Eine Familie lebt im Vertrauen darauf, dass Gott sie versorgt – obwohl sie zwischenzeitlich bei der Tafel landet.
Von Malindi Schirrmacher
Immer wieder denke ich an den Sommer 2017 zurück: Mein Mann hatte seinen Vorbereitungsdienst als Sonderschullehrer abgeschlossen, ich war noch in Elternzeit (unsere damals zwei Kinder waren fünf und fast zwei Jahre alt), und wir hatten am Anfang des Monats noch 30 Euro auf dem Konto. Als Beamter auf Widerruf hatte mein Mann seine Besoldung stets im Voraus bekommen, für den Monat Juli schon Ende Juni. Und bis er sein erstes Gehalt für seine Stelle als Lehrer auf Probe bekommen würde, waren zwei Monate zu überbrücken. Ohne Rücklagen.
Wir haben jung und während unseres Studiums geheiratet. Eine Low-Budget-Hochzeit, wunderschön und möglich durch die praktische Unterstützung von Familie und Freunden. Ich habe unser erstes Kind während meines Vorbereitungsdienstes als Sonderschullehrerin bekommen und das zweite knapp drei Jahre später, nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes. Mein Mann hat nach dem Studium zunächst bei einer NGO gearbeitet, mit geringem Gehalt. Bei all den lebensverändernden Entscheidungen war der finanzielle Aspekt für uns nie der ausschlaggebende. Unser Lebensstandard war für uns immer passend. Tief in mir ist die feste Überzeugung verankert, dass Gott versorgt.
„Darf ich als Missionar in den Urlaub fahren?“
Als Missionarskind habe ich 18 Jahre in Kenia gelebt. Meine Eltern leben bis heute dort, ihre Arbeit wird aus Spenden finanziert. Und immer wieder ging es in Gesprächen um diese Abhängigkeit: Bin ich den Spenderinnen und Spendern gegenüber verantwortlich, wie ich mit „ihrem“ Geld umgehe? Oder muss ich es nicht eher als „Gottes Geld“ ansehen und mich lösen von menschlicher Abhängigkeit? Darf ich als Missionar in den Urlaub fahren? Kann ich in einem Land mit extremer Armut ein Haus und ein Auto haben? Als Missionarskind auf eine deutsche Auslandsschule gehen, die so teuer ist, dass eine andere Familie mit dem Geld mehrere Jahre überleben könnte?
Bis heute fällt es mir schwer, mit der ungleichen Verteilung von Geld zurechtzukommen. Kann ich daran etwas ändern? Und wie stellt Gott sich das vor mit dem Besitz? Fragen, die mich ins Gespräch mit meinem Vater im Himmel bringen. Und ich muss an die Vögel denken, von denen Jesus sagt, dass sie weder säen noch ernten, doch ihr Vater im Himmel sorgt sich um sie.
Mehrere Monate ohne Einkommen
Im Sommer 2017 war so ein Vogel-Moment. Wir haben existenziell erlebt, wie Gott versorgt. In einem Gespräch mit einer Bekannten konnte ich ehrlich äußern, dass wir die nächsten Monate ohne Einkommen waren. Sie meinte darauf, dass sie uns sehr gern unterstützen möchte. Wir haben ein privates Darlehen bekommen und dieses später in Raten zurückgezahlt.
Wir hatten einen Wohngeldantrag gestellt und mit dessen Genehmigung auch die Berechtigung, in der Tafel einkaufen zu gehen. Eine Erfahrung, die uns dankbar, demütig und barmherziger gemacht hat. Die ersten Male hat es mich Überwindung gekostet, mich in die Schlange vor dem Tafelladen einzureihen. Mein verunsichertes Ich las in den Blicken der anderen: „Wohnt diese Frau nicht in dem Haus mit dem großen Garten? Hat sie nicht ein Auto?“ Ich fühlte mich bedürftig und gleichzeitig fehl am Platz.
Nicht auf Genuss verzichten
Gott möchte, dass ich weise mit dem mir Anvertrauten umgehe. Sei es Geld, Besitz, Begabungen oder auch Begegnungen. Und ich glaube, dass wir den Gütern auf dieser Welt immer wieder einen Wert beimessen, der ihnen gar nicht gebührt. Damit meine ich nicht, dass ich auf Genuss und Gutes verzichten muss. Das wäre am Ziel vorbeigeschossen. Gottes Schöpfung strotzt nur so vor Gutem, Köstlichkeiten, Bewundernswertem, und er liebt es, uns zu beschenken.
Vielmehr lerne ich, dass mein Leben auf dieser Welt nicht zum Ziel hat, dass es mir gut geht. Oder dass meine Familie rundum versorgt ist, ohne Mangel. Das ist nicht meine Aufgabe. Das hat mir mein Vater im Himmel schon zugesagt: Mir wird nichts mangeln. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Was bin ich bereit, loszulassen, sodass meine Hände geöffnet sind, um zu empfangen? Unsere Umstände mögen Konsequenzen unserer Entscheidungen und Handlungen sein, ja. Aber Gott ist so viel größer als unsere Umstände.
Urlaub machen
Im Sommer 2017 wurden wir nicht nur durch die Möglichkeit, im Tafelladen einzukaufen, versorgt. Wir konnten sogar Urlaub machen. Im Haus einer Familie nur 15 Minuten von unserer Wohnung entfernt, raus aus der Stadt und dem Gewohnten, neben den Weinbergen. Wir genossen die Familienzeit und Ruhephase nach dem herausfordernden Vorbereitungsdienst meines Mannes.
Einige Monate nach unseren wöchentlichen Einkäufen im Tafelladen konnten wir dem Verein eine Spende zukommen lassen. Das Ehepaar, das uns das Geld geliehen hatte, ist mit einer Missionsorganisation ins Ausland gegangen, und wir haben unsere Rückzahlung als monatliche Spende weiterführen können.
Über den Zehnten hinaus geben
Das führt mir vor Augen, dass Gott so viel größer und flexibler und großzügiger ist als mein menschliches Planen. Dass er ein anderes Verständnis von Haben und Geben hat und sich wünscht, dass ich ihm vertraue. Den Zehnten zu geben, ist fester Bestandteil unserer monatlichen Ausgaben. Darüber hinaus großzügig zu geben, fordert mich heraus.
Mit größer werdenden Kindern, unvermeidlichen Anschaffungen und auch Wünschen, die erfüllt werden wollen, wird es mehr und mehr unsere Aufgabe, ins Gespräch zu gehen. Wir finden es wichtig, unseren Kindern Entscheidungen zu erklären und ihnen durch Taschengeld zu ermöglichen, eigene Kaufentscheidungen zu treffen. Wir sprechen darüber, dass wir zwar nicht regelmäßig zu Oma und Opa nach Kenia fliegen können, weil das zu teuer ist. Aber dass wir so viel Geld zur Verfügung haben, dass wir zwei Patenkindern in Ostafrika ermöglichen können, zur Schule zu gehen.
Kinder geben begeistert
Es scheint, dass das Prinzip des Bekommens und Gebens für Kinder oft selbstverständlicher ist. Wir erleben bei unseren Kindern eine Begeisterung und Großzügigkeit zu geben, wenn sie erahnen, wie sich der Beschenkte freuen wird. Und so war es gar keine Frage, dass sie einen Teil ihres Taschengeldes für Weihnachtsgeschenke für bedürftige Kinder aus- und einige ihrer gut erhaltenen Spielsachen für eine Sammlung an Flüchtlingskinder abgeben. „Das neue Mäppchen hätte ich auch gerne, Mama. Aber ich habe ja schon eins und das Mädchen, das es bekommt, hat vielleicht noch nie eigene Stifte gehabt.“
Auch ich übe mich in Großzügigkeit und folge dem inneren Impuls, das Bargeld, das mein Mann als Reserve in den Küchenschrank gelegt hat, einer Freundin vorbeizubringen. Normalerweise sprechen wir uns bei größeren Ausgaben vorher ab. Doch ich habe inneren Frieden darüber, dass es in Ordnung ist, das Geld weiterzugeben. Gott ist so viel größer, flexibler und großzügiger als mein menschliches Planen, und die Reserve wird an anderer Stelle gerade nötiger gebraucht.
Fast ein Haus gekauft
Für unsere Kinder war es bis vor Kurzem selbstverständlich, sich ein Zimmer zu teilen. Wir hätten im Herbst 2018 fast eine Doppelhaushälfte gekauft. Direkt am Neckar. Nur eine Doppelhaushälfte von Freunden entfernt. Die Finanzierung wurde von der Bank abgelehnt und wir blieben weiter in unserer Mietwohnung. Mit Fragen an Gott und ohne angespartes Eigenkapital. Wir arrangierten uns mit dem Platz und den Möglichkeiten, misteten großzügig aus, behielten ein manchmal nur zaghaft dankbares und hoffnungsvolles Herz.
Wieder einmal fiel mir mein Taufvers aus Sprüche 3 in die Hände: „Vertraue auf den Herrn von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen eigenen Verstand; erkenne ihn auf allen deinen Wegen, so wird er deine Pfade ebnen.“ Dieses Leben in Abhängigkeit von Gott macht unglaublich viel Freude. Es ist spannend, nicht immer leicht, erfüllt mit wunderbarem Versorgtsein und manchmal auch beschämter Dankbarkeit.
Gott schenkt Doppelhaushälfte
Ich schreibe diese Zeilen, während ich an unserem großen Eichen-Esstisch sitze, mit Blick auf den Neckar. In unserer Doppelhaushälfte. Nur eine Doppelhaushälfte von Freunden entfernt. Es ist nicht die bereits oben erwähnte. Denn Gott hat manchmal viel Größeres für uns im Sinn! Diese Doppelhaushälfte liegt in die „andere Richtung“ neben unseren Freunden. Sie ist um einiges größer und in einem besseren baulichen Zustand.
Immer wieder denke ich an den Sommer 2020 zurück. Mein Mann und unser ältester Sohn haben Sommerferien, ich bin weiterhin in Elternzeit und mittlerweile haben wir drei Kinder. Wie viel Geld auf unserem Konto ist, weiß ich nicht genau. Aber es ist ausreichend, um die eintrudelnden Rechnungen zu bezahlen: Kaufnebenkosten, Rechnungen von Handwerkern und Steuern. Nicht nur ermöglicht durch das Darlehen der Bank, sondern auch durch ein zinsloses Privatdarlehen. Wir werden es in Raten mit dem uns vom Land zur Verfügung gestellten Baukindergeld zurückzahlen. Und ziehen in ein Haus mit viel Platz, Garten und einer befreundeten Familie in direkter Wohnnähe. Und ich wünsche mir, dass es so bleibt: dass der finanzielle Aspekt bei lebensverändernden Entscheidungen für uns nie der ausschlaggebende sein wird.
Malindi Schirrmacher lebt mit ihrem Mann und ihren mittlerweile vier Kindern zwischen Heidelberg und Mannheim. Sie liebt es, dass Gott ihr im Chaos des Lebens persönlich begegnet.
Dieser Artikel ist im Magazin Family erschienen. Family wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.