Dieses Kinderlied wurde erst spät ins Evangelische Gesangbuch aufgenommen. Schöner und klarer als in „Weiß du, wie viel Sternlein stehen“ kann niemand das Evangelium zusammenfassen.
- Weißt du, wieviel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt?
Gott der Herr hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht eines fehlet
an der ganzen großen Zahl,
an der ganzen großen Zahl. - Weißt du, wie viel Mücklein spielen
in der heißen Sonnenglut,
wie viel Fischlein auch sich kühlen
in der hellen Wasserflut?
Gott der Herr rief sie mit Namen,
dass sie all ins Leben kamen,
dass sie nun so fröhlich sind,
dass sie nun so fröhlich sind. - Weißt du, wie viel Kinder frühe
stehn aus ihrem Bettlein auf,
dass sie ohne Sorg und Mühe
fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen;
kennt auch dich und hat dich lieb,
kennt auch dich und hat dich lieb.
Wilhelm Hey
Schöner kann man das Evangelium nicht zusammenfassen
„Gibt es eine schönere Zusammenfassung des Evangeliums?“, so schrieb mir kürzlich ein alter Freund, ein Tübinger Theologieprofessor, im Blick auf die Schlusszeile des Liedes „Weißt du wie viel Sternlein stehen“. Ich kann dem Freund nur zustimmen, schöner, einfacher und kindlich-klarer kann man die frohe Botschaft nicht zusammenfassen, als es Wilhelm Hey getan hat. „Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen; kennt auch dich und hat dich lieb.“
„Weißt du wie viel Sternlein stehen“ ist ein außerordentlich bekanntes, beliebtes und volkstümliches Lied.
Gott ist die Antwort
Drei Strophen hat es, und jede Strophe beginnt mit einer kindlich klingenden und doch ganz ernsthaften Frage. Die Antwort, die Hey dann selber gibt, lautet in jeder Strophe aufs Neue: Gott! Gott, der Herr!
Der Name des Dichters Wilhelm Hey ist allerdings selbst Fachkundigen meistens unbekannt. Dabei verdanken wir ihm noch einige andere bekannte Lieder, zum Beispiel das Weihnachtslied „Alle Jahre wieder“, und auch das hübsche „Vöglein im hohen Baum“ oder das alte Kindergottesdienstlied „Aus dem Himmel ferne“.
Als Schriftsteller entdeckt
Was war das für ein Mann, dieser bedeutende und trotzdem unbekannte Dichter? Hey lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war Hofprediger in Gotha und danach zwanzig Jahre lang Superintendent in Ichtershausen draußen vor den Toren Gothas.
Als Dichter und Schriftsteller entdeckt wurde er von dem Verleger Friedrich Perthes, der dafür sorgte, dass seine Verse unter dem Titel „Fünfzig Fabeln für Kinder. In Bildern gezeichnet von Otto Speckter“ im Jahre 1833 im Druck erscheinen konnten.
Texte erscheinen ohne Verfasserangabe
Vier Jahre später folgte dann noch ein zweiter Band mit noch einmal fünfzig Tiergedichten und einem Anhang. Aber – es ist schier unglaublich – die Texte erschienen ohne Verfasserangabe!
Dem Kinderlied „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ mit den geistreichen Fragen an jedem Strophenbeginn widerfuhr in neuester Zeit eine späte Ehre: Es wurde in das neue Evangelische Gesangbuch aufgenommen.
In der falschen Rubrik einsortiert
Wer es hier unter den Abendliedern sucht (wo es eigentlich hingehört), wird es dort vergeblich suchen. Es erscheint unter der Rubrik „Natur und Jahreszeiten“. Dabei ist es eigentlich immer ein Einschlaflied gewesen, das die Eltern ihren Kindern beim Gutenachtsagen sangen. Allerdings blickt der Text tatsächlich nicht nur zum Sternenhimmel auf, sondern auch ins tiefe Meer hinab und in die Häuser der Menschen hinein.
Und die zärtlich-liebevolle Melodie? Wer sie geschrieben hat, wissen wir nicht. Es ist eine Volksliedmelodie, die sich schon früh mit dem Text des Gothaer Superintendenten und Kinderfreundes Wilhelm Hey verbunden hat – eine wahrhaft glückliche Ehe!
Text: Reinhard Deichgräber