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Evangelisation: Jesus zum Thema machen

Von Jesus reden oder diakonisch handeln – was ist wichtiger? „Weder – noch“, findet der Theologe Arndt Schnepper. Er bevorzugt einen dritten Weg.

Wie können wir Jesus Christus zum Gesprächsthema werden lassen? Wer sich für diese Frage interessiert, weiß, dass sich die Empfehlungen grob gesagt in zwei Lager teilen lassen: Die eine Gruppe favorisiert die sogenannte „missionarische Gesprächsführung“. Die sieht meist so aus, dass man mal aktiv und manchmal auch passiv nach einer Gelegenheit sucht, um über den Glauben zu sprechen. Die zweite Gruppe bevorzugt hingegen den Ansatz des „ansteckenden Christseins“. Die Überlegung ist, als Individuum oder als ganze Gemeinde so zu leben, dass Menschen neugierig werden und darüber ins Gespräch um Gott geraten.

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Beide Ansätze haben, so meine ich, ihre biblische Berechtigung und verweisen auf einen großen Erfahrungsschatz. Manchmal ist es auch eine Frage von persönlicher Begabung und Neigung, welches Modell man stärker verfolgt. Darum ist es meines Erachtens auch verkehrt, den einen Ansatz gegen den anderen ausspielen. Auch hier gilt: Alles hat seine Zeit und seinen Ort.

Grenzen der Sprache und des Tuns

Und dennoch habe ich den Eindruck, dass es Momente gibt, in denen weder das missionarische Reden noch das missionarische Handeln so richtig greifen. Ist es nicht so? Häufig machen wir die Erfahrung, dass das Reden gar nicht so einfach ist. Denn wenn wir ein wenig aus der Deckung kommen, werden wir rasch als übergriffig empfunden. Der feine Grat zwischen Schweigen und zu viel Sagen ist oft schmal. Und auch das ansteckende Handeln hat seine Schranken. Für mein Empfinden überschätzen wir da oft unsere Möglichkeiten. Die Vorstellung, dass unsere Nachbarn uns auf die Schulter tippen und sich erkundigen, warum wir uns so vorbildlich verhalten, ist sehr idealistisch und hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun.

Meine Wahrnehmung ist, dass unter evangelistischen Gesichtspunkten unser Reden die Menschen manchmal überfordert, unser Handeln allein sie dagegen unterfordert. Um nicht missverstanden zu werden: Sowohl das zeugnishafte Reden als auch die Nächstenliebe sind für mich die beiden Grundpfeiler des missionarischen Lebensstils. Und dass wir bei allem nichts von uns aus „machen“ können, sondern auf Gott angewiesen sind, ist mir auch klar. Ich bin aber überzeugt, dass wir gewinnen werden, wenn wir eine dritte Dimension miteinbeziehen. Ich meine hierbei eine Form der Glaubensweitergabe, die Reden und Handeln zusammenbringt. Ich nenne sie einmal das „symbolische Handeln“.

Hierbei geht es darum, zeichenhafte Handlungen zu praktizieren, die ohne viel Reden dennoch sehr mitteilsam sind und somit zum Nachdenken anregen können.

Biblische Grundierung

Diese Form der symbolischen Glaubensweitergabe ist zutiefst im biblischen Denken verwurzelt und zieht sich wie eine goldene Linie durch das Alte sowie das Neue Testament. Einige Beispiel seien genannt: Als Israel die ägyptische Sklaverei verließ und in das neue Land zog, ging es um alles. Man betrat eine neue Welt, die erfüllt war mit fremden Göttern. In dieser kritischen Phase gab Gott seinem Volk mehrere Regeln an die Hand, wie es den Glauben an die nächsten Generationen weitergeben konnte. In 5. Mose 6 werden diese Wege genannt: Zum einen sollte man von Gott und seinem Wort sprechen (Vers 7) – sicher, das ist uns geläufig. Gleichzeitig sollte man aber auch symbolisch auf ihn hinweisen: Etwa, indem man heilige Worte an den Körper (Vers 8), die Tür oder das Tor (Vers 9) anbrachte. Die Menschen sollten also Gottes Wort nicht nur hören, sondern auch sehen.

Jesus als Israelit griff diese Linie auf und setzte sie höchst anschaulich um. Natürlich redete er, auch wenn es den Leuten nicht immer passte. Und selbstverständlich lebte und handelte er, sodass die Menschen am Ende Gott priesen oder ihn fürchteten. Aber er wusste auch beide Momente miteinander zu verbinden. Dann handelte er so, dass jedermann sofort wusste, was gemeint war. Dementsprechend war die Berufung der zwölf Jünger eine deutliche Anspielung auf die zwölf Stämme Israels und somit das neue Verständnis von Gottes Volk. Und die Vertreibung der Händler aus dem Tempel diente als Zeichen, dass es bald einen neuen Ort der Präsenz Gottes geben werde.

Zeichen, die verstanden werden

Wie könnten wir nun heute symbolisch leben? Was können wir tun, dass Reden und Handeln so miteinander verbunden werden? Klar ist: Manches von dem, was in der Bibel geschildert wird, könnten heute nur noch Eingeweihte verstehen. Dazu zählen etwa die zeichenhaften Handlungen, die uns von den Propheten Israels berichtet werden, wie etwa das Zeichen Jesajas, der drei Jahre nackt umherlief, oder das Symbol Hoseas, der eine untreue Frau heiratete. Ich möchte den Blick auf Zeichen und Symbole lenken, die auch heute weitestgehend verstanden werden, und somit auch Wegweiser zum Glauben werden können.

Sie sind allesamt keine exotischen Handlungsanweisungen, sondern seit Jahrhunderten in der christlichen Frömmigkeit verankert und sprechen eine klare Sprache.

Kreuze tragen

Ich beginne mit dem Tragen von Zeichen am Körper. Aufgewachsen bin ich selbst in einer Gemeindewelt, in der Kreuze als Schmuck eher verpönt waren. Man solle Jesus, so die Begründung, nicht um den Hals, sondern im Herzen tragen. Das traf damals sicher auch einen wichtigen Kern. Doch mittlerweile leben wir in einer Welt, in der christliche Symbole alles andere als normal gelten. Im Gegenteil: Wer sie heute nutzt, bekennt eindeutig seinen Herrn. Und ich mache die Erfahrung, dass frisch gewordene Christen sehr gerne solche Zeichen nutzen. Vor einiger Zeit schenkte mir ein Freund ein schönes Kreuz aus Silber. Wenn ich es nun trage, merke ich rasch, wie sehr die Leute es sofort in den Blick nehmen. Es spricht einfach für sich.

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Häuser beschriften

In unseren Altstädten finden sich oft Fachwerkhäuser mit Hausinschriften. Je nach Erbauer finden sich dort entweder allgemeine Lebensweisheiten oder Zitate der Heiligen Schrift. Im zweiten Fall waren es häufig engagierte Christen, die damit ihren Glauben zum Ausdruck brachten. Es fällt nicht schwer, diese Tradition in die Gegenwart zu übertragen. Ich lernte einmal ein Ehepaar kennen, das nach der Hauserstellung einen Bibelvers als Bronzeplatte neben der Eingangstür anbrachte. Das war für Nachbarn und Postboten immer wieder ein willkommener Anstoß, über den Glauben zu sprechen. Und wer in einer Wohnung lebt, kann ebenso ein schönes Segenskreuz oder ein Bibelwort an die Wand hängen. Ob wir dann mit unseren Gästen darüber sprechen oder nicht: Das Zeichen wird gesehen und wahrgenommen.

Grüße entrichten

Das gegenseitige Grüßen ist von alters her eine Höflichkeit, bei dem wir unser Gegenüber wahrnehmen und willkommen heißen. Auch wenn es heute vielen Menschen zunehmend schwerfällt, es zu tun, so wird es eigentlich immer als angenehm empfunden. Nun kann man bekanntlich sehr unterschiedlich grüßen. Meine Erfahrung ist, dass die christliche Variante des Grüßens heute den Aufmerksamkeitspegel spürbar ansteigen lässt.

Wie sähe das aus? Zum einen geht es um die Feiertage, die ja fast alle einen christlichen Hintergrund haben. Ich lade Sie ein, die Probe aufs Exempel zu machen, etwa zu Pfingsten. Grüßen Sie das nächste Mal in der Nachbarschaft oder beim Spazierengehen nicht nur mit einem „Tag“, „Hallo“ oder „Moin“, sondern sagen Sie „Frohe Pfingsten“. Ganz nebenbei dokumentieren wir somit, dass es am besagten Tag nicht nur um freie Zeit geht, sondern dass mehr dahintersteckt. Oder denken wir an den Sonntag. Warum nicht einfach mal einen „Gesegneten Sonntag“ wünschen? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es ist ein Signal, das seine Wirkung nicht verfehlen wird.

Tischgebete sprechen

Das Dankgebet vor dem Essen ist ein persönliches Zeichen – und ein öffentliches. Und es ist viel verloren gegangen, seitdem wir es nicht mehr so häufig praktizieren wie ehedem. Denken wir an die Räume, an denen wir außer Haus zu essen pflegen: die Kantine, die Mensa, das Flugzeug oder das Restaurant. Es sind zumeist Orte, wo Gott weitestgehend außen vor ist. Nichts, aber auch gar nichts weist auf ihn hin. Es wird zwar viel geredet, aber um Gott ist es ziemlich still. Wer hier seine Hände faltet oder sich vielleicht sogar bekreuzigt, weiß um die stille Kraft des Zeichens, das er setzt. Und so wird das Gebet zur Demonstration der göttlichen Wirklichkeit. Wenn man in Gemeinschaft ist, will man sein Gegenüber natürlich nicht brüskieren. Da hilft eine höfliche Frage, ob man kurz vor der Mahlzeit beten darf. Und das ist ein Wunsch, der meistens seine Spuren hinterlässt.

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Etwas zum Lesen geben

Oft sprechen wir heute abfällig von der sogenannten „Traktatmission“. Dabei geht es bekanntlich um die Weitergabe von kleinen Schriften, die zum Glauben einladen. Es stimmt ja: Wer denkt, man könne mit dem bloßen Verteilen von Literatur Menschen für Jesus gewinnen, wird oft enttäuscht. Andererseits kann aber der gezielte Einsatz durchaus Resonanzen erzielen. Je nach Gegenüber reicht manchmal ein Bibelvers, in anderen Fällen ist auch eine ganze Bibel in Ordnung. Indem ich nun solches weitergebe, bringe ich zum Ausdruck, dass dieser Inhalt mir durchaus wichtig ist. Und ich vermittle etwas, was ich im mündlichen Gespräch so rasch gar nicht sagen könnte. Darum haben meine Frau und ich es uns auch zur Gewohnheit gemacht, Handwerkern im Haus oder Postboten anlässlich der Festtage neben dem üblichen Trinkgeld auch eine christliche Spruchkarte oder Ähnliches mitzugeben. Interesse ist die geläufigste Reaktion.

Gott zur Sprache bringen

Erhebungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) legen nahe, dass in Deutschland das Sprechen über religiöse Themen fast nur noch im familiären Raum erfolgt. Im Alltag wird das Reden über Gott dagegen weitestgehend vermieden. Es mag sein, dass die Uhren in unseren Gemeinden noch ein wenig anders ticken. Aber im Großen und Ganzen tun auch wir uns ziemlich schwer. Beginnen wir wieder, Jesus zur Sprache zu bringen. Warum eigentlich nicht?

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Dieser Artikel von Arndt Schnepper erschien zuerst in der Zeitschrift Christsein Heute. Christsein Heute ist das Magazin der Freien evangelischen Gemeinden und erscheint monatlich im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.

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9 Kommentare

  1. Jörg schrieb: „Dialog ist nicht beabsichtigt.“ Das halte ich für eine wichtige Erkenntnis. Ich war enttäuscht, als im Artikel oben nach der großen Ankündigung eines dritten Weges „nur“ symbolische Handlungen übriggeblieben sind. Sicher sind alle diese drei „Wege“ wichtig. Aber es fehlt völlig der Blick aufs Gegenüber. Wahrnehmen des anderen Menschen. Nicht nur als Missionsobjekt. Sondern sich auf den Kontakt einlassen, auf Begegnung einlassen. Nicht als Schriftbesitzer. Sondern als Menschen, die selbst noch auf dem Weg sind. Darin auch sich selbst in Frage stellen lassen. Kann ich die Sehnsucht und die Schmerzen meines Gegenübers wahrnehmen, seine / ihre Erfahrungen, Enttäuschungen, Ängste und Hoffnungen? Aber dies nicht distanziert analysieren oder sezieren. Nicht sofort einen Bibelvers darüber kleben. Sondern erst mal nur wahrnehmen, liebevoll und demütig. Ohne Bevormundung. Ohne mit Glaubensrezepten zu werfen.
    Durch wirklichen Kontakt kann etwas entstehen. Blaise Pascal legte Jesus die Worte in den Mund: “ Du würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht gefunden hättest.“ Können Sie wahrnehmen, dass Sie von dem, den Sie eben noch bekehren wollten, selbst etwas für Ihren Glauben lernen können?
    — Ich finde die evangelikale Engführung oft extrem unchristlich: den Zwang, das Gegenüber zu bewerten, als gläubig oder ungläubig einzuteilen, obwohl dies nur Gott zusteht.

  2. Abgesehen vom 2. Satz kann ich dem sogar zustimmen, insbesondere den Teil der Vergebung. Das wäre Mission, an der nichts auszusetzen wäre. Sofern wirklich etwas zu vergeben vorliegt natürlich.

    Aber zum 2. Satz: Wer entscheidet, ob etwas übergriffig ist? Der Missionar oder sein Gegenüber?

    • Ich habe grundsätzlich etwas gegen jede Formen von Mission/Evangelisation, die mit Angst, theologischen Vereinfachungen und Psychomethoden arbeiten und die wie die unerwünschten Vertreter wieder durch die Hintertür kommen, von sie forne nicht hereingelassen werden. Es liegt aber absolut in der Natur der Sache, dass da die Missionierenden und Evangelisierten verantwortlich sind.

      • Moin,

        wen meinst Du mit ‚Evangelisierten‘?

        Ja, diese extremen Formen der Missionierung lehnen hoffentlich die meisten ab.

        Aber schau Dir den Text oben mal an: Eine Gruppe kommt gar nicht vor: Die, die missioniert werden sollen. Und das ist typisch. Denn sie interessieren nicht wirklich oder eben eher als Objekt und nicht als Subjekt.

        Mission will einem anderen die eigene Überzeugung vermitteln. Sie will nichts annehmen und vor allem schließt sie aus, dass sie ja evtl. falsch liegen könnte.

        Es ist also kein Dialog beabsichtigt oder allenfalls dazu, die Schwachstellen des anderen auszuloten, wo man reinstechen könnte.

        Fragen, woran der andere glaubt, dienen nicht dem Interesse, etwas über dessen Glauben/Nichtglauben zu lernen sondern nur, um mitzuteilen, warum das nur falsch sein kann. Das Gegenüber interessiert nicht wirklich, es geht viel mehr um egozentrische Selbstverwirklichung. Man will seine Überzeugung verbreiten.

        Klar reden Missionare sich dabei ein, dass sie ja das Wohl, gar die Seele des anderen nur retten wollen. Schon dieser Ansatz ist überheblich und lässt keinen Dialog auf Augenhöhe zu. Wer Recht hat, steht von vornherein fest und ist nicht verhandelbar.

        Mal ein paar Erlebnisse der letzten Jahrzehnte aus der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs, früher mal Missionsgebiet diverser Gruppen (inzwischen sind da aber schon seit Jahren keine mehr):
        – Da war der selbsternannte Prediger, der wirklich eine Stunde lang Bibelstellen und Aufrufe schreien konnte (Hamburger werden meist wissen, wen ich meine). Und wirklich nur schreien. Ich habe ihn nie irgendjemand zuhören sehen oder auch nur im Gespräch mit jemanden erlebt.
        – Die Zettelverteiler (siehe Text oben), die einem schnell und ohne Vorwarnung so einen kleinen Zettel mit Bibelspruch und kurzem Text in die Hand drücken und sofort verschwinden, bevor man überhaupt realisiert hat, was man da in der Hand hat.
        – Schon fast anrührend: Der ältere Herr mit dem Schild, dass das Ende nah ist. Er will zwar auch nicht mit einem reden, aber immerhin stört er auch niemanden.

        und dann die Missionsgruppe irgendeiner Freikirche. Ich lies mich mal von einem ansprechen und es entwickelte sich ein Gespräch. Nun bin ich diesbezüglich sicherlich kein leichter Gesprächspartner, da ich die christliche Bibel und Historie oft besser kenne als Missionare (was ja aber eigentlich kein Problem sein sollte). Schnell gesellten sich 3 weitere dazu, die ständig in ihrer Bibel kramten und mir nur so Stellen für ihre Argumente an den Kopf warfen. Also 4:1 , da machen Diskussionen und Dialog auch nicht so richtig Spaß.

        Aber es gibt ja in unmittelbarer Nähe eine gute Missionierungsart: Das Forum von jesus.de. Daran ist überhaupt nichts auszusetzen: Jeder kommt da freiwillig hin, Nichtchristen sind herzlich willkommen und die Diskussionen sind völlig offen. So was ist gut und nicht das, was der Text oben vorschlägt.

        • Mission und Dialog ist kein Grundsatzwiderspruch

          Moin Jörg. Ich komme spät auf deinen Kommentar vom 1. August zurück. Der ist allerdings sehr schwierig beantwortbar. Vor allem deshalb, weil ja alles was wir als Menschen vertreten, immer unsere Meinung und/oder unsere mehr oder weniger feste Überzeugung ist. Mission bzw, Evangelisation ist dann inhaltlich meine Meinung, feste Überzeugung und auch gewonnen aus eigener Glaubenserfahrung. Zudem berufe ich mich da auf die Autorität Jesu, so wie sie von den vielen Zeugen in der Bibel überliefert ist. Nun war die Zeit der irdischen Mission des Menschensohnes Jesus keine Zeit des Dialoges. Wenn Mission heute eher ein längerfristiger Prozess ist – etwa in Form auch kirchlicher Entwicklungshilfe, diakonischer Projekte usw. – schließt diese unbedingt den Dialog mit ein. Heute wird man wohl kaum noch den Glauben mit der Holzhammermethode kommunizieren, und nicht kulturelle Sitten und Symbole verdammen, sondern eher an den alten Ritualen, Denkweisen und Glaubensvorstellungen anknüpfen. Damals hätte sich der Papst keinen Indianerschmuck angezogen, heute tut er das. Selbst der erzkonservative Kardinal Müller, im Streit mit Franziskus abberufen, der den Synodalen Weg gegenüber fremdelt, ist ein Vertreter der Befreiungstheologie. Ich selbst habe 1980 die Einschusslöcher in einer Bischofskirche in Guatemala gesehen, wo der Bischof zur Schießfigur wurde und sein Leben bedroht wurde, weil die örtliche katholische Kirche Anwalt der armen Leute war. Das war und ist also nicht alles und überall von oben herab. Bei Evangelisation schließt dies den Dialog nicht aus. Eine protestantische Weltsynode (das Buch habe ich nicht mehr) tagte in den 1950er Jahren in Indien und teilte in den Protokollen mit, dass die Synodalen auch die Wichtigkeit ihrer Überzeugung mit einbrachten, dass der Geist Gottes und in soweit auch Jesus Christus selbstverständlich auch in anderen Religionen wirkt. Ich selbst lasse mich in christliche Schubladen wie evangelikal oder liberal nicht mehr hineinschieben. Dazu habe ich zu viele auch gute Erfahrungen mit sehr überzeugenden Menschen aus Freikirchen gemacht. Nur ist mir das Charismatische wichtiger als übertriebene Betonung des Dogmatischen. Als Evangelischer könnte ich überzeugend nicht selten den katholisch geprägten Satz mitsprechen: „Geheimnis des Glaubens“. Weder können wir das Universum und seine grundlegenden Strukturen wirklich vollständig verstehen, noch ist es völlig unmöglich Gott zu begreifen oder zu analysieren. Eine Wirklichkeit die wie Gott unendlich ist, lässt sich nicht um Gegenstand machen wie Tisch, Stuhl oder Computer. Allerdings – das gebe ich gerne zu – gibt es Fundamentalisten, die Gott sehr verdinglichen und ihn so den eigenen Neigungen anpassen, das da manchmal nicht viel mehr übrig bleibt als eigene Ideen und Projektionen eigener Überzeugungen. Volkstümlich: Im Himmel teilt man überhaupt nicht unsere Vorurteile – weder über die Menschen, noch über den Schöpfer.

  3. Die ganze Menschheit ist wie der Verlorene Sohn in Gleichnis

    Mission bzw. Evangelisation ist nicht übergriffig. Übergriffigkeit bestände darin, jemanden gegen seinen ausdrücklichen Willen immer wieder mit etwas (regelrecht) zu belästigen, was er/sie nun überhaupt nicht möchte. Das ist so etwas wie Zwangsmissionierung. Auch wenn dies verbunden wäre, vor Gott Angst zu machen und dazu vielleicht auch noch die Moralkeule zu schwingen.

    Als junger nachpubertärer Mensch hat mich dies – obwohl, ich vorher eher deren Freund war – regelrecht zum Gegner des Evangelikalen gemacht. Denn ich war akut erstmals unendlich verliebt, der Himmel hing voller Geigen und die Hormone spielten verrückt. Aber der Prediger vor den Tausenden zählte unzusammenhängend alles auf, was Jesusnachfolger nicht verkörpern sollten. Dazu zählte unausgesprochen auch das große Thema Sexualität, und wie sollte ich da meinen eigenen Weg zu ihr finden, oder überhaupt einen ? Später wurde mir immer deutlicher, dass man Jesus und seine Mission, in der ja immerhin der große universelle Gott selbst ein richtiger Mensch wird, auch als eine ganz tiefgehende seelische Befreiungsbewegung verstehen sollte. Es geht nicht in erster und auch nicht in zweiter Linie im Moral, sondern um Liebe. Gott ist Liebe und dann können uns alle Dinge zum Besten dienen (sie können, aber sie müssen nicht). Geschwister der Liebe sind Barmherzigkeit und Gerechtigkeit.

    Arndt Schnepper schreibt: „Hierbei geht es (auch) darum, zeichenhafte Handlungen zu praktizieren, die ohne viel Reden dennoch sehr mitteilsam sind und somit zum Nachdenken anregen können“! Das halte ich für außerordentlich wichtig, vor allem wenn wir richtigerweise versuchen, unsere Lebenspraxis sowohl als Botschafter*innen für das Evangelium als auch im diakonischen Handeln zu verstehen. Eine zeichenhafte Handlung könnte ja auch ganz einfach aus dem Versuch bestehen, dem Anderen zu vergeben und ganz genau auch zu sagen was dies beinhalten: Es ist durchgestrichen, das Geschehene zur Ursache einer Feindschaft zählt nicht mehr. Und ich werde dich nicht auf diese Ursache festlegen oder in eine gedankliche Schublade stecken. Das 77×7 zu vergeben, also immer und ohne Ende zu verzeihen, ist deshalb so grandios zeichenhaft, weil wir da Gott selbst nachahmen. Der ist nämlich immer der Vater im Gleichnis vom Verlorenen Sohn und nimmt ihn wieder auf. Dies muss damals zu Jesu Zeiten ungewöhnlich gewesen sein. Heute ist das Vergeben völlig in Vergessenheit geraten. Vielleicht deshalb, weil wir uns irrtümlich doch für wunderbare gute Menschen halten, aber die Unsympathischen dagegen kaum. Weder die damaligen Herrscher noch heutigen demokratischen Politiker*innen wird man in der Regel auf eine solche Verhaltensweise festlegen können. Da geht es, wie auch sonst überall im gesellschaftlichen Diskurs, vor allem um das Sündenbockspiel.

    Es muss ja für alles einen Schuldigen geben, notfalls ist er das qua Amt. Als Oppositionspolitiker hätte man keine Chance einer Kariere und schon gar nicht bei einem Teil des Wahlvolkes. Die Feinde zu lieben ist dabei als Jesu Forderung in der Bergpredigt überhaupt keine völlige Übertreibung einer an sich schon (empfundenen) ziemlich weltfremden Haltung. Aber vielleicht gäbe es mehr Feindesliebe, wenn mal jemand zu erklären versuchte, dass man sich einen wunderbaren Feind, vielleicht der Nachbar hinter dem Gartenzaun, in einem längeren Prozess zum wirklichen Freund machen kann. Wie würde die Welt aussehen, wenn wir dies alle in ganz bescheidenem Maße betreiben würden ?

    Vielleicht geht es bei der Jesusnachfolge auch nicht immer und vorwiegend darum, viele fromme Worte fast inflationär zu benutzen. Als wir als Jugendliche und junge Erwachsene begeisternd Evangelisation betrieben haben, war die (nicht ganz unberechtige) innerkirchliche Kritik: „Ihr verteilt gedankliche kleine Jesuspillen. Wer die schluckt, wird unheimlich glücklich“! Das hat uns sehr getroffen.

    Aber vielleicht liegt die Wahrheit auch im Umkehrschluss, was ein älterer Pfarrer uns einmal mit auf den Weg gab: „Man muss auch bereit sein, den Willen Gottes wirklich zu tun und nicht nur davon zu reden“!. Da denke ich unvermittelt auch an die Bergpredigt und die aufregende Information dazu, dass die Bergrede Jesu auch heute noch universal gültig und verständlich und wirklich auch für alle Völker und Menschen global richtig ist. Wir sind als Christinnen und Christen sehr glaubwürdig, wenn wir das Tun – als unsere Lebenspraxis – und die Weitergabe der frohen Botschaft durch Worte – zu einer untrennbaren Ganzheitlichkeit verschmelzen. Was beispielsweise bei der Forderung Jesu der Feindesliebe so aufregend ist besteht in dem Umstand, dass alles war hier irdischerseits von uns allen gefordert ist, von Gott selbst praktiziert wird: Gott liebt seine Feinde und wenn der dies tut in seiner Vollkommenheit, dann will er die Menschen nicht vernichten. Jede und jeder wird immer wieder in Zeit und Ewigkeit in der liebevollen Position sein, eine verlorene Tochter und ein verlorener Sohn zu sein. Die ganze Menschheit befindet sich in dieser Situation. Nur deshalb ist Jesus gekommen. Also wie ein Arzt, der helfen wird. Und als jemand, der die ganzen Schöpfung erneuert und erlöst. Der/die Empfänger/in unserer Botschaft müssen ein berechtigtes Gefühl dafür entwickeln, dass sie er persönlich gemeint sind. Und zwar von einer unendlichen geistigen Wirklichheit Gottes, die alles verwandeln will in eine Neuschöpfung des Universums. In diesem Sinne muss Evangelisation immer alle Menschen positiv meinen, wie dies auch bei diakonischen Angeboten und Hilfen andererseits aber lange selbstverständlich ist.

  4. Mission heißt: Ich will was geben (teilweise ‚ich muss unbedingt was geben‘)

    Vielleicht sollte man sich aber doch auch mal die Frage stellen: Will der andere das überhaupt haben?
    Falls nicht, sollte man sich nicht wundern, dass das eigene Verhalten als unangenehm bis übergriffig empfunden wird. Übrigens jede der genannten Missionsarten.

    • Mir ist erst spät aufgegangen, dass auch Jesus viele Dinge von sich gab, die andere nicht hören wollten. Von daher stellt sich mir diese Frage manchmal nicht, Joerg.

      Jesu Worte konnten Pharisäer und Schriftgelehrte zur Weißglut bringen, weil sie sehr genau die Symbolik dahinter verstanden, die sich heute dem „normalen“ Bibelleser erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließt. So beanspruchte er z.B. mit den „Ich bin“-Worten nicht nur Gottes Vollmacht für sich (im Alten Testament sind sie fast ausschließlich ein Zeichen der Selbstoffenbarung Gottes: „Ich bin der HErr, dein Gott, der HErr der Heerscharen, der HErr dein Arzt“ usw.) Er übertrug diese Vollmacht, was in ihren Augen mindestens genauso schlimm war, auch noch auf seine Jünger: Ihr seid das Licht, das Salz… Hinzu kam noch, dass Jesu Machtanspruch durch Zeichen untermauert wurden: Manche Krankheiten konnte laut Torah ausschließlich Gott selbst heilen, etliche Wunder waren ein eindeutiger Hinweis auf den Messias.

      Auch damals schon galt Jesu Wirken und das seiner Jünger als unangenehm bis übergriffig. Auch, und vor allem, wenn Menschen direkt dadurch berührt wurden. Das hielt sie jedoch nie davon ab, ihrem Auftrag öffentlich nachzugehen. Wieso sollten wir uns also heute verstecken?

      Mehr noch: Mir sind in unzähligen Wohnzimmern, Treppenhäusern und sogar an Außenfassaden anthroposophische, esoterische oder gar okkulte „Weisheiten“ begegnet, die offenbar keinen stören. Besucher und Passanten lesen sie. Scheinbar desinteressiert, doch selten ohne Wirkung. Viele haben sich mit der Zeit ins Weltbild der Leser eingeschlichen, wurden fast unmerklich um Teil ihrer Lebensphilosophie. Wieso also sollten wir als Christen Gottes Wort und unseren Glauben verborgen halten, nur weil sich eventuell jemand daran stören könnte?

      Was jedoch unangebracht ist, sind die „Tod- und Teufel- Predigten“, wie man sie auch immer wieder in sozialen Netzwerken findet. Wenn jemand mit erhobenem Zeigefinger allen erklärt, dass sie unweigerlich verloren sind, wenn sie nicht sofort umkehren, dann ist das eher kontraproduktiv. Man könnte gar darüber diskutieren, ob solche „Superfromme“ eine Mitschuld trifft, wenn andere nicht mit Jesus zu tun haben wollen.

      Dies ist nur ein Teil der Gründe, die m.E. für die Evangelisation durch Worte, Symbole und Taten sprechen. Jesu Missionsauftrag in Mt. 28 lautete auch nicht: „…macht zu Jüngern alle, die signalisieren, dass sie bereit sind, davon zu hören..!“

      • Nun, wer übergriffig ist, darf sich dann nur nicht über entsprechende Reaktionen wundern.

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