Er kommt mit einem Megaphon. Wie ein Marktverkäufer brüllt er durch die Fischauktionshalle in Hamburg. Heiße Ware habe er. Die Verkaufsobjekte sind in der Halle verteilt und von den Schultern bis zu den Knien in Plastikfolie eingepackt. Es sind Frauen.
Esther ist eine von ihnen. Sie möchte mit der Aktion Frauen eine Stimme verleihen, die in der „Hölle“ Menschenhandel und Zwangsprostitution gefangen sind. Was der Auslöser für ihr Interesse daran gewesen war, weiß sie nicht mehr genau. Doch vor dreieinhalb Jahren habe sie eine tiefe Betroffenheit und Wut in Bezug auf das Thema gespürt.
Einen „heiligen Zorn“ empfinden – so geht es auch Torsten Hebel, Leiter von blu:boks Berlin und Prediger des heutigen Abends. Wo noch zuvor der Marktschreier für den lauten Ton verantwortlich war, erfüllt nun die Stimme des 48-jährigen die Halle. Für ihn sind Ungerechtigkeit und Unverständnis für die Not anderer unerträglich. Not, wie sie jährlich 27 Millionen Menschen widerfährt, die Opfer von Menschenhändlern werden. Die Zahl nennt Prof. Dr. Schirrmacher, Menschenrechtssprecher der Weltweiten Evangelischen Allianz.
„Kein Kind würde sich so etwas ausdenken“
Eine Not wie sie auch Sarah erlebt hat. Mit 8 Jahren wurde sie erstmals vergewaltigt, später sogar vom eigenen Vater von einem Bordell in Hamburg nach München verkauft – damit er zu Geld kommen konnte. Hilfe fand Sarah zunächst nicht. Obwohl sie danach suchte, glaubte man ihr nicht. „Kein Kind und kein Jugendlicher würde sich so etwas ausdenken“. In ihrer Stimme klingt der Schmerz mit, den sie jahrelang ertragen, aber auch unterdrückt hat. „Kinder können verdammt stark sein“, sagt sie.
Sarahs Geschichte nahm ein gutes Ende. Sie hat Menschen getroffen, die sie aus Menschenhandel und Zwangsprostitution geführt haben. Nun möchte sie die Story öffentlich mit anderen teilen. Dieser Mut löst mehrfach Ovationen bei den Besuchern in der Fischauktionshalle aus, die ihre Courage bestaunen. Als sie von der Bühne zurück zu ihrem Platz geht, umarmt sie jemanden. Lange. Dieser Schritt war für sie alles andere als leicht gewesen.
er 02. Mai war vom Kirchentag als „Tag gegen den Menschenhandel“ bezeichnet worden. Eine Resolution wurde verabschiedet, zahlreiche Events dazu veranstaltet. Am Ende berühren jedoch vor allem die persönlichen Erlebnisse, wie die von Sarah – und 27 Millionen anderer.