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Nachhaltig wirtschaften: „Unser Umsatz war letztes Jahr viel zu hoch“

Die Rohstoffe der Welt schrumpfen, während die Wirtschaft immer weiter wachsen will. Erste Unternehmen machen da nicht mehr mit. Sie streben kein Mehr an. Sie wollen nicht mehr produzieren, nicht mehr verdienen – sondern in eine bessere Welt passen.

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Reinhard Mammerle stellt Schuhe her, die erst nach vielen Jahren kaputt gehen. Beim Kauf wird allen «Waldviertler»-Kunden geraten, die Schuhe bloß nicht wegzuwerfen, sondern in die Reparatur zu geben, entweder beim Hersteller oder beim Vertragspartner. Denn die österreichischen «Waldviertler» wollen nicht so viele Schuhe wie möglich verkaufen. «Unser Umsatz muss nicht wachsen, das ist nicht Unternehmensziel», sagt Mitarbeiter Mammerle. «Es sollen keine Rohstoffe für neue Schuhe vergeudet werden, wenn die alten wiederhergestellt werden können.»

 Die Einstellung entspricht dem Zeitgeist. Soziologen sehen Konsumenten, die einen gesunden und Ressourcen schonenden Lebensstil pflegen, im Trend. Unternehmen aber, die nicht wachsen wollen, sind noch Exoten. Kredite abbezahlen, kein Personal entlassen, auch wenn neue Technologien es ersetzt – ohne Wachstum scheint das schwer.

 «Die Zeit ist reif für einen Wandel», sagt Niko Paech, einer der ersten deutschen Ökonomen, die an einer Postwachstumsökonomie arbeiten – einer Wirtschaft, in der Wachsen keine Rolle mehr spielt. «Die Ressourcen der Erde schrumpfen, wir sehen erste Wirtschaftskrisen, Arbeitnehmer leiden zunehmend, weil sie per Smartphone rund um die Uhr am Wachstum arbeiten.» Es müsse bald ohne unablässiges Wachstum gehen.

 Wie das für Unternehmer funktionieren kann, zeigt Susanne Henkel. Die Geschäftsführerin der Richard Henkel GmbH im schwäbischen Forchtenberg ist erleichtert, dass ihr Umsatz 2012 klein bleibt. «Er war im Jahr davor viel zu hoch», erklärt sie. «Wir haben immer neue Kunden bekommen.» Henkel will aber nicht mehr, Stabilität reicht ihr: Sie hat 50 Mitarbeiter, «genau wie mein Opa das schon hatte». Sie will nicht mehr produzieren, sondern «wertiger werden».

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Kerngeschäft sind Stahlrohrmöbel, Liegen für Gärten und Schwimmbäder. «Die Stahlteile an den Möbeln sind quasi unzerstörbar», sagt Henkel. Nur der Stoff verschleißt irgendwann. Dann repariert Henkel die Stühle. «Warum sollten wir den Leuten neue Stühle andrehen? Stahlproduktion verbraucht Rohstoffe und Energie, die wollen wir sparen», sagt sie.

Normal ist das nicht, das merkt sie an ihren Kunden. «Die fragen ganz schüchtern nach Ersatzteilen – und staunen, dass wir nur fragen: welche Farbe denn?», sagt die 59-Jährige. Ihre Produktion wächst so nicht, der Umsatz bleibt stabil. «Dafür machen wir uns umweltfreundlicher», sagt Henkel – zum Beispiel durch einen Lagerraum, der statt Klimaanlage auf die Bauweise eines Termitenhügels setzt und so die Nachtkühle nutzt.

Reparieren statt produzieren ist auch für die Postwachstumsökonomie des Oldenburger Professors Paech zentral. «Einige Industrien verschwinden so, es werden aber kleine Reparaturbetriebe aus dem Boden sprießen», sagt er. Dass es ohne Wachstum weniger Arbeitsplätze gibt, sieht er nicht als Problem. «Durch den demografischen Wandel gibt es eh bald weniger Arbeiter, und es tut der Gesellschaft gut, wenn alle nur 20 Stunden arbeiten.» In der freien Zeit könnten Menschen mehr Austausch organisieren: Autos und Rasenmäher teilen, Gemüse anbauen, Dinge selber reparieren. «Das spart Ressourcen und macht glücklich.»

Verändern müsse sich auch der Umgang mit Geld: «Wenn Betriebe den Angestellten gehören, handeln sie verantwortlicher», sagt Paech. Kredite könne man bei nachhaltigen Banken nehmen, die in reale Projekte investiere. «Die ersten zarten Pflänzchen des Wandels kann man schon sehen», sagt Paech. «Zum Beispiel in kollektiv betriebenen Gemeinschaftsgärten, dem Erfolg nachhaltiger Angebote.»

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Die Waldviertler aus Österreich sind gewachsen, obwohl sie es gar nicht wollten. «Die Nachfrage ist rasant gestiegen», sagt Mammerle. Die Schuhmacher haben deshalb ihre Werkstatt vergrößert, Vertriebsstrukturen auch in Deutschland aufgebaut. «Wenn mehr Firmen wie wir arbeiten, werden wir nicht mehr wachsen», sagt Mammerle. «Und das ist gut so.»

(Quelle: epd)

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