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Wenn Kinder Kirche machen

In Cochem nehmen Kinder nicht nur an Gemeindeveranstaltungen teil. Sie gestalten Kirche selbst mit – in einem Kinderparlament.

Von Rebecca Schmaranzer

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„Wir wollen dazu beitragen, dass durch ‚kidscom‘ jedes Kind ein buntes Zuhause bei Gott findet, in dem es gesehen und geliebt wird, mitgestalten und wachsen darf und bei dem die Mitarbeitenden ein Gegenüber sind.“ Mit diesen Worten wurde vor vier Jahren der Kinderbereich „kidscom“ in unserer evangelischen Kirchengemeinde in Cochem neu strukturiert.

Das entscheidende Wort in diesem Leitbild ist „mitgestalten“. Es gibt in Gemeinden häufig Angebote für Kinder – aber Kinder in die Mitarbeit aufzunehmen, Formen zu entwickeln, in denen Kinder ihre Kreativität, ihre Leidenschaft, ihr Engagement einbringen dürfen, das ist ein völlig neuer Gedanke, den wir bei „kidscom“ nun erproben (als Erprobungsraum der rheinischen Landeskirche).

Von den Großen lernen

Pate für diese Idee war unser Jugendbereich „youcom“. Jugendliche dürfen ihr „Zuhause der Jugend“, wie wir es nennen, selbst gestalten. Etwas Vergleichbares wollten wir auch für den Kinderbereich. Aber wie könnte das konkret aussehen?

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In unserem ersten Jahr mit „kidscom“ wiesen zahlreiche Erlebnisse und Erfahrungen darauf hin, dass Kinder nicht nur den Drang hatten, an Veranstaltungen teilzunehmen, sondern immer wieder auch eigene Ideen einbrachten. Mit großer Begeisterung gestalteten sie diese mit: Sie spielten Theater und dachten sich Theaterstücke aus, moderierten Spiele an, hatten Ideen für das Bühnenprogramm, sprachen Gebete.

Kinder leiten

Sie freuten sich offensichtlich, dass wir, die Erwachsenen, ihnen, den Kindern, etwas zutrauten. Wir wiederum merkten, dass Veranstaltungen anders – kreativer, bunter, innovativer – wurden, wenn wir Kinder in der Planung beteiligten. Das Entscheidende bei „youcom“ war damals nicht nur der Aspekt der Mitgestaltung, sondern auch die Leitung durch Jugendliche. Aber können Kinder auch schon leiten?

Die presbyteriale Struktur (ein Gremium entscheidet; Anm. d. Red.), die „youcom“ sich gegeben hatte, konnten wir mit Kindern nicht denken, wir sahen eher so eine Art Thinktank oder ein Ideen-Lab, in dem Kinder entweder rückwärtsgewandt mit Feedback die Arbeit reflektieren oder vorwärtsgewandt durch Ideen die Arbeit konzeptionell gestalten konnten.

Kinder lernen mitzugestalten

So kam uns die Idee eines Kinderparlamentes, ein Treffen für Kinder, das viermal im Jahr stattfindet und sich Themen aus dem Kinderbereich vornimmt. Im Jahr 2019 fand das erste Kinderparlament statt. Wichtig dabei ist, dass Kinder durch ihre Mitarbeit im Kinderparlament erleben, dass sie Einfluss haben, sie erleben sich als selbstwirksam und lernen, dass es sich lohnt, mitzugestalten.

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Bedeutungsvoll ist daher nicht nur das Kinderparlament an sich, sondern auch der von ihm ausgehende Einfluss auf die weitere Arbeit, der Kindern transparent gemacht wird. Dabei merkten wir, dass es gar nicht so einfach ist, die Ideen der Kinder immer so konsequent weiterzuverfolgen (Erwachsene setzen die Prioritäten doch oft anders) und den Kindern zu kommunizieren, was aus ihren Ideen entstanden ist.

Kinderparlament konkret

Wie sieht ein Kinderparlament praktisch aus? Da wir für das Kinderparlament eine gewisse Reflexionsfähigkeit voraussetzten, konzentrierten wir uns zunächst auf Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Pro Treffen werden fünf bis sieben Kinder eingeladen. Die Besetzung wechselt, um immer wieder anderen Kindern die Erfahrung des Kinderparlaments zu ermöglichen.

Auf einen kurzen geistlichen Input mit Liedern, einer Warmup-Phase mit Snacks und Spielen folgt der thematische Teil, der mit interaktiven und kreativen Methoden gestaltet ist. Das Kinderparlament endet mit einem Ausblick, was aus den Ideen oder dem Feedback entstehen könnte.

Kleiner ist besser

Während der Pandemie-Zeit wurden wir ausgebremst und mussten neue Wege finden, Kinder zu beteiligen. Wir mussten beispielsweise ein Kinderparlament online durchführen und waren erstaunt, wie intuitiv Kinder mit den digitalen Methoden umgehen können. Wir wechselten in dieser Zeit auch von der bisherigen verstärkten Nachbereitung von Veranstaltungen im Kinderparlament auf das Vordenken. Wir haben gemerkt, dass sich mit flexibleren und kleineren Kinderparlamenten vor Veranstaltungen konkreter mit den Kindern arbeiten lässt.

Mittlerweile sind wir auch beim Alter mutiger geworden: Auch jüngere Kinder besitzen bereits die Reife und die Fähigkeiten, mit etwas Unterstützung am Kinderparlament teilzunehmen. So haben wir zum Beispiel mit achtjährigen Kindern den Konfiunterricht für Drittklässler unter die Lupe genommen. Es ging um Fragen wie: Was findest du gut, was nicht? Welche Ideen hast du für den Konfiunterricht? Und: Wie könnte man ihn besser gestalten?

Kirche von morgen gestalten

Wenn Kinder Raum bekommen, Gemeinde zu gestalten, verändern sich nicht nur Veranstaltungen im Kinderbereich, sondern die gesamte Gemeinde. Nicht allen Gemeindegliedern gefällt das. Wir merkten: Es braucht Zeit, viel Begleitung und Werbung für das Konzept, bis es die Gemeinde durchdringt. Doch da sind auch wir noch lange nicht.

Tatsächlich halten wir es für eine kleine Sensation, dass Kinder Kirche gestalten. Wir schaffen Raum, Methoden und Möglichkeiten, die Kinder bringen Begeisterung, Kreativität und Motivation mit.

Mitarbeitende wachsen heran

Und wir sehen vor allen Dingen die große Chance: Könnte es nicht sein, dass auf diese Weise engagierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heranwachsen, die kreativ, selbstbewusst, kompetent ausgebildet im Theaterspielen, Moderieren, Predigen, Musikmachen, in liturgischen und theologischen Fragen die Kirche von Morgen entwickeln? Dass sie die Kirche erdenken, in der sie später als Erwachsene gerne sein würden? Wäre das nicht großartig?

Mit diesem Gedanken lässt sich so manches ältere kritische Gemeindeglied mit auf die Reise nehmen, die oft Großmütter oder Großväter sind: Wenn die Enkel begeistert in der Kirche mitmachen, dann darf es gerne auch mal anders als sonst üblich zugehen.

Rebecca Schmaranzer ist Kinder- und Jugendreferentin im Kinderbereich kidscom der Ev. Kirchengemeinde Cochem. Sie kocht gerne und freut sich immer, wenn die Wohnung voll mit Menschen ist. coc-ek.de


Ausgabe 3/22

Dieser Artikel ist im Magazin 3E erschienen. 3E ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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