausserhalb dieses Denkrahmens darf niemand christlich selbstständige Gedanken fassen. Selbst bei den Katholiken ist das menschliche Gewissen (in Glaubensfragen) auf Erden sogar höher angesiedelt als der Wort des Papstes. Also: Seid nicht päpstlicher als die Papst. Reformatorische Urlehre ist: Die Bibel wird an Person und Werk von Jesus Christus ausgelegt. Diese Erkenntnis könnte helfen, die Problematik mit den Gotteswissenschaftlern zu diskutieren und genau festzustellen, wo Sand im Getriebe ist. Aber auch Theologen sind nur Menschen.

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