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Gott ist gegenwärtig

Gerhard Tersteegen war ein deutscher Dichter der ersten Güte. Nebenberuflich stellte er Arzneien her, die er an arme Leute verschenkte. Tersteegen gehörte den Mystikern an – was sich in diesem Lied widerspiegelt.

  1. Gott ist gegenwärtig.
    Lasset uns anbeten
    und in Ehrfurcht vor ihn treten.
    Gott ist in der Mitte.
    Alles in uns schweige
    und sich innigst vor ihm beuge.
    Wer ihn kennt,
    wer ihn nennt,
    schlag die Augen nieder;
    kommt, ergebt euch wieder.
  2. Gott ist gegenwärtig,
    dem die Cherubinen
    Tag und Nacht gebücket dienen.
    Heilig, heilig, heilig!
    singen ihm zur Ehre aller Engel hohe Chöre.
    Herr, vernimm unsre Stimm,
    da auch wir Geringen
    unsre Opfer bringen.
  3. Wir entsagen willig allen Eitelkeiten,
    aller Erdenlust und Freuden;
    da liegt unser Wille, Seele, Leib und Leben
    dir zum Eigentum ergeben.
    Du allein sollst es sein, unser Gott und Herre,
    dir gebührt die Ehre.
  4. Majestätisch Wesen,
    möcht ich recht dich preisen
    und im Geist dir Dienst erweisen.
    Möcht ich wie die Engel immer vor dir stehen
    und dich gegenwärtig sehen.
    Lass mich dir für und für trachten zu gefallen,
    liebster Gott, in allem.
  5. Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben,
    aller Dinge Grund und Leben,
    Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder:
    ich senk mich in dich hinunter.
    Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden,
    dich nur sehn und finden.
  6. Du durchdringest alles;
    lass dein schönstes Lichte,
    Herr, berühren mein Gesichte.
    Wie die zarten Blumen willig sich entfalten
    und der Sonne stille halten,
    lass mich so still und froh deine Strahlen fassen
    und dich wirken lassen.
  7. Mache mich einfältig, innig, abgeschieden,
    sanft und still in deinem Frieden;
    mach mich reines Herzens,
    dass ich deine Klarheit schauen mag in Geist und Wahrheit;
    lass mein Herz überwärts wie ein‘ Adler schweben
    und in dir nur leben.
  8. Herr, komm in mir wohnen,
    lass mein‘ Geist auf Erden dir ein Heiligtum noch werden;
    komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre,
    dass ich dich stets lieb und ehre.
    Wo ich geh, sitz und steh,
    lass mich dich erblicken
    und vor dir mich bücken.

Gerhard Tersteegen


Das Lied „Gott ist gegenwärtig“ aus dem Liederschatz-Projekt von Albert Frey und Lothar Kosse.

Die Deutsche Post ehrte ihn

Gerhard Tersteegen ist als Dichter und Schriftsteller immerhin so bekannt, dass ihn die Deutsche Post anlässlich seines 300. Geburtstags im Jahr 1997 mit einer Sondermarke ehrte. Sein Name klingt holländisch, und das ist kein Wunder, denn er stammt aus Moers am Niederrhein, und da ist die holländische Grenze nicht weit. In der Geschichte evangelischer Frömmigkeit hat sein Name bis heute einen guten Klang. Vor allem als Liederdichter ist Tersteegen bekannt geworden. Das neue Evangelische Gesangbuch enthält immerhin acht Lieder von ihm.

Dichterische Spitzenleistung

In der deutschen Literaturgeschichte ist seine Zeit allerdings eigentlich eine kümmerliche Epoche. Die große Blüte deutscher Dichtung in der Zeit des Barock war vorüber, und Lessing, Schiller, Goethe, Kleist kamen alle erst später. Vor allem im Bereich lyrischer Dichtung war die Zeit recht unfruchtbar. Und ausgerechnet der fromme Mann vom Niederrhein ist da eine bemerkenswerte Ausnahme. Was Tersteegen von den „zarten Blumen“ sagt, die „willig sich entfalten und der Sonne stille halten“ ist auch unter dichterischen Gesichtspunkten eine Spitzenleistung.

Gerhard Tersteegen wird meistens als Mystiker bezeichnet, und das mit Recht. Wer wissen möchte, was sich hinter dem Wort „Mystik“ verbirgt, sollte sich einfach das Lied „Gott ist gegenwärtig“ anschauen. Es spricht von der Grunderfahrung mystischer Frömmigkeit, der unbegreiflichen Nähe Gottes, und es sagt, welche Haltung dieser Erfahrung angemessen ist: Ehrfurcht, Schweigen, Augen, die nicht neugierig und besitzergreifend in die Weite schweifen, sondern sich schließen, um nach innen blicken zu können, Stille, Gelassenheit, Empfangen. Dazu die Bereitschaft, für das große Geschenk der Gegenwart Gottes gerne auf anderes zu verzichten.

Lebenslang ehelos

Der Dichter Tersteegen war ein hochgebildeter Mann, obwohl er nie studiert hat. Der gelernte Kaufmann verlegte sich später auf ein einfaches Handwerk, er webte Seidenbänder – um mehr Zeit zu Gebet und Stille zu haben. Als (Laien-)Prediger hatte Tersteegen bald einen unglaublichen Zulauf und war doch eigentlich kein Evangelist. Als Seelsorger wurde er zum Helfer ungezählter Ratsuchender.

Nebenbei stellte Tersteegen Arzneien her, die er kostenlos an arme Leute abgab. Und schließlich sollte nicht vergessen werden, dass er – selbst lebenslang ehelos – zu den Vätern der heutigen Bruderschaften, Schwesternschaften und Kommunitäten gehört: In zwei „Pilgerhütten“ lebten ehelose Männer nach einer von ihm verfassten Lebensregel.

Text: Reinhard Deichgräber


Hier findest du gute Gedanken zu weiteren altbekannten Chorälen und christlichen Liedern.

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