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Ole Ronkei: Vom Hirtenjungen zum Weltbankberater

Als Junge trieb er die Rinderherden seines Massai-Stammes durch die Steppen Ostafrikas. Später machte er in den USA Karriere als Universitäts-Professor und Weltbankberater. Heute arbeitet Ole Ronkai für das Kinderhilfswerk Compassion International. Mit uns sprach Ronkei über die Unterschiede zwischen afrikanischer und westlicher Kultur, Kinderpatenschaften und die Frage, wie sinnvoll Spenden überhaupt noch sind.

Jesus.de: In der Bibel wird an verschiedenen Stellen berichtet, dass sich Bekehrte „mit ihrem ganzen Haus“, also der Familie und allen Angestellten, taufen ließen. Offen bleibt die Frage, ob sich tatsächlich alle mit dem neuen Glauben identifizieren konnten. Hier in Europa wird heute vor allem in den Freikirchen sehr großes Gewicht auf die individuelle Bekehrung gelegt. Wie ist das in Ihrer Heimat? Bei den Massai haben Familie und Clan einen höheren Stellenwert als bei uns. Ergeben sich daraus auch Unterschiede in der Glaubenskultur?

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Ole Ronkei: Ich denke, das Entscheidende für diese Frage ist die Art und Weise, wie das Christentum nach Afrika kam. Ihr, das heißt die Europäer, habt es zu uns gebracht – inklusive europäischer Kultur. Und das alles mit dem Anspruch: Die Art, wie wir glauben, ist die richtige. Also ist auch der Weg, wie ihr Christen geworden seid, automatisch der richtige Weg. Wenn dann ein Afrikaner mit seiner ganzen Familie zu Euch kommt, um alle taufen zu lassen, dann lehnt ihr das ab, weil in euren Augen „zum Glauben kommen“ so nicht funktioniert. Und weil wir von euch immer gesagt bekamen, welcher Weg gut ist und welcher nicht, machen wir es irgendwann auf eure Weise. Nicht, weil das der richtige Weg ist, sondern weil es der einzige Weg ist, den ihr uns beigebracht habt. Das ändert allerdings nichts daran, dass in Afrika die ganze Familie mit zur Kirche kommt, sobald sich das Familienoberhaupt zu Christus bekehrt. Wenn du den Kopf kriegst, kriegst du die Familie. Der Mann muss einfach nur sagen: Wir gehen in die Kirche – und seine vier Frauen und 22 Kinder werden mitkommen. (lacht) So ist das in unserer Kultur.

Ein Kapitel des Buchs, das kürzlich über Sie erschienen ist, schließt mit dem Satz: Bildungschancen durch Beziehungen werden immer wichtiger, auch für uns in der westlichen Welt. Ist es in Afrika so, dass man nur Aussicht auf eine gute Ausbildung hat, wenn man ein funktionierendes soziales Netzwerk hat?

Was tut man, wenn man zwar die Qualifikation aber nicht das nötige Geld hat, um die Schule oder Universität zu besuchen? Bei uns geht man dann zu seinen Freunden und bittet sie um Geld. Der eine gibt fünf Euro, der andere 500. Am Ende hat man genug zusammen, um zum Beispiel studieren zu können. In unserer Kultur ist das ganz normal. Wir wissen: Derjenige, der uns um Geld bittet, hat die finanziellen Möglichkeiten nicht. Aber wenn wir zusammenlegen und jeder so viel gibt, wie er erübrigen kann, wird vieles möglich. Ich selbst habe das drei oder vier Mal selbst erlebt. Als ich Unterstützung brauchte, haben mir Leute Geld gegeben. Manche haben mir – tatsächlich – nur einen einzigen Euro auf den Tisch gelegt. Zum Schluss hat es aber immer gereicht. So habe ich zum Beispiel mein Startkapital für mein Studium in den USA zusammenbekommen. Das Wichtigste ist: Die Menschen wollen ihren Teil dazu beitragen, wenn sie sehen, dass jemand eine Chance bekommt. Und sie sind bereit, für ihn einzuspringen und das bisschen einzusetzen, was sie haben.

Wir hier in Deutschland sind oft zu stolz, um Hilfe anzunehmen – vor allem in Form von Geld.

Als ich in den USA lebte, lernte ich einen jungen Mann kennen, dessen Geschichte mich ziemlich überrascht hat. Sein Vater war sehr reich. Als er seinen Highschool-Abschluss machte und aufs College ging, sagte er seinem Vater, der ihm die Ausbildung finanzieren wollte, dass er das nicht wolle. Ich konnte das damals einfach nicht fassen: Da hat einer einen Vater, der das Geld wirklich hat und der auch für seinen Sohn zahlen möchte, und der Sohn sagt: „Nein“! Das hat mich schockiert. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich dieses Verhalten verstanden habe. Da, wo ich herkomme, schmälert es die Menschenwürde nicht, wenn man Geld annimmt. Bei uns ist es viel entscheidender, was man mit dem Geld und auch dem Vertrauen, das man geschenkt bekommen hat, tut. Denn die Menschen, die dir finanziell unter die Arme greifen, haben auch bestimmte Erwartungen an dich. Sie hoffen, dass du, wenn du mit deiner Ausbildung fertig bist, die Möglichkeit hast, wiederum anderen zu helfen. Deshalb sollte man verantwortungsvoll mit dem umgehen, was man an Hilfe bekommt.

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Die Compassion-Arbeit, die Sie seit einigen Jahren machen, funktioniert ja nach einem ähnlichen Prinzip. Kinder werden durch Sponsoren gefördert. Spielen Ihre eigenen Erfahrungen mit dieser Art von Hilfe eine Rolle für Ihre Arbeit?

Ich glaube an diese Art der Förderung. Nicht nur, weil ich persönlich einmal davon profitiert habe, sondern auch, weil ich immer wieder erlebe, wie sich das Leben von Menschen verändert, denen wir unter die Arme greifen. Nehmen Sie das bedürftigste Kind, an das Sie denken können. Und dann stellen Sie sich vor, dass Sie zusehen dürfen, wie dieses Kind, das in einer kleinen Hütte aufgewachsen ist, seinen Universitäts-Abschluss in Architektur macht. Dieses Kind, das aus so einfachen Verhältnissen kommt, ist jetzt in der Lage, die tollsten Gebäude zu entwerfen. Wenn ich so etwas sehen darf und dann auch noch sehe, dass die jungen Leute, denen wir helfen durften, jetzt Christen sind, dann bedeutet mir das viel. Wir haben sie auf ihrem ganzen Weg begleitet. Wir haben sie nicht dazu gezwungen, Christen zu werden, aber die allermeisten, die graduieren, sind gläubig. Sie haben einen festen Grund. Das allein ist mir Inspiration genug.

In Deutschland stellen immer mehr Menschen fest, dass es eine „relative“ Armut auch bei uns gibt. Langzeitarbeitslosigkeit, Hartz IV usw. Es ist denkbar, dass es in Zukunft zunehmend Spenden für Projekte hier bei uns geben wird. Vielleicht würde dann weniger Geld nach Afrika fließen. Könnte das ein Problem werden?

Die Frage ist doch: Wie lange wollt ihr überhaupt noch für Afrika spenden? Und welche Art zu geben ist das? Meines Erachtens sollte darüber kritisch diskutiert werden. Einfach nur zu spenden, löst die Probleme, die wir haben, nicht. Es schafft vielleicht sogar neue Probleme. Zu geben ist gut, keine Frage. Entscheidend ist aber, auf welche Art und Weise das geschieht.

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Sie finden also, wir sollten grundsätzlich unsere Art des Spendens überdenken?

Können Sie mir sagen, welche Auswirkungen das ganze Geld gehabt hat, dass ihr in den vergangenen 30 Jahren nach Afrika geschickt haben? Wenn Sie mir wirklich die positiven Auswirkungen zeigen können, die diese Spenden rechtfertigen, dann sage ich: Macht weiter damit. Es ist immer wieder wichtig, sich zwischendurch zu fragen, ob das, was man gibt, auch wirklich einen Nutzen hat. Lassen Sie uns z.B. die nächsten 50 Jahre ins Auge fassen und uns fragen: Was wollen wir erreichen? Davon ausgehend können wir dann immer wieder, nach zwei, fünf, zehn Jahren überprüfen, ob wir noch dabei sind, unsere Pläne zu verwirklichen. Und wenn wir bei der 50 angekommen sind und unser Ziel erreicht haben, dann wissen wir, wofür wir das alles getan haben. Aber wenn wir uns keine Ziele stecken, dann könnt Ihr immer weiter Geld nach Afrika pumpen und es macht überhaupt keinen Unterschied. Oder verschlechtert die Situation sogar.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr über Ole Ronkei und seine ungewöhnliche Biographie erfährt man in dem Buch „Mein Herz in Afrika“ von Journalist Andreas Malessa.

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