Der neue evangelisch-methodistische Bischof Harald Rückert hat zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft aufgerufen. „Wir leben in Zeiten, in denen offenbar viele nur auf ihren Vorteil bedacht sind, in Europa und weltweit“, sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Mir ist es wichtig, dass wir als Kirchen dieses Spiel nicht mitspielen.“ Der 1958 in Nürnberg geborene Rückert war im März 2017 als Nachfolger von Rosemarie Wenner zum Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland (EmK) gewählt worden. Die Freikirche zählt rund 52.000 Mitglieder, weltweit rechnen sich mehr als 80 Millionen Menschen zu Kirchen der im 18. Jahrhundert entstandenen methodistischen Bewegung.
Von Stephan Cezanne (epd)
epd: Herr Bischof Rückert, was ist evangelisch an der Evangelisch-methodistischen Kirche?
Bischof Harald Rückert: Als weltweite Evangelisch-methodistische Kirche stehen wir auf dem Boden der Reformation. Ursprung ist zwar die anglikanische Kirche, aber unser Kirchengründer John Wesley hat auch entscheidende theologisch-geistliche Einflüsse aus der reformatorischen deutschen Theologie mitbekommen. Wir teilen uneingeschränkt die reformatorischen Grundsätze: Allein der Glaube, allein die Gnade, allein die Schrift, allein Christus. Von daher verstehen wir uns als eine evangelische Kirche. Auch das 500. Reformationsjubiläum ist etwas, das bei uns im Bewusstsein ist. Allerdings hat es nicht ganz den Stellenwert, den es natürlich in den evangelischen Landeskirchen hat.
Was ist der besondere methodistische Beitrag für die Ökumene?
Rückert: Ich würde uns als Brückenbauer bezeichnen. Wir sind in vielen kirchlichen Fragen die „Kirche dazwischen“. Wir können in der Ökumene zwischen ganz unterschiedlichen Polen vermitteln, wir können Dinge zusammenbringen. Manchmal können wir als Methodisten auch über die Schiene der Deutschen Evangelischen Allianz zu anderen Christen in Kontakt treten, von denen die großen Landeskirchen manchmal nur wenig wissen. Wir können Personen unterschiedlicher christlicher Strömungen an einen Tisch bringen.
Wie steht es um die Ökumene in Deutschland?
Rückert: Die Ökumene in Deutschland funktioniert gut, auf allen Ebenen! Mit Blick auf die Größenverhältnisse ist es aber tatsächlich so, dass für Außenstehende die Freikirchen, manchmal auch die Orthodoxie und andere in der Ökumene aktiven Kirchen oft nicht so sichtbar sind. So wird in der Öffentlichkeit, vor allem in den Medien von «den Kirchen» geredet, aber man meint nur evangelisch-landeskirchlich und römisch-katholisch. Wo Ökumene draufsteht, muss aber Ökumene drin sein. Ökumene ist mehr als gute bilaterale Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und den evangelischen Landeskirchen. Ökumene ist die Vielfalt aller christlichen Kirchen.
Die methodistische Kirche finanziert sich durch freiwillige Abgaben ihrer Mitglieder. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem Modell gemacht?
Rückert: Wir fahren mit unserem Modell der freiwilligen Gaben nicht schlecht. Manchmal ist es wohl etwas anstrengender, in Gemeinden oder auf Länderebene Finanzmittel einzuwerben. Man muss sehr gut kommunizieren. Projekte müssen transparent dargestellt werden. Aber auf diesem Weg kommen die Projekte auch in den Herzen der Leute an. Von daher bin ich froh, dass wir als Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland dieses Prinzip der Freiwilligkeit auch bei den Finanzen durchhalten, denn wir hätten als Körperschaft des öffentlichen Rechts ja auch die Möglichkeit, Kirchensteuer erheben zu lassen.
Dieses Modell hat aber den Preis, dass wir nicht alles machen können, was wir uns vielleicht wünschen. Es hat auch den Preis, dass unsere Pastorinnen und Pastoren, unsere Hauptamtlichen, nicht zu den Topverdienern gehören, wir bezahlen eher bescheidene Gehälter. Aber es ist ein sehr ehrliches System, wie ich finde. Und daher bin ich froh, dass wir das so handhaben.
Würden Sie anderen Kirchen diese Freiwilligkeit bei der Finanzierung empfehlen?
Rückert: Ich kann und will hier weder der römisch-katholischen Kirche noch den evangelischen Landeskirchen irgendeine Empfehlung geben. Das Kirchensteuermodell in Deutschland ist jedenfalls weltweit ziemlich einmalig. Es gibt ganz wenige Länder, wo Kirchen auf diese Art und Weise ausgestattet sind. Die Regel weltweit ist eher die Finanzierung über Freiwilligkeit. In einigen Ländern wie beispielsweise Italien gibt es Zwischenformen.
Haben Sie als Teil der evangelisch-methodistischen Weltkirche einen besonderen Blick auf Flüchtlinge?
Rückert: Ja, sehr viele unserer Gemeinden haben sich für Flüchtlinge geöffnet. Diese Öffnung hat uns allesamt sehr gut getan, mit allen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Auch wenn die Gesamtzahl der Mitglieder nicht wächst, haben wir wachsende Migrantengemeinden, und wir vernetzen diese Arbeit mit unseren deutschen Gemeinden. So gibt es zum Beispiel in einer norddeutschen Gemeinde einen jungen Ghanaer, den wir auf den Weg zum Theologiestudium und damit in die Ausbildung zum Pastor geschickt haben. Ich finde, das ist eine Riesenbelebung für unsere Kirchen.
Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, einige Flüchtlinge wollten sich nur wegen der Aussicht auf ein Bleiberecht christlich taufen lassen?
Rückert: Menschen aus einem anderen Kulturkreis oder einer anderen Religion müssen zunächst Glaubenskurse und einen Taufunterricht absolvieren. Wir versuchen, soweit wir das können, ehrlich zu beobachten und zu beurteilen, damit die Taufe nicht missbraucht wird und sich jemand so das Aufenthaltsrecht gewissermaßen erschleicht. Die größte Herausforderung ist momentan allerdings, dass Asylbewerber vor allem aus dem Iran von den Entscheidern in den Behörden quasi unter Generalverdacht gestellt werden.
Der Umgang mit der Homosexualität sorgt in den großen kirchlichen Weltbünden der Lutheraner, Reformierten und Anglikaner für große Spannungen. Wie geht die methodistische Weltkirche damit um?
Rückert: Seit rund 40 Jahren beschäftigt unsere Kirche die Frage nach der menschlichen Sexualität, insbesondere die Frage nach dem Umgang mit der Homosexualität. Weltweit ist in unserer Kirchenordnung festgehalten, dass unsere Gemeinden sich gegenüber homosexuellen Menschen öffnen und sie willkommen heißen. Zugleich ist Homosexualität nach der offiziellen Linie unserer Kirche nicht vereinbar mit der biblischen Lehre. Deswegen ordinieren wir keine homosexuellen Menschen zu Pastoren und führen auch keine Trauungen und Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare durch.
Halten Sie einen Ausgleich zwischen konservativen und liberalen Kräften in dieser Frage für möglich?
Rückert: In der lange andauernden Diskussion haben sich inzwischen die Fronten verhärtet. Auf der letzten evangelisch-methodistischen Generalkonferenz in den USA im vergangenen Jahr wusste man nicht mehr so recht weiter: Wie kann unser Weg als Evangelisch-methodistische Kirche in dieser Frage weitergehen mit Blick auf derart unterschiedliche Positionen? Eine Kommission mit Vertretern aller Sichtweisen und auch aus allen Kulturkreisen soll Lösungsvorschläge erarbeiten. Auf einer außerordentlichen Generalkonferenz 2019 soll es dann nur um das Thema Homosexualität gehen.
Sie stehen am Anfang ihrer Amtszeit als Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Rückert: Wir leben in Zeiten, in denen offenbar viele nur auf ihren Vorteil bedacht sind, in Europa und weltweit. Es wird eher die Einfalt und die Enge bevorzugt. Mir ist es wichtig, dass wir als Kirchen dieses Spiel nicht mitspielen. Christen müssen für Weite, Offenheit und Vielfalt eintreten. Wir müssen bewusst immer wieder über den eigenen Tellerrand schauen, nicht nur in der Ökumene. Zum Beispiel können die Kirchen viel zur Integration von Flüchtlingen beitragen. Hier müssen auch Muslime miteinbezogen werden.
Und in Zeiten, in denen die Kirchen scheinbar immer weniger eine Rolle in unserer Gesellschaft spielen, ist es mir zudem ein Herzensanliegen, für die Schönheit und Freude des Evangeliums einzutreten. Das Evangelium von Jesus Christus ist eine derart begeisternde Botschaft, die wir dieser Welt schuldig sind. Sowohl durch unsere Worte, aber auch durch das, was wir tun.