Ein 12-jähriger Junge steuert einen Trecker. Entspannt, voller Selbstbewusstsein. Tom Laengner fragt sich: Wie kommt das? Wie gewinnt man Zutrauen in sich selbst? Und spielt Gott eine Rolle dabei?
Auf der anderen Straßenseite ist das Meer. Jeden Tag ist es verlässlich anwesend. Jeden einzelnen Tag. Wohl weil es Freud und Wonne bereitet, lüftet der Kanal, hier an der Opalküste, nach Plan seinen Vorhang. Wenn seine Fluten sich auf sicheren Beobachtungsposten zurückgezogen haben, ist die Zeit für Muschel- und Algensammler gekommen. Mit gesalzener Butter kann man aus diesem Seegras ein unglaublich leckeres Karamell herstellen. Wenn man kann, was ich nicht kann. Offensichtlich sind diese Meeresattraktionen auch immer wieder an denselben Stellen zu finden. Das Meer ist nicht kleinlich und die Menschen erfreut. Wie ein alter Bergmann aus Bottrop lehne ich im Fenster, schaue ihnen zu, staune und komme auf Ideen.
Man könnte auch einfach mal hineingehen. Im Unterschied zu Karamell aus Algen kann das jeder, der sich alleine bis auf die Badeklamotten ausziehen kann. Wären da nicht der Wind und die Wassertemperatur von 13 Grad.
Während ich noch denke, dass ich beim Ausziehen die Socken nicht vergessen darf, fällt mir der alte McCormick auf. Dort, wo die Steinplatten sich mit einem Streifen Sandstrand abwechseln, hat er seinen Platz. Beim alten McCormick handelt es sich keinesfalls um einen schottischen Dudelsack Musikanten, sondern um einen Traktor älteren Datums. Dieses Exemplar erinnert mich an einen Gesamtschullehrer vor der Pensionierung. Offensichtlich ist er noch unermüdlich im Einsatz, wenn auch Beulen und das matte Schwarz der Reifen von harter Arbeit Zeugnis ablegen. Irgendwann röhrte der Diesel; wummernd ruckelt der Rückwärtsgang rein und ein Flobart wurde auf den Strand gewuchtet. Mit diesen etwa 4 Meter langen Holzbooten sammeln Fischer Hummer und Makrelen ein. Stetig und unaufgeregt wird der Flobart auf dem Trailer befestigt und dann geht es los.
Für den Transport braucht es ungeteilte Aufmerksamkeit, Kenntnis des Untergrundes und Fingerspitzengefühl, das Boot über den feinen Sand und den felsigen Untergrund zu manövrieren. Der offenbar kundige Fahrer sitzt für mich noch unsichtbar hinter dem Lenkrad. Aber gelernt ist wohl gelernt, denke ich mir. Kurz bevor der Trecker die betonierte Rampe erreicht, die ihn an den Befestigungsanlagen von Fort Mahon vorbeiführt, kann ich den Fahrer erkennen. Ich bin verblüfft und schaue ein zweites Mal hin. Doch auch auf den zweiten Blick wirkt er nicht älter als vielleicht 12 Jahre. Der Junge lässt die Räder schneller drehen und der McCormick zeigt nochmal, was sich mit 36 PS so anstellen lässt.

Ich bin nachdenklich geworden. Offenbar traut der Junge sich was zu. Und das tun die Berufsfischer auch, die entspannt auf dem Trecker und im Boot stehen. Hat der Junge mal gesagt: ‘Papa, lass mich auch mal. Und wenn ich es nicht kann, lerne ich es. ‘ Oder war es andersherum: ‚Junge, warum solltest du das nicht können! ‘ Ich weiß es nicht. Aber mit Zutrauen scheint die Situation etwas zu tun zu haben. Traue ich mir etwas zu? Und wenn ja, was? Mache ich anderen Menschen Mut, dass sie es hinkriegen können? Und wie mache ich das? Da gibt es so viele gute Möglichkeiten, wie es Menschen gibt. Eines sollte ich vielleicht immer beherzigen: „Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren.“ Nein, das steht nicht in der Bibel! Das Zitat stammt von Theodor Wiesengrund Adorno. Ich finde, es gehört sich, den Namen des Soziologen und Philosophen in voller Länge zu schreiben.
Und wenn es um mich geht? Da steht dann wirklich etwas in der Bibel: „Wer Gott vertraut, dem sind alle Dinge möglich“. Das hat Jesus persönlich gesagt. Meint er wirklich alles? Wohl nicht in dem Sinne, dass er mir einen Zauberkasten zur Verfügung stellt. Meine Erfahrung zeigt mir aber, dass jenseits meines Horizontes noch Anderes, Überraschendes und Helfendes möglich ist.
In der Bibel geht es aber nicht nur darum, dass ein Mensch auf sich alleine gestellt sich etwas zutraut. Es geht eher darum, dass er sich etwa zutraut, weil Gott ihm etwas zutraut. Weil Gott ihn für fähig hält.
Das kann eine ganze Menge bedeuten. Aber was heißt es für mich in meiner Lebenssituation? Nun ja; war da nicht das Meer auf der anderen Straßenseite? Zu Hause habe ich das nicht. Andererseits waren da die 13 Grad Wassertemperatur. Egal! Ich habe mir zugetraut, dort schwimmen zu gehen. Das habe ich dann auch gemacht. Und die Sonne schien und der Wind blies meine Hosenbeine stramm waagerecht zum Strand. Was könnte da schöner sein! Und ich spürte Gott, wie er mir zuzwinkerte: ‚Junge, das hast du gut gemacht!‘
Von der Kirche durfte ich lernen, dass Zeit in ihrer Konsequenz einen Mehrwert bildet, der als Regenerationszeitraum von Mensch zu Mensch unterschiedlich sichtbar wird. Das Profil des Menschen bleibt davon zwar unberührt, doch in seiner Schrift versucht es den Gehalt des Lebens, so zu fassen, dass davon nichts verloren geht. Vielleicht ist das der Mehrwert einer Zeit, an der ich teilhaben durfte, indem sie mir als Erkenntnisgewinn bleibt, den ich als Mutter hoffentlich noch so weitergeben kann, dass er auch als solcher verstanden wird.
Durch Gott kann jeder Zutrauen zu sich selbst finden
Tom Laengner stellte in jesus.de die Fragen:“Wie gewinnt man Zutrauen in sich selbst? Und spielt Gott eine Rolle dabei“! Ich glaube zuversichtlich, dass uns das Zutrauen in uns selbst von der Natur – und damit auch von Gott – schon immer in die Wiege gelegt wurde.
Seit einigen 100.000 Jahren gibt es den sogenannten Neuzeitlichen Menschen, also lange bevor Religionen in der heutigen Form bestanden. Aber dieser Menschentyp ist – was man heute mit ziemlicher Sicherheit vermuten kann – überaus kooperativ gewesen, also viel kontaktfreudiger wie der Neandertaler. Der starb dann aus, obwohl er ein größeres Gehirn hatte. Der Neuzeitliche Mensch muss, orientierend an den heutigen bekannten Knochenfunden, meist sehr friedlich gewesen sein und es scheint so gut wie keine Morde gegeben zu haben. Jeder lernte im Laufe seines Lebens mindestens 1000 andere Menschen kennen. Vielleicht gibt es so etwas wie kollektive Paradieserinnerungen aus dieser Zeit, denn niemand musste den ganzen Tag arbeiten, weil die Natur reichlich von ihrem Überfluss abgab. Dies muss sich gravierend vor mehr als 20.000 Jahren mit einer langsamen Sesshaftwerdung geändert haben: Es entstanden die ersten Anführer, später die Oberhäupter, dann Alleinherrscher und – fast wie eine viel spätere Paralelle: Auch die Israeliten als von Wasserloch zu Wasserloch ziehende Beduinen wurden sesshaft, Menschen herrschten über andere Menschen, verlangten von Gott den ersten Köng und dann gab es Eroberungen, Kriege, mehr Mord und Totschlag und wie alle sesshaften Menschen teilten sie nicht mehr wie früher ihre Güter wie in der Wüstenzeit. (Das schrieb auch der Katholische Diplomtheologe Christian Nürnberger in seinem Bestseller „Das Christentum“. Es habe – so Nürnberger – dann keine kastenlose Gesellschaft mehr gegeben.
Eugen Drewermann sah – nicht ganz abwegig – den Glauben an ein Leben nach dem Tode dadurch entstehen, dass die Menschen schon immer träumten, lieben Verstorbenen wieder zu begegnen. Heute können wir Gott (wie sicherlich in einfacherer Form auch bei unseren Vorfahren) einfach in unserer Seele begegnen, in der Natur, sowie dem unendlichen Universum: Als jemand einer wirklich alles umfassende Wirklichkeit, die unendlich viel größer ist als wir selbst. Wir glauben, dass wir aus Gottes Geist gemacht sind – also Geist von Gottes Geist – und von ihm geliebt. In der wunderbaren Schöpfung offenbart sich die Liebe Gottes zu allen Kreaturen und uns als ein väterliches und mütterliches Gegenüber. In und durch Israel hat Gott in die Geschichte dieser winzigen Welt, in einem riesigen Universum, eingegriffen und Israel erwählt. In Jesus aber wurde Gott selbst Mensch, um uns sein liebendes Angesicht zu zeigen. Ich glaube, dass der liebende Gott jedem von uns sehr nahe ist, dass er alle Menschen liebt und Jesus gekommen ist als Friedefürst, wirklich alle Menschen, Kreaturen und die ganze Schöpfung zu erneuern. Niemand auf Erden kann tiefer fallen als in die Hände Gottes. Meine Ganzheitlichkeit erreiche ich nur mit Gott. Dieses Zutrauen vemag jede und jeder am besten zu sich selbst erlangen, wenn er die Liebe Gottes in seinem Leben akzeptiert und sich von ihr weitertragen lässt. Der Glaube von uns Juden und Christen, (wo auch die Moslems mit im Boot sind), geschieht nicht zu einer anonymen Macht, sondern unser Gott der höher ist als unsere Vernunft und jener dessen Gedanken uns nicht offenliegen, liebt uns unendlich. Diese Verinnerlichkeit einer Erkenntnis ist das beste Mittel, nicht nur Gott und den Nächsten, sondern auch sich selbst gerne ieben zu dürfen.
Geliebt zu werden und zu müssen ist im übrigen auch ein Menschenrecht. Wer Menschen behandelt wie Fußabtreter, der hat nichs davon verstanden, was Jesus vorlebte. Die Menschen der Vorzeit haben – nicht immer oder in jeder Situation – aber doch intuitiv in der sich umgebenden Natur Gott gesehen, der in ihrer Vorstellung noch keine Gestalt hatte oder ein Gegenüber war. Und daher hatte der Mensch immer schon ein Gewissen und wusste, dass man (eigentlich) nicht töten darf.