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Thüringen: Christine Lieberknecht – eine Theologin übernimmt das Althaus-Erbe

Die Irritation war gelungen. Als Thüringens designierte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht jüngst öffentlich bekannte, ihre Jahre als Pastorin in der DDR seien für sie trotz Mauer und Stacheldraht «die freiesten überhaupt» gewesen, zeigte sich nicht nur ihre unmittelbare Umgebung im Erfurter Sozialministerium überrascht. Doch die CDU-Politikerin blieb gelassen: Der öffentliche Disput brauche gelegentlich Zuspitzungen, sagt sie.

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 Am Sonntag wollen die Thüringer Landesverbände von CDU und SPD auf getrennten Parteitagen über die angestrebte Koalition und damit über die Frage entscheiden, ob im Freistaat einmal mehr deutsche Parlamentsgeschichte geschrieben wird. Denn mit der 51-jährigen Politikerin soll erstmals eine ordinierte Theologin Ministerpräsidentin werden. Sie ist damit zugleich die erste Unionspolitikerin, die als Regierungschefin die Geschicke eines Bundeslandes leiten soll. Die Wahl im Erfurter Landtag ist am 30. Oktober vorgesehen.

 Dass dies unmittelbar vor dem Reformationstag geschieht und noch dazu in einem der «Kernlande» der Reformation kommt dem Naturell der selbstbewussten Politikerin durchaus entgegen. Denn ihr persönliches Credo ist in ganz entscheidendem Maß vom protestantischen Selbstverständnis bestimmt: «In erster Linie bin ich Christin», bekräftigt sie und verweist dazu besonders auf Martin Luthers Schrift «Von der Freiheit eines Christenmenschen».

 Mit dieser Grundhaltung ging die evangelische Theologin, die sich gern als «Thüringerin durch und durch» bezeichnet, schon 1981 in der DDR in die Ost-CDU – aus freien Stücken, aber nicht ohne den Widerspruch von Freunden und Bekannten, wie sie einräumt. Doch als Pastorin auf dem Land bei Weimar wollte sie damals aktuelle Themen auch außerhalb der Kirchenmauern ansprechen. Predigten vor leeren Dorfkirchen seien «manchmal mehr ein Monolog mit mir selbst» gewesen, erinnert sie sich an frühere Gottesdienste.

 Als sie jedoch mit der Blockpartei im Dorf eine «Friedenswoche» organisierte, habe es Ärger mit der Staatsmacht gegeben. Gleichwohl habe sie sich bei aller Bedrängnis in der DDR ihre innere Freiheit bewahrt, sagt sie mit Nachdruck. Das gelte für die Arbeit in der Kirchgemeinde ebenso wie für die Familie mit den beiden Kindern und ihrem Mann, der ebenfalls Pfarrer ist. Dabei erlebte die Pastorin die Gemeinden immer auch als Spiegel der zunehmenden gesellschaftlichen Krise in der DDR.

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 So hat es auch nicht überrascht, dass sie im September 1989 zu den vier Mitgliedern der DDR-CDU gehörte, die mit ihrem «Brief aus Weimar» die eigene Partei wie die Gesellschaft insgesamt zu demokratischen Reformen aufforderten. Der Text, mit dem die erste ostdeutsche Blockpartei ihre Umklammerung durch die allmächtige Sozialistische Einheitspartei aufzubrechen versuchte, sollte zu einem wichtigen Impuls für die friedliche Revolution in der DDR werden. 20 Jahre danach kann Lieberknecht auf eine beachtliche politische Bilanz beim Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens im kleinsten der ostdeutschen Bundesländer verweisen.

 Darauf verweist auch die Auflistung ihrer bisherigen Ämter als Kultus- und Europaministerin, Landtagspräsidentin, Fraktionsvorsitzende und seit Mai 2008 als Sozialministerin. Als Kultusministerin versagte sie im Januar 1992 dem damaligen CDU-Ministerpräsidenten Josef Duchac wegen anhaltender Stasi-Vorwürfe die Gefolgschaft. Damit bescherte sie den Thüringern als langjährigen Unions-Landesvater den rheinland-pfälzischen Bernhard Vogel. Dessen Nachfolger, Dieter Althaus aus dem katholischen Eichsfeld in Nordthüringen, beerbte sie nach der verlorenen Landtagswahl vom 30. August, indem sie die «Ära Althaus» kurzerhand für beendet erklärte.

 In jeder neuen Herausforderung habe sie sich trotz aller Mehrbelastung stets «in die Pflicht genommen» gefühlt, sagt Lieberknecht. Gleichzeitig sei ihr aber auch das elterliche Pfarrhaus wie der Pastorenberuf wichtig geblieben. Für sie wichtig seien aber auch die Ordination, die sie weiterhin zu kirchlichen Amtshandlungen wie Taufen und Predigten oder zur Austeilung des Abendmahls berechtigt, sowie die Mitarbeit in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und in verschiedenen ihrer Gremien.

 Ihre Ordinationsurkunde erhielt die Theologin bereits vor 25 Jahren. Das Jubiläum, das auf zwei Tage vor der Wahl ins neue Amt fällt, ist ihr denn auch eine kleine Feier wert: «Kirche wird mir immer Heimat bleiben.» So lange sie aber in politischer Verantwortung steht, besteht die Theologin auf der strikten Trennung beider Bereiche: «Wer in der Politik ist, gehört nicht auf die Kanzel.» 

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(Quelle: epd)

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