Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Was ist eigentlich viel Geld?

Kürzlich bekam Tom Laengner von Jesus einen „Tritt vors Schienbein“. Es ging um Ausbeutung und den Umgang mit Geld.

Nehmen wir mal den Jesus. Der verdient laut Sky Sport Austria aktuell etwa 221.000 Euro; also nicht im Jahr, sondern pro Woche. Der 26-jährige, der in den Favelas von Sao Paolo aufwuchs, kickt für den FC Arsenal. Mit dem Namensvetter aus Nazareth ist er weder verwandt noch verschwägert.

Der Ur-Jesus hätte so viel Tische und Bänke zimmern können, wie er wollte. Aus ihm wäre nie ein Millionär geworden. War er also faul und nicht ambitioniert genug? Wahrscheinlich ist das nicht ganz der Punkt. Der Mann aus Nazareth war so radikal anders orientiert! Er hatte kein Geld, keine politische Macht, keine strategischen Kontakte und keine akademischen Titel. Eigentlich hatte er gar nichts. Daraus entstand dann im Laufe der Jahre erstaunlich viel.

Bin ich reich?

Im Gegensatz zum Jesus der Bibel, der sich aus materiellem Besitz nicht viel gemacht hat, habe ich viel Geld und mache damit vielleicht zu wenig. Selbst als Empfänger von Bürgergeld gehörte ich zu den reichsten Menschen auf diesem schönen Planeten. Nehmen wir mal an, ich bekäme als Einzelperson inklusive Warmmiete 1.062 Euro im Monat. Das finden wir im Bundesdurchschnitt nicht viel. Davon unbeeindruckt wären 88 Prozent der Weltbevölkerung ärmer als ich. Reich und arm; das ist wohl eine Frage der Betrachtungsweise. Gabriel Jesus sagte rückblickend auf seine Zeit in Brasilien: „Wir waren nicht arm. Wir hatten immer genug zu essen“. Bin ich dann nicht reich?

Jesu Worte, entweder Gott zu dienen oder dem Geld, empfinde ich heute als Warnung. Wenn ich zu Beginn des dritten Jahrtausends in Deutschland weiteres Wirtschaftswachstum erstrebe, könnte der Nazarener das vielleicht als reinen Irrsinn betrachten. Vielleicht lacht er sich über so viel Dummheit auch nur schlapp. Ob er wirklich ständig an meiner Seite sitzt? Oder ob er es eher mit Udo Lindenberg hält, der mit seinen Kumpels durch dick und dünn geht, aber nicht durch dick und doch? Möglicherweise war Jesus aber interessiert dabei, als ich jüngst bei ARTE eine Dokumentation gesehen habe. Da bekam ich richtig heiße Ohren. „Kobalt, die dunkle Seite der Energiewende“ heißt der Film. Kobalt ist wichtig für die Akkus unserer emissionsfreien E-Mobilität. Diese Erze kommen überwiegend aus Minen im Kongo. Das führt in Ostafrika zu massiven Umweltschäden. Und: lebenslange Armut ist den lokalen Arbeiterinnen und Arbeitern garantiert. Tageslöhne im Werte einer Mahlzeit an Bohnen, Reis oder Maniok lassen keine großen Sprünge zu. Für die Kinder, die dort arbeiten, sind im schlimmsten Falle Prügel und eine Banane am Tag drin. Die Menschen dort bringen Opfer, damit ich in Deutschland keine Opfer bringen muss. Spätestens jetzt hatte ich den Eindruck, dass Jesus, den ich ja neben mir vermutete, mir feste vors Schienbein trat. Ich täte gut daran, mir das zu verdeutlichen.

Wofür gebe ich mein Geld aus?

Und jetzt? Mich lässt der Film etwas ratlos zurück. Aber ich muss einen falschen Weg nicht unbedingt weiter gehen, nur weil ich dort in großer Vertrautheit schon so lange unterwegs war. Doch da fällt mir etwas ein. Man kann natürlich nicht überall helfen. Wir Deutsche spenden ja ziemlich viel. Die Evangelische Kirche im Deutschland beschrieb im Sommer 2023 die „Spendenbereitschaft als besonders hoch“. 12,9 Milliarden waren 2022 zusammengekommen. Diesen Betrag empfände sicherlich auch Gabriel Jesus von Arsenal als hoch. Gleichzeitig berichtete die Tagesschau Mitte November, dass in Deutschland 13,4 Milliarden für Glücksspiel ausgegeben werden. Glücksspielerinnen und Glücksspieler sind mit ihrem Unsinn nicht allein. Weitere 70 Milliarden verbraten wir in Deutschland für den Konsum von Alkohol, Pornos und Zigaretten, auch wenn da nachweislich nirgendwo Vitamine drinstecken.

Einmal war ich in der Schweiz bei einem Festival. Es war kalt, windig und der Regen schwemmte Zelte und Zuversicht weg. Da platzte der Tochter eines Freundes der Kragen. „Papa“, so forderte sie, „wir machen jetzt mal richtig Stimmung!“ Na, da waren wir aber gespannt. „Also“, fuhr sie fort, „wir sollten jetzt mal in der Bibel lesen. Aber sofort!“ Wir waren platt! Ist die Bibel nicht das Buch, was in Kirchen häufig so seelenlos vorgelesen wird, dass sich dagegen die Datenschutzbestimmungen der Dortmunder Stadtverwaltung wie ein Abenteuerroman lesen?

Gabriel Jesus – ein Vorbild

Aber was wäre, wenn das ein wirkungsvoller erster Schritt auf einem brandneuen Weg wäre? Gott sagte mal einem seiner Mitarbeiter: „Rufe mich an, so will ich dir antworten und will dir kundtun große und unfassbare Dinge, von denen du nichts weißt“.
Es könnte ein langer Weg werden. Aber es gibt ja auch viele kaum zu stemmende Probleme. Und wenn ich nun denke, dass ich für so was nicht geschaffen bin? Vielleicht hilft ein Blick zurück auf Gabriel Jesus. Sein Jugendtrainer Trainer José Franciso Mamede sagte im Magazin der Neuen Züricher Zeitung“ einmal so: «Ich sah mindestens zehn andere, die genauso talentiert waren wie Gabriel. Aber die anderen waren faul. Gabriel hatte einen unbezähmbaren Arbeitswillen. Immer war er der Erste, der bei den Übungen mitmachte.» Alles klar?

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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4 Kommentare

  1. Interessant wie leicht man auf die falsche Spur zu bringen ist….Die Verknüpfung eingangs ,um Geld in den direkten Zusammenhang zu bringen um zu ermitteln ,was reich oder arm zu bedeuten hat…. Was nützt es mir ,wenn ich die ganze Welt gewönne ,mehme aber schaden an meiner Seele?
    Dann bin ich obwohl reich ,doch bitter-arm !
    Der Grieche aus der Tonne war sicherlich auch so ein Kandidat von dem sich nur schwerlich sagen ließ : reich oder arm? Meines Erachtens hat es ganz viel mit Dankbarkeit und Erkennen /wahrnehmen zu tun .Auch persönliche Reife und Selbstbewustsein / Selbsterkenntnis verschieben in der Aussendarstellung armreich .

  2. Wer ist arm-wer reich?
    Echt schwierig….
    Arm ist der Obdachlose!!!
    Arm ist ein Mensch , der betteln muss….arm sind viele ältere Menschen….arm ist auch ein Bürgergeld Empfänger!!! Es reicht zum Leben….mehr nicht.
    Und man muss genau rechnen….
    Arm sind Menschen die Flaschen sammeln müssen…aus Mülltonnen…die sehe ich hier fast jeden Tag!
    Arm ist der „Großteil“ der Bevölkerung…ohne das man das sieht….

    Reich ist man-wenn man Jesus hat!
    Reich ist ein Politiker….Menschen in gehobenen Positionen..
    .Reich ist ein Mensch, der sich keine materiellen Sorgen machen muss…etc…
    Reich sind Wir, wenn wir gesund sind!!!

    Arm sind wir, wenn die Butter auf dem Brot fehlt!

    Es ist echt ein krasser Gegensatz…Armut und Reichtum….der Eine hat es-der Andere nicht!

    Liegt es an der Schulbildung?
    Den Umständen?
    Dem Glück?
    Dem Glauben oder dem Segen?

    Ich kann mich reich fühlen, obwohl ich arm bin!
    Und wenn ich reich bin, kann ich ganz Arm sein!
    Als Mensch!!!

    Geistiger Reichtum, finanzieller Reichtum, emotionaler Reichtum….es kommt auf die Sichtweise der Dinge an, denke ich.

  3. 2 Anmerkungen:

    >Selbst als Empfänger von Bürgergeld gehörte ich zu den reichsten Menschen auf diesem schönen Planeten. (…)„Wir waren nicht arm. Wir hatten immer genug zu essen“. Bin ich dann nicht reich?

    Welchen Schluss ziehst Du aus dieser Erkenntnis?

    -> Das es Dir gut geht – alles super
    -> Das es Empfänger/innen von Bürgergeld doch sehr gut geht. – das wäre meines Erachtens sehr bedenklich.

    Ja, in Deutschland hungert niemand. Aber Armut definiert sich auch in Relation zu seiner Umgebung. Wenn Menschen für Bildung 1,82 EUR im Monat haben (so der Anteil beim Bürgergeld), so wird es schwer mit sozialer Teilhabe. Wenn über Bildung und Aufstiegschancen von Kindern sehr stark das Geld und die Bildung der Eltern entscheiden, wie es nun Mal nach allen mir bekannten Studien der Fall in Deutschland ist, dann ist auch relative Armut ein großes Problem.

    > Die Evangelische Kirche im Deutschland beschrieb im Sommer 2023 die „Spendenbereitschaft als besonders hoch“. 12,9 Milliarden waren 2022 zusammengekommen. (…) Gleichzeitig berichtete die Tagesschau Mitte November, dass in Deutschland 13,4 Milliarden für Glücksspiel ausgegeben werden.

    Ich hatte mal eine Phase von 2-3 Jahren, wo ich online um reales Geld gepokert habe. Dabei gab es etwas überraschendes: Wenn es irgendwo eine große Not gab, ein Unglück, eine Naturkatastrophe, dann konnte man in diesem Pokerraum Geld dafür spenden. Und da kamen stets schnell große Summen zusammen. Pokerspieler sind da offensichtlich sehr freigiebig. `Vielleicht, weil Geld, insbesondere wenn man damit Poker spielt, nicht so den Wert hat. Es hängt nicht so das Herz am Geld wie bei anderen Menschen.

  4. Geistlich arm zu sein ist das Ziel

    Das mit „reich und arm“ ist ein ganz schwieriges Kapitel. Auch ein armer Mensch möchte nicht aus Überzeugung arm bleiben. Der Mann aus Nazareth war so radikal anders orientiert! Er hatte kein Geld, keine politische Macht, keine strategischen Kontakte und keine akademischen Titel. Eigentlich hatte er gar nichts. Daraus entstand dann im Laufe der Jahre erstaunlich viel. Vielleicht soll uns damit wenigstens zweierlei gesagt werden: ERSTENS soll mich mein Reichtum, in einem besonderen Moment Jesus wirklich nachzufolgen, nicht daran hindern. Wie etwa leider beim Reichen Jüngling, der alles richig machte, die Gebote hielt und niemand etwas böses tat. Aber er konnte Jesus nicht folgen, weil die Verwaltung seiner Vermögens Priorität hatte. ZWEITENS ist die Armut Jesu eine Aufforderung, dass ich und wir den Mut haben dürfen „arm vor Gott zu sein“. So heißt es doch in der Bergpredigt „selig sind die Armen“ (oder die „geistlich“ armen). Vor Gott darf ich mich als arm definieren in einer möglichen (aber sehr schwierigen inneren) Haltung, dass Gott mir jeden Tag meine leeren Hände füllen kann. Das fußt immer in der Überzeugung, dass ich – und wie es auch Luther immer versuchte – nie vollkommen sein konnte. Wegen diesem Unvermögen geiselte Luther sich sogar, lebte asketisch und musste ein immerzu angstvolles Gewissen vor einem strengen Gott haben, der fast wie nach einem Punktesystem alle Defizite systematisch verbucht. Der spätere Reformator stellte dann aber für sich fest, dass Gott uns vorbehaltlos, also ohne Vorbedingungen, wirklich liebt und uns schon gnädig war, als wir noch nicht auf Erden wohntne. Wenn ich zugebe arm vor Gott zu sein, dann wird mir Gott jedenfallsmeine Hände füllen. Christinnen und Christen die sich vollkommen fühlen, sind für mich eher ein Problem. Aber wenn ich jeden Tag aus der Vergebung Gottes lebe, dann werde ich vielleicht auch meinen Mitmenschen vergeben. Weil Gott sogar unsere und seine eigenen Feinde liebt, hat die Liebe des Himmels (und unsere auch unsere Liebe ein wenig) prinzipiell keine Grenzen. Im Grunde muss man hier das unmoderne Wort aktivieren, vor Gott d e m ü t i g zu. Wie Jesus, der wie ein Hausdiener seinen Jüngern die Füße gewaschen hat.

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