TONI kommt schon als kleines Kind groß raus. Privat scheitern alle seine Liebesbeziehungen an Selbstzweifeln. Erst eine halbseitige Gesichtslähmung bringt ihn zu Gott zurück – und lässt ihn echte Liebe finden.
Als „klaane Flugficht“ steht Toni Kraus schon im Kindergartenalter auf der Bühne. Im Erzgebirge geboren, sein Papa ein bekannter Volksmusiker, singt Toni bevor er sprechen kann. Mit sechs gewinnt er „Achims Kinderhitparade“ beim MDR und kassiert seinen ersten Plattenvertrag. „Meine Eltern haben mich gefördert, aber nicht gefordert“, betont Toni. „Ich hatte vor allem Spaß am Singen und war textsicher und stand sehr gerne auf der Bühne.“
Ein paar Monate später tritt er zum ersten Mal mit Florian Silbereisen in dessen Show auf. Später folgt Stefan Raab mit TV Total und viele andere Auftritte. Zwischen 2006 und 2009 ist der blonde Junge mit den wuscheligen Haaren und der Zahnlücke in jeder Silbereisen-Show sein Moderations-Sidekick.
2008 treffen sich die Produzenten mit Tonis Mutter und wollen, dass er eine feste Sendung im KIKA bekommt. Sie ist dagegen. Sie will, dass er vor allem die Schule beendet. Dadurch bekommt er ein paar Schuljahre bis zum Abitur ohne Fernsehshows geschenkt.
Mit 14 von zu Hause ausziehen
Das ist auch deshalb gut, da er abseits der Bühne in der Schule massiv gemobbt wird. Hinzukommt, dass seine Eltern getrennt sind und er in einer Patchwork-Situation aufwächst. Mit gerade mal 14 zieht Toni in eine eigene Wohnung. „Auf der einen Seite war das gut, weil Konflikte zu Hause dadurch aufhörten. Ich war nicht der Fleißigste in der Schule, wollte vor allem Musik machen und habe nur schwer für Fächer lernen können, die mich nicht interessiert haben“, sagt Toni nachdenklich.
„Ich konnte Freunde einladen, laute Musik hören und auch mal eine Party schmeißen, ohne dass es jemanden störte, aber ich war auch allein, abgespalten von der Familie. Ich habe mich manchmal nicht gewollt gefühlt und musste schnell erwachsen werden.“
Die erste große Liebe
Seine erste Freundin betrügt ihn nach zwei Jahren Beziehung. Es beginnt ein großes Drama, gefolgt von starken Selbstzweifeln. Er fühlt sich, als sei er nicht gut genug und baut einen Schutzpanzer um sich auf, der ihn zwar arrogant wirken lässt, aber ihn auch davor bewahrt, noch mehr verletzt zu werden.
Mit 16 lernt der schmächtige, blonde Teenager in Skinny Jeans seine erste große Liebe kennen. Jemanden, der ihm das Gefühl gibt, so angenommen zu sein, wie er ist. Zu seinem ersten großen Konzert, das er nach der Auszeit als „klaane Flugficht“ nun als Popmusiker TONI gibt, kommen nur 30 Zuschauer. Aber für Toni ist es unvergesslich, weil sie da ist.
Nur ein Jahr später begleitet er seinen Vater, der inzwischen Christ geworden ist, bei einer Zeltevangelisation auf der Gitarre. Bei dieser Veranstaltung gibt er sein Leben Jesus. Allerdings gibt es danach keine Veränderung in seinem Leben, sodass er Gott nach einer Woche wieder hintanstellt.
Singen vor 17.000 Zuschauern
Was er nie aus den Augen verliert, ist die Musik. 2013 bringt er den Song „Sommerregen“ heraus, den „Gestört aber Geil“, ein DJ Duo aus Erfurt remixt. 2015 geht er gemeinsam mit ihnen auf Deutschlandtour und spielt in großen Hallen.
Der Abschluss findet in Berlin statt, vor 17.000 Zuschauern. „Als der Großteil der Zuschauer meinen Song mitsingen konnte, war das ein unbeschreibliches Gefühl“, schwärmt er. Je mehr Toni unterwegs ist, desto schwerer fällt das seiner Freundin und sie ist immer öfter traurig. Sie beklagt fehlende Zweisamkeit.
Selbstzweifel bahnen sich an die Oberfläche
Es gibt vermehrt Streit und Tonis Selbstzweifel bahnen sich ihren Weg zurück an die Oberfläche. Er denkt sich: Es wird eh der Zeitpunkt kommen, an dem sie merkt, dass ich nicht genug bin. Mein Herz wird zerreißen und ich werde bereuen, dass ich das Rock’n’Roll-Ding nicht mitgemacht habe. Etwas Selbstbestätigung kann nicht schaden und ich habe nichts zu bereuen, wenn sie mich dann eh verlässt.
„Ich war kleingläubig, naiv und manipulierbar“, resümiert Toni. „Ich fuhr einen Egotrip.“ Jung und verunsichert, mit einem riesengroßen Loch im Herzen, immer auf der Suche. Durch die ständige Angst, verlassen zu werden, scheitern diese und auch alle nachfolgenden Beziehungen. Er geht, bevor ihm jemand wehtun kann, und verletzt die Menschen, die er am meisten liebt.
Frisch verliebt
Der Super-GAU kommt 2020, kurz vor dem ersten Corona-Lockdown. Toni lernt eine Frau kennen und verliebt sich. Nach nur sieben gemeinsamen Tagen entschließen sie sich, den Lockdown gemeinsam zu verbringen, da zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar ist, wann sich die beiden Frischverliebten wiedersehen können.
Mit einigen Koffern zieht sie bis auf Weiteres zu Toni in die WG. Für ihn beginnen drei wunderschöne Monate. Es fühlt sich so an, als sei sie die Richtige. Doch als der Lockdown endet, stellt sich heraus, dass seine Freundin ein Doppelleben führt.
„Und dann dachte ich: Der Einzige, der vielleicht noch etwas ändern kann, könnte Gott sein.“
Tonis Körper reagiert mit Stresssymptomen und er bekommt eine halbseitige Gesichtslähmung. Für mehrere Monate kann er kaum essen und trinken, nicht reden, nicht singen. Die Ärzte bescheinigen ihm, dass die Möglichkeit besteht, dass es für immer so bleiben könnte.
„In dieser Situation fragte ich mich: Wer bin ich eigentlich? Was mache ich?“, erinnert sich Toni. „Und dann dachte ich: Der Einzige, der vielleicht noch etwas ändern kann, könnte Gott sein.
Süchtig nach Pornos
Ich erinnerte mich an ihn. Und ich schlug ihm eine Art Deal vor: Wenn er mich gesund machen würde, könnte ich etwas aufgeben, was Suchtcharakter in meinem Leben entwickelt hatte. Ich entschied mich, Pornographie aus meinem Leben zu verbannen.“
Natürlich ist ihm bewusst, dass Gottes Liebe nicht käuflich ist und nicht von seiner Leistung abhängt, aber da er sich von ihm abgewandt hatte, ist es Toni ein Anliegen, Gott deutlich zu machen, dass es ihm diesmal ernst ist. Toni sucht im Internet nach einer Selbsthilfegruppe und kommt in Kontakt mit deren Leiter. Der ist Christ und bietet ihm seelsorgerliche Gespräche und Gebet an.
Er spürt eine Sehnsucht danach, auch so eine echte, hingebungsvolle und reine Liebe zu finden.
Im Herbst 2020 geht es Tonis Gesicht besser, aber er entwickelt eine Angststörung. Mit einer Gesprächstherapeutin arbeitet er seine Erlebnisse auf. Tatsächlich aber bringt vor allem das Buch „Liebesbriefjahre“ einen Wendepunkt in seinem Leben.
Er spürt eine Sehnsucht danach, auch so eine echte, hingebungsvolle und reine Liebe zu finden. Er hinterfragt sich, betet viel und sehnt sich danach, tatsächliche innere Veränderung zu erleben. Auf der Suche nach einer Gemeinde kommt er wenig später in Kontakt zu einer Freikirche mit vielen jungen Christen.
Einige Monate später lässt er sich dort taufen und bringt sein musikalisches Talent fortan auch im Worshipteam ein. Damit verändert sich sein Umfeld. Er ist nicht mehr allein, hat Menschen an seiner Seite, die für ihn beten. Das Loch in seinem Herzen und das Gefühl, niemals zu genügen, schrumpfen. Toni entschließt sich, Gott mit in seine Welt zu nehmen und weiter Musik zu machen.
Aus einem bösen Traum erwacht
Am 4. März 2022 erscheint seine neue Single „Parkhausdach“. In seinem Album, das er nach seiner Erkrankung geschrieben hat, geht es um Liebe – die für sich selbst und anderen gegenüber. Es ist ein Album über sein Leben.
Es zu singen, fühlt sich heilend an. „Wie wenn man etwas Schlimmes geträumt hat, aufwacht und dann feststellt: Es war nur ein böser Traum. Ein positiver Schreck“, lächelt Toni. „Es ist nicht mehr mein Jetzt. Mein Weg heute ist langlebiger, ehrlicher und ausdauernder.“ Toni will strahlen in eine Welt, in der Gott sonst nicht im Mittelpunkt steht.
Priska Lachmann arbeitet als Autorin und Bloggerin in Leipzig. In ihrer Jugend stand sie eher auf Rock, Electro Swing und Ska-Punk-Musik.
Mehr Infos gibt’s auf Spotify und unter www.toni-musik.de.