Jesus-Fragen - Teil 1

„Warum habt ihr solche Angst?“

Wir verlieren vielleicht Geld, Gesundheit, einen lieben Menschen. Aber die Substanz unserer Seele muss dadurch nicht in Gefahr geraten, sagt der Theologe Jörg Ahlbrecht – und illustriert dies durch eine biblische Geschichte.

Am Ende eines anstrengenden Tages fordert Jesus seine Jünger auf, ins Boot zu steigen und auf die andere Seeseite zu fahren (Markus 4, 35-39). Die Jünger tun, was der Meister sagt – und landen infolgedessen mitten in einem Sturm. So kann es gehen – auch im Glauben. Alles richtig gemacht – und dennoch plötzlich im tödlichen Sturm. Die Wellen schlagen ins Boot und die Jünger kämpfen um ihr Leben. Mit großem Frust wecken sie den schlafenden Jesus und schleudern ihm voller Verzweiflung die Frage entgegen: Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen? (V.38) Der aufgeweckte Jesus erfasst die Situation sofort, bedroht den Sturm und die Wellen – und sofort legt sich das Unwetter. In die Stille hinein stellt Jesus nun seinerseits zwei Gegenfragen: Warum habt ihr solche Angst? Und: Habt ihr immer noch keinen Glauben? 

Stürmische Jahre

Die letzten Jahre meines Lebens gehören sicherlich zu den stürmischsten, die ich bisher erlebt habe. Eine massive berufliche Krise – die sich über mehrere Jahre zog. Dann die Pandemie mit all ihren Herausforderungen. Impfen, Kurzarbeit, Planungsunsicherheit. Dazu der Krieg in Europa, Energiekrise, Inflation. Und auch gesundheitliche Herausforderungen – all dieser Mix hat sich zu einem gewaltigen Sturm zusammengebraut. Daher fühle ich mich den Jüngern in dieser Situation besonders nahe – und spüre zugleich den Stachel dieser Fragen, die Jesus stellt.

Warum habt ihr solche Angst? Was werden die Jünger wohl gedacht haben, als sie so triefend, patschnass und völlig ausgepowert da im Boot saßen? „Herr, machst du Witze? Fragst du ernsthaft, warum wir Angst haben?? Welchen Teil von WIR SAUFEN AB! hast du denn nicht verstanden? Wir stehen hier schon knöcheltief im Wasser – und wir können nicht schwimmen. Wie sollte man denn da keine Angst haben?“

Warum habt ihr solche Angst? Was würde ich sagen? Herr, eine weltweite Pandemie bedroht unsere Gesundheit, der Krieg unseren Wohlstand, die atomare Bedrohung unser Leben! Uns fliegt gerade das Klima um die Ohren und beraubt unserer Kinder ihrer Zukunft. Hitze und Starkregen fangen an, auch unser Land zu erreichen. Und du fragst allen Ernstes, warum wir Angst haben?

Warum habt ihr solche Angst? Je länger ich über diese Frage nachdenke, desto mächtiger klingt sie in meinem Inneren nach. Meint Jesus diese Frage ernst? Weiß er wirklich, wovon er hier redet? Denn das würde ja bedeuten, dass Angst nicht die unvermeidliche Konsequenz ist, selbst, wenn das Boot sinkt. Könnte man im sinkenden Boot sitzen und keine Angst haben? Parken wir die Frage mal für einen Moment – und sehen wir uns die zweite Frage an: Habt ihr immer noch keinen Glauben?

„Habt ihr immer noch keinen Glauben?“

Das wird ja immer besser! Was ist das denn bitte schön für eine Frage? Was wäre die Antwort der Jünger wohl gewesen?

„Keinen Glauben? Ernsthaft? Findest du das nicht ein bisschen stark? Wir haben alles verlassen, sind dir gefolgt, wir sind Tag und Nacht mit dir unterwegs. Wir hören auf dich, wir lernen von dir, wir sind dir sogar in dieses Boot gefolgt und dabei hier nun dem Tod nur um Haaresbreite entgangen. Nennst du das keinen Glauben? Vermutlich haben wir nicht genug Glauben, aber gar keinen Glauben?“ Wie kann Jesus sagen: Habt ihr immer noch keinen Glauben? Von was für einem Glauben redet Jesus hier? 

Der Philosophie-Professor Dallas Willard schreibt dazu sinngemäß: Die Jünger haben Glauben an Jesus! Den Glauben, dass Jesus ihnen in ihrer Situation helfen kann. Aber sie haben nicht den Glauben von Jesus. Den Glauben, mit dem Jesus glaubte. Das Vertrauen in den Vater, aus dem Jesus heraus lebte. Das Vertrauen, das nicht nur meint, dass er dem Sturm Einhalt gebieten kann. Sondern das Vertrauen, das ihn mitten im Sturm ein Nickerchen machen lässt. Diesen Glauben haben die Jünger in der Tat nicht. Aber Jesu Frage macht deutlich, dass er davon ausgeht, dass seine Nachfolgerinnen und Nachfolger genau diesen Glauben haben können – ja, vielleicht sogar haben sollten.

Loslassen und Vertrauen

Die beiden Fragen: „Warum habt ihr solche Angst?“, und „Habt ihr denn immer noch keinen Glauben?“, gehören zusammen und sie verweisen auf eine andere Art zu leben. Ein Leben im tiefen Vertrauen, dass Gott uns in seiner Hand hat und dass uns nichts, gar nichts, wirklichen Schaden zufügen kann.

Für Jesus war diese Welt ein absolut sicherer Ort in Gottes großartigem Universum (Dallas Willard). Nicht, weil alles so laufen würde, wie er sich das dachte. Sondern weil er völlig darauf ausgerichtet war, in Gottes Reich zu leben. Weil er sich in der Hand Gottes geborgen wusste. Weil er wusste, dass ihn nichts von der Liebe Gottes trennen kann. Dass ihn selbst sein eigener Tod nicht wirklich Schaden zufügen konnte. Es mag Leiden geben. Wir mögen Verluste erleiden. Wir verlieren vielleicht Geld, einen Job, die Gesundheit, einen lieben Menschen, am Ende sogar unser leibliches Leben – und doch ist die Substanz unserer Seele niemals in Gefahr. Mann, ist das steil. Und herausfordernd.

Für mich haben sich diese beiden Fragen in meinem Kopf festgesetzt. Sie klingen nach, sie stellen meine Ängste infrage. Sie fordern mein Vertrauen immer wieder heraus. Und sie weisen mich wieder und wieder auf den hin, der diese Fragen stellt. Der mich dazu einlädt, meine Angst loszulassen. Und zu vertrauen – selbst, wenn der Sturm tobt und das Boot zu sinken beginnt.

Im Kontext lesen: Markus 4,35-41

Jörg Ahlbrecht arbeitet als Referent für Netzwerk und Kongressentwicklung bei Willow Creek Deutschland.


Dieser Artikel stammt aus der Zeitschrift AUFATMEN.AUFATMEN erscheint im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.

In dieser Woche erscheint jeden Tag ein Artikel zum Thema „Jesus-Fragen“. Die gesamte Serie „Jesus-Fragen“ erschien in AUFATMEN (3/23). Alle Artikel können dort nachgelesen werden.

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2 Kommentare

  1. …..auch das ist ein Prozess!
    Vertraue ich Gott wirklich, dass ER mich frei macht von meiner Angst?
    Wovor habe ich Angst?
    Das kann jeder nur für sich selbst beantworten!
    Aber Eines ist klar, Jesus sitzt mit im Boot!
    Amen
    Im Lebensboot…wo geht die Reise hin?
    Wofür sind die Dinge gut?
    Mit Jesus zu leben, ist teilweise eine Fahrt ins Ungewisse!
    Sich seinen Ängsten zu stellen schwierig!
    Jeder Mensch hat Angst, denke ich…wir verdrängen unsere Ängste und doch kennt Gott sie Alle.
    Und Jesus möchte uns heilen!!!
    Uns die Gewissheit geben, in Ihm geborgen zu sein!
    Amen
    Das Leben ist teilweise nicht einfach…und da braucht man Glauben…
    Vertrauen!!!
    Das betrifft Jeden glaube ich, Kontrolle abgeben….
    den Sturm zu überstehen….
    Gott mit ins Boot zu nehmen und zu wissen ,ER ist da….
    Angst zu haben ist etwas, was der Mensch nicht möchte….und doch ist sie da….sich der Angst zu stellen, noch schwieriger!
    Herr erbarme dich!
    Amen.
    Sei du stark, lieber Jesus in meiner Schwäche und Angst, du kennst mich und hälst mich ganz fest in deiner Hand!
    Hilf uns Allen zu überwinden mit Dir!
    Denn du bist der Herr!
    Amen

    Liebe Grüße
    Meike

  2. Wir können nicht tiefer fallen als in Gottes Hand

    Angst ist ein ganz natürliches und notwendiges Gefühl, grundsätzlich jenseits von Eden – in der sehr „unheilen Welt“ – nicht unter zu gehen. Die Urmenschen hatten berechtigte Angst vor dem Säbelzahntiger. Allerdings sitzt in unserem Gehirn eine Instanz, die quasi für die Angst zuständig ist, eine Art von Bedrohungszentrale. Wenn die dortige Sachbearbeitung nicht funktioniert, dann bekommen wir über fehlverarbeitete oder noch nicht richtig verkraftete Erinnerungen über (auch schlimme) Ereignisse gerne Panikattacken, Albträume, oder langanhaltenes und vielleicht schon ein krankhaftes Vermeidungsverhalten. Es gibt Menschen die gehen nicht mehr aus dem Haus, weil sie keine Straße überqueren können. Andere haben Panik mit dem Fahren eines Zuges zur Tunnel, sogar in Lifte zu steigen, oder bei allen Formen einer Angorphobie auf große Plätze und an menschenreiche Orte sich zu begeben. Dazu gibt es Therapien, die Ängste abbauen. Oft sind die Ängste nicht auf unser Denken und rationales und realistisches Einschätzen von Gefahren zurückzuführen, sondern dass sich die Gefühle und Befürchtungen gewissermaßen verselbständigen. Eine der Therapien kann auch die „Paradoxe Intervention“ sein. Dann geht die Ärztin z. B. mit mir auf eine Brücke, wo mich als Patient die panische Befürchtung quält sie würde bei meinem Überqueren unter ihm einbrechen. Sie erzählt mir von der großen Gefahr, die eben dies beinhaltet. Dabei kann der Patient/Klient langsam erkennen, dass seine Angst nicht auf realistischer Einschätzung beruht. Die Angst vor der Sintflut wechselt heute mit der begründeten Angst vor den Folgen der Klimaerwärmung, einem möglichen Atomkrieg, oder dass der derzeitige Nahostkrieg entgültig das Faß zum Überlaufen bringt und wir mit Mann und Maus zugrunde gehen.

    Dies sind durchaus rationale Befürchtungen. Denn der Sturm, den die Jünger erlebten, war Wirklichkeit. Man hätte dabei ertrinken können, aber Jesus schlief. Aber Gott und damit Jesus hat alles in der Hand. Es wird nichts geschehen was er nicht will und wenn wir anscheinend ins Bodenlose – vielleicht sogar in den Tod fallen sollten – so fallen wir doch immer in Gottes Hand. Jesus ist nämlich auch für alle Menschen gestorben, zu deren Erlösung, sowie zum Loskauf von aller Sünde. Am Ende wird mich Gott mit seiner Liebe umarmen. Daher brauche ich – als Mensch – durchaus auch die Stillung des Sturmes – aber wenn er sein muss wird er mich nicht aus der Hand Gottes reißen: Wir können nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.
    Vertrauen in Gott zu haben ist bereits alttestamentlich. Abraham wurde sein Vertrauen in Gott auch Abrahams Gerechtigkeit zugerechnet. Wie gut.

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