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Einzigartiges Abendmahl: Kirche schmilzt Silberschätze für Brotschale ein

Das Abendmahlsgeschirr der evangelischen Gemeinde in Großkarolinenfeld ist verschwunden und neues muss her. Aber woher bekommt man faires und nachhaltiges Silber? Die Gemeindemitglieder finden die Lösung des Problems in ihren eigenen Kellern.

Von Pascal Alius

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War es Diebesgut? Eine Familie kauft einen gebrauchten Schrank für wenig Geld und entdeckt darin drei Kilo Silber. Woher kommt das Silber? Was tun? Die Familie bewahrt Stillschweigen über den Fund. Das Silber wird zwischen den drei Geschwistern aufgeteilt. Ein Kilo des Silbers findet seinen Weg in das Abendmahlsgeschirr der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Großkarolinenfeld. So erzählt es Pfarrer Richard Graupner.

Graupner kommt 2016 als Pfarrer nach Großkarolinenfeld. Dort steht die Karolinenkirche: schlicht, weiß, ohne Bilder. Sie ist mit 200 Jahren die älteste evangelische Kirche im bayrischen Oberland. Benannt ist sie nach der bayrischen Königin Karoline, die es den Protestanten ermöglichte, sich in Bayern anzusiedeln. Karoline schenkt aus Freude darüber der Gemeinde ein silbernes Abendmahlsgeschirr. Als Graupner nach Großkarolinenfeld zieht, ist davon nur noch ein einziger Kelch vorhanden.

„Abendmahl ist zu wichtig“

Das Ersatzgeschirr fühlt sich für ihn falsch an. „Das Abendmahl ist zu wichtig“, sagt er. Die kleinen Hostientellerchen seien außerdem zu klein für echtes Brot. Graupner ist gleichzeitig Kunstbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) für München und Oberbayern. Deshalb entscheidet er sich 2018 für einen Kunstwettbewerb unter dem Motto „Versammelt um den Kelch“, um neues Geschirr für seine Gemeinde zu bekommen. „Früher war es eine hohe Kunst, die Abendmahlskelche anzufertigen.“

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Während die Ausschreibung schon läuft, stellt er sich die Frage: „Woher kommt das Silber?“ Es ist den Gemeindemitgliedern wichtig, dass das Silber fairen Ursprungs ist. Das bedeutet: keine Kinderarbeit und keine Umweltzerstörung. Die Angst ist berechtigt.

Bolivien baut jährlich 1.350 Tonnen Silber ab. Am „Cerro Rico“, einem Berg in Bolivien, fangen die Kinder teils mit zehn Jahren an, im Bergwerk zu arbeiten, wie der Deutschlandfunk berichtete. Dort fließen jedes Jahr 400.000 Tonnen hochgiftige Schlacken – Metallverbindungen wie Arsen, Quecksilber und Blei – in den Oberlauf des Pilcomayo-Flusses – und verseuchen Karotten, Weinreben und Feigenbäume der Bauern.

Faitrade-Silber sei schwer zu beschaffen, sagt Graupner. Vieles davon sei recyceltes Silber. „Das können wir auch selbst“, sagt er sich. Er ruft seine Gemeindemitglieder zur Silberspende auf. Schnell verbreitet sich die Nachricht in die umliegenden Gemeinden und bis nach München – auch Katholiken beteiligen sich. Die Menschen bringen alles Mögliche: von kleinen Kettchen über Verdienstmedaillen und Silberlöffel bis zu dem Kilo Silber aus dem gebrauchten Schrank. Fünf Kilo Silber kommt so zusammen.

Klaudia und Walter Vogl aus Graupners Gemeinde beteiligen sich ebenfalls. Sie steuern etwa zwei Kilo altes Silberbesteck bei. „Das lag bei uns nur im Keller herum und wurde nicht mehr benutzt“, erzählt Walter Vogl. „Wir hätten es auf Ebay verhökern können. Aber so konnten wir der Gemeinde helfen und gleichzeitig unseren Keller entrümpeln. Eine Win-Win-Situation.“ Jetzt leben ihre Silberlöffel in den Abendmahlsschalen weiter.

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Das gesammelte Silber geht ans Metallurgische Institut der RWTH Aachen. „Die haben von Panzern bis zu Golfschlägern schon alles eingeschmolzen“, sagt Graupner. In Barren kommt das recycelte Silber zurück nach Großkarolinenfeld. Die Künstlerin und Silberschmiedin Juliane Schölß gewinnt den Kunstwettbewerb und stellt nun drei Brotschalen sowie die Seelen (Stab, der das Ober- und Unterteil eines Kelchs zusammenhält; Anm. d. Red.) für drei Kelche aus dem Silber her. Für die Ober- und Unterteile der Kelche und eine Kanne nutzt sie Silberblech.

Gemeindemitglieder verewigen sich in Abendmahlsschalen

Bei einer gemeinsamen Abendmahlsfeier in der Karolinenkirche lässt Schölß eine Wachsschale im Kreis herumgehen. Jedes Gemeindemitglied verformt das Wachs mit seinen Fingerabdrücken und seiner Wärme. Um die Wachsschale baut Schölß eine Gußform aus Gips. Durch Erhitzen fließt das Wachs aus der Gußform heraus und Schölß kann anschließend das flüssige Silber hineingießen.

Heraus kommen Schalen mit einer ungewöhnlich heterogenen, porösen Oberfläche. Glanz und Matt wechseln sich ab und die Kanten sind uneben. Das erinnert Graupner an den Leib Christi, die Gemeinde. „Auch dort werden verschiedene Menschen zusammengeschmolzen und in Jesus vereint“, sagt er. Das Abendmahl erinnert daran, wie das geschah: durch den Tod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung. Dank dieser Schalen falle es ihm leichter, den Konfirmanden die Bedeutung des Abendmahls und der Gemeinde zu erklären.

Der Kunstwettbewerb, das Einschmelzen und die Herstellung kosten insgesamt 40.000 Euro. Das Geld kommt durch Spendenaktionen und Fördergelder der Kirche und des Landes zusammen. Pfarrer Richard Graupner war es das wert: „Die Schalen sind mehrere Kilos schwer. Man spürt, dass es beim Abendmahl um etwas Wichtiges geht. Man merkt die Energie der Menschen, die darin steckt.“


Der Evangelische Pressedienst (epd) hat die Evangelischen Kirchengemeinde in Großkarolinenfeld besucht und mit Pfarrer Richard Graupner sowie einer Silberspenderin gesprochen:

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1 Kommentar

  1. Es hat mich ein wenig hin und her gerissen

    Es hat mich ein wenig hin und her gerissen. Einerseits finde ich es nicht nur korrekt, sondern geradezu durchaus auch notwendig, beim Silber für Abendmahlsgeschirr ernsthaft zu fragen, ob es mit Kinderarbeit oder ähnlichem zustande kam. Andererseits frage ich mich – auch ganz ernsthaft – ob es nicht gerade beim Abendmahl um ein Liebesmahl geht, eines in ganz enger Gemeinschaft im Jesus Christus. Wenn dies so ist, dann darf auch das Geschirr durchaus aus Silber sein, aber hier wird – vielleicht eben auch viel zu viel – das absolut Äußerliche nur nach innen projeziert. Man ist fast geneigt zu fragen, ob Jesus sich furchtbar wohlfühlen kann im Silbergeschirr, wo er doch bei den Sünden und Zöllnern einkehrte, bei den Vergessenen, den Gequälten und Getöteten in den Konzentrationslagern Beistand leistete sowie den Verfolgten, die zu allen Zeiten absolut brutal behandelt und bestraft wurden. Es ist legitim, das Fest des Lebens vornehm zu feiern, aber Jesus als der Gekreuzigte und Auferstandene kehrt gerne auch bei uns ein, wenn wir ausgebombt nur eine schmutzige Kaffeetasse haben, und mangels anderer Möglichkeiten wie Wein, nur Tee trinken und trockenes Brot eintunken. Damit wird das Abendmahl vielleicht viel heiliger als im heiligsten versilberten Geschirr. Oder ?

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