Im Krankenhaus erfährt Patient Tom Laengner zwischen nordindischem Essen und trüber Stimmung Trost durch einen Freund – und den Psalmisten David.
Es duftet nach faden Gewürzen. Auf feinsinnige Kochkunst lässt hoffen, was hier augenzwinkernd auf die Sauce hindeutet. Farblich spielerisch verwirrend, ist sie kaum anders als höchst geheimnisvoll zu beschreiben. Zudem ziert den Teller ein Hauch aus etwas, was mich, aus meinem westeuropäischen Kulturkreis heraus, an Gemüse erinnert. Ich wüsste nicht, was es sonst sein sollte. Die wahre Delikatesse jedoch ist etwas ganz anderes. Nahrung, wie ich sie hin und wieder in Indien oder Uganda erlebt habe. Ich fragte mich dann: ‚Was soll das sein?‘
So präsentiert sich modernes deutsches Krankenhausessen für den Standardpatientomaten. Exotische Gerichte, Fusion und Soul Food, serviert ohne Ansicht von Geschlecht, Religion und Kultur. Ein echter Knaller für alle Gourmands.
Nettes Personal auf Station A16
Dann kommt Lasse. Kurze schwarze Hose, dunkles T-Shirt. Seine Echtheitszertifikat als Pfleger hat er sich bereits angeheftet. Jetzt will er mir einen neuen Zugang legen. Soll er mal loslegen! Während er in der Schwüle des Raumes werkelt, kommt mein Hemd zur Sprache. Ja, meint er, mit einem schicken Hemd sei ich auf A16 wohl die Ausnahme. Ist seine Dienstkleidung es nicht weit mehr? Mir macht sein Mut große Freude! Da hat einer nicht einfach mitgemacht. An einem Tag, der einem fast die Luft zu atmen nimmt, hat er mitgedacht. Und folgerichtig hat er eine der Situation entsprechende, kluge und angemessene Entscheidung getroffen.
Was mich betrifft: Mir geht es nicht darum aufzufallen. Doch kann ich mit meiner Erscheinung im Krankenhaus so manches ausdrücken: Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit oder auch Resignation. All das finde ich nachvollziehbar, hilft aber nie und niemandem. Das ist zumindest meine Erfahrung. Doch dann ist da noch der Willen zu leben. Nun weiß ich ganz gut, dass Leben nicht in meiner Hand liegt. Ich habe es vor vielen Jahren schon in die Hand dessen gelegt, von dem es heißt, er habe Himmel und Erde erschaffen. Aber ich kann das, was er mir schenkt, durchaus auch mal waschen und schön einpacken.
Inzwischen hat Lasse seine Arbeit souverän zu Ende gebracht. Er kann es sich dann doch nicht verkneifen, mir zu sagen, dass er seit seiner Zeit in der Notaufnahme keine Zugänge mehr gelegt hätte. Das ist jetzt drei Jahre her. Humortechnisch ist er da bei mir in guten Händen. Das hat er wohl geahnt.
Ein Freund macht Hoffnung
Dann taucht das überaus herzliche Gesicht von Ghislain im Türrahmen auf. Gekleidet, wie ein Intensivpfleger wohl gekleidet sein muss. Ganz grün in grün. Von allen Seiten.
Kennengelernt haben wir uns, als meine Frau ihn auf der Straße angesprochen hat. An diesem Tag hatte es eben begonnen, schwer zu regnen. Und der junge Mann schleppte eine unverpackte Matratze. Meine Frau hatte ein Auto und dazu eine gute Idee. Das Angebot wurde mit Freude angenommen. Und so behielt Ghislain eine trockene Matratze, und wir hatten ein schönes Erlebnis.
Sicher, meint er jetzt an meinem Bett, sei das alles schwer zu begreifen und noch schwerer zu ertragen. Aber ich meistere das ganz gut. Alter Verwalter, da könne er ganz andere Geschichten erzählen. Und dann kommen wir auf das Gedicht eines legendären Herrschers aus dem arabisch-jüdischen Raum. Dieser König David war dauernd in Schwierigkeiten. Und es waren entspannte Zeiten, wenn sich sein Leben nicht in Gefahr befand. Sollte so ein Mann kein ausgewiesener Experte für Gedanken zum Leben in höchster Not sein? Hier nun seine Erfahrung: „Wirf deine Last ab, übergib sie dem Herrn. Niemals lässt er den im Stich, der ihm die Treue hält.“ Keine Frage, da war Wumms hinter!
Leider beginnt Ghislains Schicht in ein paar Minuten. Ich begleite ihn noch zum Aufzug. Die Gedanken Davids beginnen, in meinem Herzen Segel zu setzen. Und meine Seele durchweht eine friedvolle Brise. Als Buchstabensuppe entfalten Lebenserfahrungen keine Kraft. Und ob ausdauerndes Daumendrücken langfristig mehr als Gliederschmerzen hervorbringt, das weiß ich nicht so genau. Allerdings schätze ich das Mitgefühl all der Menschen, die für mich ihre Daumen quetschen. Ihr seid großartig!
Und jetzt knicke ich doch noch ein. Ich muss zugeben, dass ich mit nordindischer Kost doch besser klar gekommen bin. Die wurde mir auf einem Bananenblatt serviert, war scharf oder noch mehr. Aber vor allem war sie, wie soll ich es sagen? Vielleicht so: richtig lecker!
Gute Besserung
In einem Asterix stand mal, je schlechter das Essen, desto besser die Armee, worauf Asterix nach einem Bissen angewidert meinte, er hätte nicht gedacht, dass die römische Armee so gut ist.
Wenn man das auf Krankenhäuser übertragen kann, scheinst du auch in einem Spitzenhaus zu sein.
Mein vollstes Verständnis. Übrigens gibt es auch Pizzadienste u.ä. die ins Krankenhaus liefern. Hat mir mein seelisches Wohlbefinden mehr als einmal gerettet.