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Ehe und Scheidung: Die verschiedenen kirchlichen Perspektiven

Wie kann es sein, dass die katholische Kirche Geschiedenen den Segen für eine erneute kirchliche Trauung verweigert? Und wieso ist in der evangelischen Kirche die Wiederheirat möglich? Fakt ist: Beide Kirchen berufen sich auf die Bibel – wer hat denn nun recht? Von Gabriele Berger-Faragó

Der zentrale Text zum Thema findet sich in Matthäus 19. Jesus bezieht hier Stellung zur Frage, ob man sich scheiden lassen und wieder heiraten darf. Laut dem alttestamentlichen Gesetz (5. Mose 24) sind Scheidung und Wiederheirat möglich, doch Jesus lenkt den Blick auf Gottes ursprüngliche Schöpfungsabsicht mit der Ehe: Mann und Frau binden sich in ihrer Liebe durch die Ehe seelisch und leiblich lebenslang aneinander, sie werden zu einer neuen „Ehe-Person“, die Gott zusammengefügt hat und segnet; diese „Ehe-Person“ durch Scheidung zu zerschneiden führt zu Verletzungen in Herz und Seele bei den Ehepartnern und Kindern, im Lebensentwurf, beruflich, finanziell und praktisch.

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Dennoch kommt Scheidung vor und wurde daher bei den Geboten des Mose berücksichtigt, weil wir Menschen hartherzig sind, wie Jesus sagt; wir sind manchmal egoistisch, lieblos und unfähig, eine gute Ehe zu führen.

Wiederheirat aus biblischer Sicht

Auf eine Scheidung folgt für manche eine erneute Heirat. Doch Jesus mahnt, dass dies einem Ehebruch gleichkommt (Matthäus 19,9). Auch hier ist es Gottes ursprüngliche Schöpfungsabsicht, die Jesus in den Mittelpunkt stellt: Die Ehe ist als lebenslanges Eins-Sein gedacht, und wer in diese leiblich-seelische Einheit eindringt, begeht Ehebruch, egal, ob eine Scheidungsurkunde vorliegt oder nicht.

Bedeutsam ist an dieser Stelle der historische Kontext: Zu Jesu Zeit galt die Frau als Eigentum ihres Ehemannes; sie beging Ehebruch, wenn sie mit einem anderen Mann in sexuellen Kontakt trat. Der Ehemann konnte jedoch mit einer unverheirateten Frau, zum Beispiel einer Prostituierten, durchaus Verkehr haben, ohne dass dies als Ehebruch gewertet wurde. Nur, wenn er in eine fremde Ehe eindrang, galt dies als Ehebruch, aber eben nur wegen der anderen Ehe. Eine große Ungerechtigkeit und Verdrehung der ursprünglichen Schöpferabsicht Gottes!

Vor diesem Hintergrund muss die Aussage, dass Scheidung und Wiederheirat einem Ehebruch gleichkommen, für die Zeitgenossen von Jesus ein Skandal gewesen sein. Mit seinem Statement widersetzte sich Jesus der gängigen Rechtsauffassung (und männlichen Willkür), nahm die Frauen in Schutz und betonte die Bedeutung der Ehe als lebenslanges Bündnis – Scheidungsurkunde hin oder her.

„Müssen sich zwei Menschen ein Leben lang miteinander quälen, auch wenn die Ehe nur noch auf dem Papier besteht?“

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Unwiderrufbares Sakrament – Die katholische Sicht

Das ist starker Tobak, damals wie heute. Was tun, wenn man mit einem beziehungsunfähigen Menschen verheiratet ist? Wenn man Missbrauch, Gewalt, wiederholte Untreue oder Auswüchse einer Sucht erlebt? Müssen sich zwei Menschen ein Leben lang miteinander quälen, auch wenn die Ehe nur noch auf dem Papier besteht? Soll man denn grausame Ehen um jeden Preis erhalten, neues Glück verbieten? Wie bekommt man die klaren Worte Jesu mit der manchmal verworrenen Realität des Lebens zusammen? Das ist nicht einfach und erklärt, warum verschiedene Kirchen und Christen zu unterschiedlicher Bewertungen des Themas gelangen:

Die katholische Kirche sieht in der Ehe ein von Gott eingesetztes Sakrament, also ein sichtbares Zeichen einer unsichtbaren göttlichen Wirklichkeit. Dieses Bündnis kann nicht aufgelöst, das Zeichen nicht rückgängig gemacht werden. Die katholische Kirche nimmt Jesus wörtlich: Scheidung widerspricht Gottes Schöpfungswillen, Wiederheirat ist unmöglich, weil der alte Ehebund aus geistlicher Sicht nicht gelöst werden kann; daran ändert auch eine juristisch-weltliche Scheidungsurkunde nichts. Damit ist sie sehr nah dran an Jesu Absicht, die Ehe nicht zu verwässern, indem man aus ihr einen rein juristischen Vorgang macht. Sie hält fest an Gottes Idee der lebenslangen Liebe und Treue in der Ehe, die Gottes Liebe und Treue zu uns widerspiegelt (vgl. Epheser 5,32). Ähnlich sehen es einige (evangelische) Freikirchen.

Es ist eine reale Gefahr in unserer Gesellschaft, eine schwierige Ehe vorschnell aufzugeben. Eine Scheidung macht die Ehejahre davor nicht ungeschehen, und Eltern bleiben gemeinsam Eltern ihrer Kinder, auch wenn sie sonst getrennte Wege gehen. Wer als Geschiedener wieder heiratet, wird seine Vergangenheit mit in die neue Ehe hineinnehmen. Wir tun also gut daran, den Bund der Ehe ernst zu nehmen und um dessen Erhalt zu ringen, wie es Jesu Worte nahelegen.

„Jesus interpretierte Gottes Gesetz immer im Hinblick auf Heil und Gerechtigkeit im umfassenden Sinne“

„Ein weltliches Ding“ – Luthers Sicht

Auf der anderen Seite stehen völlig kaputte Ehen, die nur noch künstlich aufrechterhalten werden. Soll man am toten Buchstaben des Ehebündnisses festhalten, obwohl diese Beziehung längst nicht (mehr) dem gleicht, was Gottes ursprüngliche Schöpferabsicht war? Jesus hat mit seinen Worten stets auf Gottes gute Absichten hinter seinen Geboten hingewiesen. Er hat betont, dass die Gebote nicht geschaffen wurden, um die Menschen zu versklaven, sondern um sie freizusetzen. Wo ein Mensch durch die Einhaltung von Geboten an Leib, Leben und Seele Schaden zu nehmen droht, schützt Jesus den Menschen, nicht das Gebot (vgl. Matthäus 12,1-13; Johannes 8,1-11). Jesus interpretierte Gottes Gesetz immer im Hinblick auf Heil und Gerechtigkeit im umfassenden Sinne. Man kann also in diesem Sinne argumentieren, dass sich eine Scheidung vertreten lässt, wenn alle Rettungsversuche gescheitert sind und die seelische oder leibliche Unversehrtheit der Ehepartner und Kinder bedroht ist.

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Genau das tut die evangelische Kirche. Luther hat dafür die Grundlage gelegt. Für ihn ist die Ehe kein unwiderrufbares Sakrament mehr, sondern ein „weltlich Ding“. Auch Luther hielt Gottes Schöpfungsabsicht der Ehe hoch. Doch da, wo eine Fortsetzung der Ehe unzumutbar erschien, wo Menschen geschützt werden mussten, wurde auf evangelischer Seite die Möglichkeit eingeräumt, sich scheiden zu lassen – „um der Herzenshärte der Menschen willen“, wie Jesus selbst es formulierte. Daraus folgt auch, dass aus evangelischer Sicht ein erneutes Heiraten mit kirchlichem Segen möglich ist.

Beide Kirchen versuchen also, dem Wort Gottes gerecht zu werden, kommen dabei zu unterschiedlichen Schlüssen. Mir persönlich sind die Worte Jesu aus Matthäus 19 sehr wichtig. Gleichzeitig glaube ich, dass Gott gnädig ist und gebrochene Herzen heilt, Verwundetes verbindet und auf Umwegen Segensspuren säen kann. Das ist ein unverdientes Geschenk seiner Liebe und Vergebung – genau dies ist die Kernbotschaft von Jesus.

Gabriele Berger-Faragó ist evangelische Theologin und (Ehe-) Therapeutin und wohnt mit ihrem Mann und drei Kindern in Heidelberg (www.beratungbergerfarago.wordpress.com).


Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift Family erschienen, die wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.Mehr Infos & kostenlos testen

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