Als er die Bühne betritt, füllt sich die Halle B5 mit Applaus. Bundespräsident Joachim Gauck lächelt und winkt in die Menge als er sich zu den weiteren Gästen der Diskussionsrunde zum Thema „Inklusion“ setzt. Ein weiterer Öffentlichkeitstermin im Terminkalender des deutschen Staatsoberhaupts? Nein, denn hier trifft Theorie auf Praxis.
Eine starke Gesellschaft – Was braucht sie? Wie sieht sie aus? Das Gespräch erinnert nur wenig an eine Diskussion. Eher an einen Erfahrungsaustausch. Dazu trägt zum Beispiel Rainer Schmidt seinen Teil bei. Der heutige Pfarrer hat keine Hände und keine Unterarme. Dennoch ist er mehrfacher Tischtennis-Goldmedalliengewinner bei den Paralympics. Er ist dankbar, dass er immerhin einen Daumen hat. Wenn er den Schöpfungsbericht lese, sehe er, dass nichts da war. Das sei „normal“ gewesen. Dass Gott zehn Finger erschaffen und damit die meisten Menschen ausgestattet habe, sei ein Grund zur Dankbarkeit. Für ihn ist Inklusion die „Kunst des selbstverständlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Menschen“.
„Wo war ich sitzengeblieben?“, fragt Samuel Koch nach einer technischen Unterbrechung. Der Schauspielstudent aus Hannover ist seit einem Unfall in der Fernsehsendung „Wetten, dass…?“ querschnittsgelähmt an den Rollstuhl gefesselt. Er ist auf diesem Kirchentag ein gefragter Gast, so gestaltet er eine Bibelarbeit und macht eine Konzertlesung mit Samuel Harfst. Die Notwendigkeit für Inklusion spürt er jeden Tag am eigenen Leib.
Nicht so Joachim Gauck. Aber er berichtet von verschiedenen Erlebnissen, bei deinen er „Inklusion“ erlebt hat. Solche Momente berühren ihn. „Dich springt ein ‚Ja’ zum Leben an“. Die Lebensfreude beeinträchtigter Menschen fasziniert ihn.
Doch Gauck ist nicht nur ein Mann der großen Worte. Irgendwo zwischen beeindruckenden Erfahrungsberichten, mitten in einer tollen Unterhaltung passiert das eigentlich Selbstverständliche und doch so Außergewöhnliche. Der deutsche Bundespräsident reicht dem körperlich behinderten Schauspielstudenten Koch das Wasser. Nicht nur im übertragenen Sinne, sondern tatsächlich. Die Szene wirkt seltsam überhöht: Der Mächtige beugt sich, um dem Beeinträchtigten zu helfen. Doch es ist ein Bild, das den Wert von Inklusion vor Augen führt. Hier wird die „Kunst des selbstverständlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Menschen“ praktisch. Das macht eine starke Gesellschaft aus.