Die Debatte um Äußerungen von Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) über das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich am Freitag weiter verschärft.
Die Opposition warf Westerwelle «Hetze» vor. Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, nannte Westerwelles Kritik unredlich. Der Minister bekräftigte hingegen seine Aussage, die Reaktionen auf das Urteil des höchsten Gerichts hätten sozialistische Züge.
Die Opposition protestierte. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, es wäre besser gewesen, Westerwelle hätte sich nicht geäußert. Steinmeiers Parteikollegin, die sozialpolitische Sprecherin Anette Kramme, warf dem FDP-Chef Arroganz vor. Das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) ermögliche keinen Wohlstand, sondern sichere das Existenzminimum. Die Regierung müsse nun Klarheit schaffen, ob sie die Hartz-IV-Sätze kürzen wolle.
Die Grünen forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Westerwelles «Ausfälle gegen Millionen von Menschen» zurückzuweisen. Die Regierung sei auf dem Weg zur Spaltung der Gesellschaft, sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast: «Diese Sozialhetze ist eines Vizekanzlers und deutschen Außenministers unwürdig.»
Die Linkspartei warf Westerwelle Beleidigungen und Herabwürdigungen der Schwächsten in der Gesellschaft vor. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagte, das Bundesverfassungsgericht habe «in ungekannter Deutlichkeit das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ausformuliert». Wenn Westerwelle darin sozialistische Züge entdecke, sei ihm schwer zu helfen.
Nach Auffassung des rheinischen Präses‘ Schneider ist das wahre Problem nicht Hartz IV sondern das Lohnniveau in Deutschland. «Es ist nicht redlich, wenn Guido Westerwelle Geringverdiener gegen Hartz IV-Bezieher ausspielen will», sagte er den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Samstagausgabe). Es gebe zu wenig tariflich bezahlte Arbeitsplätze.
Der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende nannte es ermutigend, dass Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) angedeutet habe, dass es im Bereich Bildung für Kinder «durchaus Mehrbedarf» gebe. Dies decke sich mit internen Berechnungen von EKD-Experten, die eine «moderate, nicht astronomische Anhebung der Regelsätze für notwendig halten».
FDP-Generalsekretär Christian Lindner unterstützte den FDP-Vorsitzenden. Westerwelle habe eine Diskussion angestoßen, die «eine Chance für Deutschland» darstelle. Wer nur über die Verteilung von Geld, nicht aber über die Erarbeitung rede, ignoriere die hart arbeitenden Menschen und gefährde die Solidarität in Deutschland. Westerwelle hatte in einem Zeitungsbeitrag erklärt, alle Welt kümmere sich um die Empfänger von Sozialleistungen. Doch jene, die das Geld erarbeiteten, fänden kaum noch Beachtung. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein.
(Quelle: epd)