Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Worauf setzt du, wenn du dich setzt?

Wenn Jesus sich setzte, kamen Menschenmassen, um ihm zuzuhören. Tom Laengner fragt sich, was Kirchen ändern müssten, um ähnlich anziehend zu wirken.

An demselben Tage ging er aus dem Hause und setzte sich an das Meer. Der Mann hatte es geschafft. Er war weiter gekommen als George Best. Der Ausnahmefußballer von Manchester United soll gesagt haben: „Ich hatte ein Haus an der Küste. Aber um dorthin zu gelangen, musste man an einer Bar vorbei. Ich habe das Meer nie gesehen“. Wie schade. Der Ausnahmeschreiner aus Nazareth hatte es ans Ufer geschafft und setzte sich dort sogar hin. Dort stand wohl keine Bar im Wege!

Ein wenig musste ich schmunzeln, was so alles in der Bibel steht. Hier setzt sich ein Mann/Erlöser hin. Aber dabei bleibt es nicht.

Was geschieht, wenn ich mich setze?

Die Frühlingssonne schien mir ins Gesicht. Es war angenehm warm und ich hatte Zeit, meine Gedanken fliegen zu lassen. Was geschieht, wenn ich mich setze? Im Restaurant kommt dann ein Kellner oder eine studentische Aushilfskraft, die noch mal nachfragen muss, was ich eigentlich bestellen wollte. Zu Hause genieße ich dann meinen Morgenespresso. Auf dem Klo wartet, falls es mal länger dauern sollte, eine schwere Geburt. In der Kirche wärmen die Menschen die Bank. Die kühlt während der Woche wieder aus. Also sind sie sieben Tage später wieder am selben Ort. Auf dem Reiterhof sitzen Reiterinnen auf. Der Revierförster nutzt die Zeit im Morgengrauen zum Ansitzen. Und der Politikszene wird nachgesagt, sie würden die wichtigen Fragen des Landes einfach aussitzen. Ich selbst musste sogar einmal nachsitzen. Aber das ist lange her.

Doch wie gesagt: Jesus sitzt und dann passiert’s: Es versammelte sich eine große Menge um Jesus. Unglaublich! Das sind nicht eben meine Alltagserfahrungen. Wenn ich mich vor der Reinoldikirche auf einen Stuhl setze, lockt das höchstens einen Wohnsitzlosen an. Der sucht dann auch nicht mich, sondern einen überschüssigen Euro.

Was hat der Nazarener anders gemacht? Wie hat er Menschen angezogen?

Was sollte ich tun, damit sich Menschen zu mir setzen wollen?

Ich spiele nicht in der Liga der großen Mengen. Da sollte ich also lieber bescheiden starten. Meine Frage könnte lauten: Was sollte ich tun, damit Menschen aus meiner Nachbarschaft meine Nähe als angenehm empfinden und sich zu mir setzen wollen?

Kirchen und Gemeinden stellen sich möglicherweise ähnliche Fragen. Und sie treten mit Antworten an die Öffentlichkeit. Sie ziehen seit Jahren alle erdenklichen Register. Warum auch immer. Aktuell denken sie über die Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz für Predigt und Gemeindeaufbau nach. Internet und soziale Netzwerke werden längst als Quellen der Innovation ausgelotet. Ein Freund erzählte mir mit verdrehten Augen: „Meine Gemeinde hat jetzt einen Beamer für einen fünfstelligen Betrag erworben!“ Jetzt können die Menschen dort hochwertige Unterhaltungselektronik bewundern.

Ob das eine nachhaltig sinnvolle Investition war? Das muss ich nicht beurteilen. Allerdings habe ich meine Zweifel, dass sich Menschen einzig wegen eines Beamers in einer Kirche versammeln.

„Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.“

Jesus

Irgendwann legt Jesus sein Geheimnis offen. Seine Worte scheinen zu schlicht, um wahr zu sein. Auf jeden Fall sind sie leicht zu merken: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.“

Soll es das jetzt gewesen sein? Ja, das soll es wohl. Da kann man sich vor Staunen schon mal setzen. Und aus Sicht des Nazareners sollten wir auch darauf setzen. Alle technische und mediale Innovation mag ich einsetzen. Da drauf zu setzen ist nicht mehr und nicht weniger als Theaterdonner.

Mir wird gerade ein wenig schwindelig. Ich gehe jetzt lieber wieder nach draußen. Dann suche ich mir einen Stuhl, setzte mich drauf und höre noch ein paar Minuten zu, was die Vögel zu sagen haben.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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2 Kommentare

  1. Ein tolles Signal, sich zu setzen,Zeit zu nehmen,ansprechbar zu sein, zugewandt zu sein!So ist ER, der Schöpfer des Universums.Und er hat und hatte nie die Absicht Kirchen zu füllen, damit die Bänke nicht auskühlen,oder damit ER damit demonstrieren würde wie wahr und großartig seine Botschaft sei.ER hat sich gesetzt, damit die Mühseligen und beladenen zu IHM kommen können.Wenn Jesus zu treffen ist,braucht es keine besondere Strategie !Es soll Leute geben,die eine Menge Geld investieren ,um bei einem Konzert in Sūdamerka, die Stimme Ihres Idols zu hören. Und das gleiche Konzert auch noch mal in England .Auch von Fußballfans hört man sowas ….Wenn man faules Obst unter die Leute bringen will, braucht man eine gute Stategie ja ,aber kostbare Perlen ?

  2. spaßig, das spielen mit der wortfamilie setzen. inspiriert zu mehr.
    aber was aus dem leben: die e. aus meiner gebetsgruppe, die immer für andere betet und vielen hilft, musste stationär behandelt werden wegen eines schlimmen depressionsschubs. da hatte sie viel besuch von ihren gemeindeleuten und-leitern.
    als sie wieder entlassen werden konnte, ließ die behandelnde ärztin diese leute herzlich grüßen. Ihr war aufgefallen, wieviel liebe sie hatten.
    feine sache.
    liebe Grüße von kathi aus dem sauerland.

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