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Schweriner Bischof: „Gott, den haben wir glatt vergessen“

„Sind Sie religiös oder Atheistin?“ – „Weder, noch – ich bin normal.“ Mit diesem Umfrage-Beispiel vom Leipziger Hauptbahnhof begann der evangelische Schweriner Bischof Andreas v. Maltzahn seinen Vortrag „Gott, den haben wir glatt vergessen“ am Donnerstag in Hamburg.

Der Bischof unterstrich, dass Konfessionslosigkeit im Osten Deutschlands sich für viele inzwischen über Generationen hinweg als Normalität vererbt habe. „Aber auch in Hamburg nimmt die Zahl der Menschen mit säkularer Lebenshaltung zu“, so v. Maltzahn.

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Zu verstehen, wie diese verschiedenen Menschen ohne Glauben an Gott ‚ticken‘, ist für den Schweriner Bischof ein wichtiger Ansatz für den Dialog: Was erfüllt ihr Leben? Was trägt sie in Krisen und im Gedanken an den Tod? Wonach sehnen sie sich in der Tiefe ihres Herzens? In seinem Vortrag fächerte er drei Aspekte auf: Zum einen, was Christen unter Menschen mit säkularer Lebenshaltung wahrnehmen können. Zum Zweiten: Was dazu führt, dass Gott Menschen fremd geworden ist, dass sie ihn verloren haben. Und Drittens: Was Christen tun können, damit die Frage nach Gott lebendig bleibt oder wieder lebendig wird.

„Wissenschaftsgläubigkeit“ als Weltanschauung

Wahrnehmungen unter Menschen mit säkularer Lebenshaltung Zugespitzt formulierte Bischof v. Maltzahn im Blick darauf, was für die Ostdeutschen an die Stelle einer religiösen Weltanschauung tritt: „Die neue ‚Religion‘ der Ostdeutschen ist das zum Ideal erhobene Leben fürs Private, für das nahe Umfeld ihrer Existenz.“ Deren Weltanschauung sei eine Art ‚Wissenschaftsgläubigkeit‘, die sich auf Wissenschaftlichkeit beruft, aber über deren Deutungsanspruch weit hinausgeht. „In Kursen ‚Glaube zum Kennenlernen‘ war der Durchbruch meist geschafft“, berichtete der Bischof aus seiner Zeit als Gemeindepastor, „wenn das Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft geklärt war – als nicht sich ausschließend, sondern einander ergänzend.“

Der Schweriner Bischof Andreas v. Maltzahn (Bild: Nordkirche).

Zudem gebe es nach wie vor eine Menge Vorurteile – auf beiden Seiten: Binnenkirchlich würden Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, vielfach als defizitär wahrgenommen. Und Konfessionslose wiederum sehen Christinnen und Christen oft mit einem gewissen Gefühl der Überlegenheit in Sachen der wissenschaftlichen Erkenntnis, formulierte der Bischof. „Die atheistische Bildungspolitik der DDR, die jede Religion unter den Generalverdacht der Unwissenschaftlichkeit stellte, ist hierin erfolgreich gewesen.“

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Menschen mit säkularer Lebenshaltung würden sich laut Bischof „Rituale für ihr Leben leihen“ und nannte als Beispiel die ‚Sunday-Assembly‘ in Hamburg. Dort träfen sich Leute jeden Sonntag zu einer Art Gottesdienst für Menschen ohne Konfession. Zugleich fehle es in der Gesellschaft weithin an religiöser Prägung, was „nicht nur einen Mangel an Wissen, sondern auch an religiöser Vorstellungskraft und Sprachfähigkeit“ bedeutet.

In den Untersuchungen der Nordkirchen-Arbeitsstelle ‚Kirche im Dialog‘ sei deutlich geworden, dass drei Themen inhaltlich besonders bedeutsam sind für das Gespräch mit Menschen, die ohne Gott leben: „Das Leben nach dem Tod, das Verhältnis von Naturwissenschaft und Glauben sowie – im Osten – die Frage nach der Güte Gottes angesichts der Ungerechtigkeiten der Welt“, berichtete Bischof v. Maltzahn und ergänzte: „Knapp die Hälfte aller befragten Konfessionslosen schätzt an unserer Kirche, „dass man (in der Kirche) nicht perfekt sein muss, um angenommen zu werden“. Sein Fazit: „Wir brauchen also keine falsche Scheu zu haben, den christlichen Glauben ins Gespräch zu bringen.“

Gründe für die Gottvergessenheit

Zu den vielfältigen Gründen für die Abwendung von Religionen zählt im Osten, dass das Leben unter zwei Diktaturen mit antikirchlicher Ausrichtung Spuren hinterlassen hat und im Westen die 68er-‚Kulturrevolution‘ den Lebensstil der Menschen dauerhaft beeinflusst und die Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Fragen wachsen lassen. Darüber hinaus hätten „die Kirchen in Deutschland selbst, manches getan bzw. unterlassen, wodurch ihre Glaubwürdigkeit beschädigt wurde“, so Bischof v. Maltzahn und nannte als Beispiele, die Kriegspredigten oder die Übergriffe sexualisierter Gewalt von kirchlichen Amtsträgern: Ebenso liegen manche Gründe dagegen eher in der biographischen Entwicklung der jeweiligen Menschen. „Nach meiner Beobachtung verlieren viele ihr Zutrauen zu Gott in der Phase des Erwachsenwerdens“, sagte Andreas v. Maltzahn. „Die Bilder der Kinderzeit tragen dann nicht mehr so ohne weiteres.“ Es brauche neue Vorstellungen von Gott.

Es ist eine große Herausforderung, so Bischof v. Maltzahn am Schluss seines Vortrages, „die Frage nach Gott wachzuhalten – für Menschen auf der Suche genauso wie für unsere Gesellschaft, die auf das soziale und ethische Potential von Religion nicht verzichten kann“.

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