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Was es heißt, einen geliebten Menschen zu verlieren

Viviana Boy leitet ein Trauerzentrum für Kinder und Jugendliche und ihre Angehörigen. Im Interview erzählt sie, wie unterschiedlich Trauer aussehen kann und was im Trauerprozess besonders wichtig ist.

Viviana, wie bist du zu dem Thema Trauerbegleitung gekommen?

Viviana: Ich habe, als ich 32 Jahre alt war, plötzlich meine Mutter verloren. Das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. In meiner Kindheit wurde das Thema Tod totgeschwiegen. Als Erwachsene musste ich mich dann das erste Mal zwangsläufig damit beschäftigen.

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Wie sah das genau aus?

Ich habe zufällig einen Aushang für einen Hospizkurs gesehen, in dem man lernen sollte, Sterbende und deren Angehörige zu begleiten. Ich wollte dort einfach für mich selbst teilnehmen, sozusagen als Therapie. Schlussendlich habe ich dann als Sterbe- und Trauerbegleiterin gearbeitet, habe mehrere Ausbildungen gemacht und kürzlich sogar ein Trauerzentrum für Kinder und Jugendliche aufgebaut.

Was würdest du jemandem sagen, der gerade eine geliebte Person verloren hat?

Dass alles, was man denkt und empfindet, normal ist. Es ist normal, wenn man weiter seinen Alltag leben will, aber auch, wenn man sich erst mal im Bett verkriecht. Trauern kann auch heißen, mal auf eine Party zu gehen. Das ist okay, denn es gibt so viele Trauerwege wie es Menschen gibt.

Gibt es trotzdem Dinge, die für Trauer typisch sind?

Ja, Trauernde durchlaufen meist ähnliche Phasen:

1. Überleben: Direkt nach dem Tod funktioniert man nur oder zieht sich zurück.

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2. Realisieren: Man begreift, was eigentlich passiert ist. Das geschieht meistens um die Zeit der Beerdigung, kann aber auch viel länger dauern.

3. Starke Gefühle: Irgendwann folgt meistens eine Phase von starken Emotionen, die ganz unterschiedlich sein können – Traurigkeit, Wut, Sprachlosigkeit, Erleichterung, Schuldgefühle.

4. Integration: Man lernt allmählich, mit dem Verlust umzugehen und das Geschehene in das Leben zu integrieren.

Was kann im Trauerprozess hilfreich sein?

Mit einer Vertrauensperson zu sprechen, ist auf jeden Fall hilfreich. Gefühle zuzulassen ist auch wichtig, denn jede Träne, die man weint, hilft dem Trauerprozess. Man darf sich Gutes tun und Schönes erleben. Zwischendurch zu lachen, heißt nicht, dass man weniger trauert oder den Verstorbenen nicht vermisst. Auch Trauergruppen können helfen, denn das Beisammensein mit Menschen, die etwas Ähnliches erlebt haben, ist sehr heilsam.

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Wie gehe ich mit jemandem um, der gerade einen Verlust erlebt hat?

Vor allem sollte man Verständnis zeigen und warten, bis die Person sich von sich aus öffnet. Man kann von eigenen Trauererlebnissen erzählen, um das Reden zu erleichtern. Auch einfach da sein, ohne reden zu müssen, ist sehr wertvoll. Jedenfalls sollte man es nicht persönlich nehmen, wenn die Person erst mal Abstand braucht.

Gibt es Dinge, die man im Umgang mit Trauernden vermeiden sollte?

Ja, das Schlimmste ist, so zu tun, als wäre nichts passiert oder zu sagen »Das wird schon wieder.« Wenn man überfordert ist, kann man auch einfach sagen: »Mir fehlen die Worte.« Man sollte niemandem Druck machen, dass er über den Verlust schneller hinwegkommen sollte. Auch die Frage »Was brauchst du?« ist für viele Trauernde überfordernd. Stattdessen könnte man zum Beispiel selbstgekochtes Essen vorbeibringen. Man kann auch erst mal eine Karte schreiben und seine Anteilnahme bekunden.

Wie lange dauert die Trauer nach einem Verlust?

Trauer braucht Zeit. Ich kann beispielsweise erst seit zwei Jahren über den Tod meiner Mutter weinen. Man kann Trauer auch mit Wellen vergleichen, die das Leben lang kommen und gehen und vielleicht allmählich etwas kleiner werden. Aber ganz abgeschlossen ist das Trauern eigentlich nie.

Was, wenn das Gefühl von Trauer einen überwältigt?

Gefühle von Trauer können einen schier zerreißen. Das ist vor allem anfangs normal. Ziel sollte es aber sein, innerlich dahin zu kommen, dass man Erinnerungen an die verstorbene Person wach werden lassen kann, ohne dadurch in ein tiefes Loch zu fallen. Wenn jemand monate- und jahrelang in einer tiefen Trauer stecken bleibt und nicht mehr ins Leben zurückfindet, dann sollte man sich auf jeden Fall Hilfe holen.

Erinnerungen wach werden lassen – wie funktioniert das?

Indem man zum Beispiel Orte aufsucht, die man gerne gemeinsam besucht hat. Es können auch Erinnerungsstücke sein, die einen an diese Person erinnern, wie Fotos oder andere Gegenstände. Manche erzählen gerne lustige Begebenheiten, die man mit dieser Person erlebt hat. Das Erinnern kann auch mit einem Ritual verbunden sein, wie beispielsweise regelmäßig eine Kerze anzuzünden und an diese Person zu denken. Oft gelingt es dadurch, sich der verstorbenen Person nahezufühlen.

Wie hast du Gott in deiner eigenen Trauer erlebt?

Eine Zeit lang war ich sauer auf Gott, weil meine Mama gestorben ist, und habe mich von ihm distanziert. So geht es Trauernden oft, denn viele kämpfen mit der Frage, warum die geliebte Person sterben musste. Aber ich glaube, dass Gott immer auf uns wartet. Irgendwann bin ich wieder zu ihm zurückgekommen. Die Arbeit, die ich jetzt mache, ist für mich wie ein Vermächtnis meiner Mutter an mich. Die Kraft dafür bekomme ich aus meiner Beziehung zu Gott.


Das Interview führte die Teensmag-Autorin Clara Hinteregger.



Dieses Interview ist in der Zeitschrift Teensmag erschienen. Teensmag wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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2 Kommentare

  1. Mich tröstet der Auferstehungsglaube, den ich durch Jesus gewonnen habe, sodass der Tod für mich zu einer Station wurde, an der ich mich für das Leben entscheiden musste. Wichtig ist es, den Tod zu integrieren, sodass er seinen Schrecken verliert und nicht überhand nimmt, indem wir ihm zuviel Macht geben, sodass unsere Zukunft darin verschwindet.

    Das Leben ist ein Sachverhalt, der Gutes hervorbringt, sodass in ihm alles steckt, was wir Menschen brauchen, um wirklich glücklich zu sein oder zu werden. Ich glaube, man sollte die einzelnen Lebensabschnitte nicht überbewerten, sondern ihnen zugestehen, dass sie sich in Erinnerung rufen lassen, wenn sie für das Leben gebraucht werden. Alles was ich dazu brauchte, legte Gott in mich, sodass er es für sich beanspruchen kann, solange es gebraucht wird und zurückgibt, wenn seine Ernte abgeschlossen ist. So kann am Vater von Jesus, das Abbild der Mutter wachsen, deren Fruchtbarkeit und Ernte Gott der Erde selbst überließ. Sie und ihn in ihrer jeweils eigenen Geschichte als Vater und Mutter anzunehmen, das dürfte zur Bereicherung der Menschheit beitragen, die sich darauf einlässt.

  2. Hallo,
    Anfang des Jahres verstarb ein guter Freund.
    Eine große Hilfe über viele Jahre.
    Ein Ersatzpapa für meinen Sohn.
    Und das noch an seinem Geburtstag.
    2 Wochen später meine geliebte Hündin an Krebs.
    Ich dachte die Welt steht still.
    Meine eigene Trauer und Verzweiflung und dann noch die meiner Kinder.
    Das waren 2 Schicksalsschläge innerhalb von 2 Wochen.
    Ich habe meinen Glauben und doch war ich wie „geschockt“ und ersteinmal unglaublich traurig.
    Mein Glaube half mir insofern, dass ich merkte wie der heilige Geist in mir ein Tröster war.
    Für mich betete.
    In mir, still in mir.
    Mein Sohn war überwältigt von Trauer und gleich 4 Wochen krank geschrieben und ersteinmal hier bei mir.
    Meine Tochter war auch krank geschrieben und ich konnte nur Gott machen lassen…
    Wir hatten eine wunderschöne Beerdigung von meiner Hündin.
    Sehr gut begleitet.
    Zu der Beisetzung von meinem langjährigen Freund konnte ich nicht.
    Er fehlt uns sehr.
    Damit ist eine große Unterstützung und Hilfe weg.
    Langsam registriere ich diesen Tod.
    Langsam komme ich damit klar.. mein Sohn noch nicht.
    Es gäbe viel zu sagen, doch denke ich, ist es ein sehr sensibles Thema.
    Mit Trauer geht jeder Anders um.
    Mir hätte eine Trauer Begleitung nicht geholfen.
    Ich hab das mit mir und Gott klar gemacht.
    Ich kann nur sagen, dass mein Glaube sehr tragend war, obwohl ich teilweise von Trauer überwältigt, nicht beten konnte.
    (war wie eine Blockade)
    Mein Sohn redet noch nicht darüber und ich versuche irgendwie damit klar zu kommen.
    Wenn ein Mensch oder ein Tier stirbt, ist es so endgültig…jeder trauert Anders.
    Wichtig ist nur, Wege zu finden, damit zurecht zu kommen und die sind einfach sehr unterschiedlich.
    Liebe Grüße
    Meike

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