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Urteil: Religion darf bei Einstellung nicht zwingend Thema sein

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat am Donnerstag (26. Oktober) ein wegweisendes Urteil zur kirchlichen Einstellungspraxis gesprochen. Danach dürfen kirchliche Arbeitgeber die Religionszugehörigkeit nicht in jedem Fall zur Voraussetzung bei Stellenbesetzungen machen.

Die Richter sprachen der Berlinerin Vera Egenberger, die sich als Konfessionslose erfolglos um eine Stelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben hatte, eine Entschädigung zu. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßte das Urteil. Hingegen zeigten sich Diakonie und Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) enttäuscht.

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Die Klägerin Egenberger erhält eine Entschädigung in Höhe von 3.915,46 Euro. Sie zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. „Die Punkte, die ich kritisiert habe, wurden aufgegriffen und anerkannt, dass es dazu künftig eine andere Einschätzung geben muss“, sagte die Sozialpädagogin in Erfurt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie gehört keiner Kirche an, diese Mitgliedschaft war in der Ausschreibung für eine Referentenstelle neben der fachlichen Qualifizierung aber vorausgesetzt worden. Daraufhin machte die Klägerin eine Diskriminierung aufgrund der Religion geltend.

Klägerin wurde von Diakonie benachteiligt

Das Bundesarbeitsgericht gab ihr recht. Die Diakonie habe die Klägerin benachteiligt, hieß es in der mündlichen Begründung des Urteils. Die Vorsitzende Richterin Anja Schlewing führte aus, dass die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) formulierte Ausnahme, nach der Religionsgemeinschaften als Arbeitgeber ein Bekenntnis zur Voraussetzung machen dürfen, in diesem Fall keine Anwendung gefunden habe.

Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in dem Fall. Die Luxemburger Richter hatten im April entschieden, dass die Anforderung einer Kirchenmitgliedschaft im konkreten Fall „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sowie gerichtlich überprüfbar sein müsse. Dieses Urteil war laut Schlewing nun maßgeblich für das Bundesarbeitsgericht. Man habe im vorliegenden Fall erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung gehabt, erklärte die Richterin.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßte das Erfurter Urteil. Dieses schaffe mehr Gerechtigkeit. „Gut, wenn bei verkündigungsfernen Tätigkeiten auch für kirchliche Arbeitgeber nur noch die Eignung und Qualifikation zählen darf und nicht mehr so etwas sehr Persönliches, wie der Glaube. Das hat das BAG jetzt bestätigt“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. „Wir fordern die Kirchen auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und endlich auch in ihren Betrieben weltliches Arbeitsrecht anzuwenden“, erklärte Bühler.

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Diakonie und EKD zeigen sich enttäuscht

Diakonie und EKD reagierten hingegen enttäuscht auf das Urteil. „Dieses Urteil kann uns nicht zufriedenstellen“, sagte Diakonie-Präsident Lilie in Erfurt. Die Erfurter Entscheidung habe „das Zeug zum Grundsatzurteil“. Er rechne nun für die Diakonie mit erheblichen Konsequenzen. EKD und Diakonie werten das Urteil als „Abweichung zur langjährigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“. Sie wollen nun Begründung und Konsequenzen prüfen. Dazu gehöre auch die Prüfung, „ob gegen den Eingriff in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht das Bundesverfassungsgericht angerufen wird.“

„Es muss der Kirche und Diakonie möglich bleiben, die kirchlichen Aufgaben aus einer christlichen Perspektive zu erfüllen“, sagte EKD- Kirchenamtspräsident Hans Ulrich Anke. Das hänge auch davon ab, Mitarbeitende auswählen und einstellen zu können, die sich mit ihrer Mitgliedschaft zum Auftrag der Kirche bekennen.

Auch für diese Stelle sei eine Person erforderlich gewesen, die sich stark mit den christlichen Werten identifiziert und zu ihnen durch die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche bekennt, so Lilie. Die Klägerin habe darüber hinaus aber nicht einmal die erste formale Einstellungsvoraussetzung erfüllt: Sie habe keinen Masterabschluss nach einem wissenschaftlichen Hochschulstudium – Jura oder ein vergleichbares Fach – nachweisen können. Deshalb sei sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.

Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig geht davon aus, dass das Urteil die Einstellungspraxis der kirchlichen Arbeitgeber nicht grundsätzlich verändern wird. Arbeitsstellen mit Aufgaben in der Verkündigung und Glaubensvermittlung könnten nach der Rechtsprechung des EuGH weiter mit einem Konfessionserfordernis versehen werden, sagte der Göttinger Rechtswissenschaftler dem epd.

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„Auch für Leitungsfunktionen werden besondere Loyalitätsobliegenheiten einer gerichtlichen Prüfung standhalten“, sagte der Jurist. In vielen sonstigen Bereichen arbeiten laut Heinig in der evangelischen Kirche bereits bislang Menschen mit, die nicht Mitglied der evangelischen Kirche sind.

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