Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Worüber leiste ich mir so meine Gedanken?

Bei einem Besuch im Restaurant fragt sich Tom Laengner: Achte ich genauso auf saubere Sprache wie auf saubere Finger?

Was habe ich getan? Trotz persönlicher kulinarischer Bedenken besuchte ich gestern einen dieser „Glutamat-Tempel“. Warum? Das letzte Mal war ich zu einer Zeit dort, in der Masken ausschließlich dem Karneval oder der Antifa vorbehalten waren. Meine Frau bestellte Nummer 156, ich die 68. Die asiatische Fertigsauce war bei uns beiden gleich. Alle anderen Zutaten auch. Aber bei ihr ohne Tofu. Als ich dann kurz vor der Rechnung auf dem Klo saß, freute ich mich, dass mein Darm so standhaft blieb. Mit Schaudern erinnerte ich mich an frühere Besuche. Die Details, die für feinsinnige Menschen schockierend sein könnten, untersage ich mir hier.

Neben dem Waschbecken klebten Hygienetipps in Wort und Bild. Dem Gaststättengewerbe schien meine Gesundheit am Herzen zu liegen. In sechs Bildern wurde ich darüber aufgeklärt, wie ich mir die Hände zu waschen hätte. So richtig mit Seife und allem drum und dran. Quasi ein Wunder, dass ich so lange ohne diese Anweisungen ein erfülltes Leben hatte leben können!

Jesus spielte sein Gott-Sein nicht als Trumpf aus.

Ich frage mich, ob ich auch so gewissenhaft bin, wenn es um andere Alltagsbelange geht. Denke ich sorgsam darüber nach, ob ich lieber schweigen sollte, wenn ich nichts zu sagen habe? Frage ich mich, ob mein Reden andere verletzt und schädigt, oder ob es dazu dient, Beziehungen besser zu gestalten? Es wäre doch schade, wenn ich derselben Welt, die ich durch bakterienfreie Hände schützen will, mit vergifteten Worten schweren Schaden zufüge. Während ich meine inzwischen blitzblanken Hände unter fließendem Wasser wie empfohlen gründlich abspülte, fiel mir ein, dass Jesus mal einen Mann fragte: „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Das sind für mich Worte, die Raum schaffen und Freiheit geben. Jesus spielte sein Gott-Sein nicht als Trumpf aus. Stattdessen sieht er mich an und stellt offene Fragen.

Das war in den alten Zeiten, in der die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen noch deutlich über der eines Goldfisches lag. Ob es wirklich nur noch neun Sekunden sind, wie es aus der Microsoft Studie von 2015 hervorgeht? Im Kern bestätigte allerdings im Jahr 2019 ein internationales Forschungsteam, zu dem auch die TU Berlin und das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gehörten: Die Aufmerksamkeitsspanne sinkt dramatisch. Dazu trägt ungebremster Medienkonsum bei. Will ich also, dass mein Kind ein gelingendes Leben führt, bin ich hier gefragt. Und auch ich möchte Gehirn und Gewissen lieber nutzen, anstatt es einst unbenutzt als Organspende anzubieten. Insbesondere Kinder brauchen kein schnelleres Internet, sondern mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Die Hände bekomme ich durchaus bakterienfrei, denke ich, und drehe den Wasserhahn zu. Aber bei meinem Leben und dem meiner Kinder geht es um mehr. Bin ich da bereit, das Gute und Richtige zu tun, auch wenn es mich etwas kostet?

Tofu kannst du zu Tode kochen, braten oder was auch immer. Das war bei Gericht 68 auch nachweislich gelungen. Ein aufrechter Tofu weiß zu schätzen, wenn du ihn zerpflückst statt zu schneiden. Dann sieht er zwar nicht mehr aus wie ein Bauklötzchen, ist aber poröser und saugt mehr Marinade auf. So klappt es bei mir. Das lohnt sich. Ihn porentief mit Seife waschen, solltest du ihn aber nicht.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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1 Kommentar

  1. Der Andere steht im Fokus

    „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Das sind für mich Worte, die Raum schaffen und Freiheit geben. Jesus spielte sein Gott-Sein nicht als Trumpf aus. Stattdessen sieht er mich an und stellt offene Fragen“! Ich musste bei diesem Beitrag von Tom Laengner wirklich schmunzeln. Aber vor allem habe ich Anerkennung dafür übrig, dass man von Gott und Jesus nicht in barocker Sprache schreiben muss, wie ich dies leider aber allzu oft tue.
    Bei einem Besuch im Restaurant fragt sich Tom Laengner: Achte ich genauso auf saubere Sprache wie auf saubere Finger? Dies ist wohl einer der Kernsätze, die man wahrnehmen muss um den Faden bzw. Zusammenhang seines hiesigen Werkes zu verstehen. Vielleicht liegt sogar dort der casus knacksus mancher Menschen. Also lieber auf saubere Finger, ein gepflegtes Äußeres, auf Anstand und Anpassung und insgesamt auf die Repräsentanz der eigenen Person nach außen zu achten. Manche Berufszweige verlangen vom Mitarbeitenden mit Schlips und Kragen durch die Welt zu laufen. Aber sind die Schlips und Weiße-Hemden-Träger bessere Menschen? Die mit den gepflegten Fingernägeln, den schicken Villen und mit ihrer Werbung für die eigene Person. Dies passt mit Jesus nicht so recht zusammen, der ein Freund der Armen war, die nicht als die Geehrten in der ersten Bank sassen, die bösartige Berufe hatten (wie der Zöllner), oder gar einem frevelhaften Beruf sogar ausübten? Der in ihren Häusern einkehrte und von seiner Umwelt fragwürdig erschien, weil seine Freunde eher wie Unberührbare angesehen wurden: Nicht nach äußerem Schein.

    „Jesus spielte sein Gott-Sein nicht als Trumpf aus“, meint Laenger auch an. Vielleicht sollten wir als Christen zwar unser Amt wahrnehmen, die beste Botschaft des Unversums durch unser Leben, Reden und Tun zu kommunzieren. Weniger aber das Amt selbst. Damit meine ich, es mache mich nicht unbedingt glaubwürdiger, wenn ich meinen Glauben wie ein riesiges Plaket (bildlich gesehen) vor mir hertrage. Wenn ich alles besser weiß. Wenn nur mein Glaube der richtige ist, aber der Glaube eines anderen fragwürdig? Wenn ich meine Person über die Sache stelle? Wichtige Fragen. Vielleicht hilft hier die Art der Kommunikation bereits, nicht in eine Rolle zu fallen, die uns dann selbst im Endeffekt nicht gefallen würde. Also wie Jesus zu fragen: „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Da hat Jesus fast schon eine therapeutische Sprechsweise auf Augenhöhe: „Was kann ich für Sie, was kann ich für dich tun“? Da steht der andere im Fokus. In der so oft geschworenen Nächstenliebe, die wir anderen schuldig sind, geht es nicht darum, dass wir selbst in dieser Rolle glänzen und wir uns anschließend wunderbar selbst auf die Schulter klopfen. Achtsamkeit so betrachtet muss immer darum bemüht sein, den Anderen gut zu behandeln. Wenn wir dies tun, tut uns dies auch selbst gut. Manches schnelle Lächeln und der offene freundliche Blick in das Gesicht eines anderen Menschen ist mehr wert als unser Deo nach dem wir duften, oder unser cooler Auftritt.

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