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Völkermord in Ruanda: Ein Gebet für Versöhnung

30 Jahre nach dem Massenmord an den Tutsi mit bis zu einer Million Toten hat Ruanda mit dem Land von damals nur noch wenig gemeinsam. Unter straffer Führung prägt das Mantra des Zusammenhalts die Gesellschaft.

Von Helena Kreiensiek (epd)

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Wenn am 7. April in Ruanda mit Veranstaltungen an die Toten des Völkermords an den Tutsi erinnert wird, will auch Arene ein Gebet halten. «Es ist wichtig, unserer getöteten Brüder und Schwestern zu gedenken», sagt sie.

Als am 6. April 1994 ein Flugzeug mit Ruandas Präsident Juvénal Habyarimana, der zur Hutu-Volksgruppe gehörte, und seinem burundischen Amtskollegen Cyprien Ntaryamira abgeschossen wird, beginnt nur kurze Zeit später ein furchtbares Morden. Radikalisierte Hutu gehen gegen Tutsi und jene Hutu vor, die die Tötungen nicht unterstützen. Innerhalb von nur drei Monaten werden bis zu einer Million Menschen umgebracht.

Keine Familie blieb verschont

Ein Gewaltexzess, der bis heute die ruandische Gesellschaft tief prägt. Keine Familie blieb von dem Völkermord verschont. Auch die von Arene nicht. Bis heute sei ein Resultat davon unter anderem, dass ihre Familie über die ganze Welt verstreut sei, sagt die 29-jährige Buchhalterin, die nur mit Vornamen genannt werden will. Teile lebten in anderen afrikanischen Ländern oder in Europa. Sie hätten sich nach ihrer Flucht in den jeweiligen Ländern niedergelassen und seien geblieben.

Arene aber lebt in Ruandas Hauptstadt Kigali, denn das Land von heute hat nur noch wenig mit dem Ruanda von 1994 zu tun. Glatt geteerte Straßen mit ordentlich angelegten Verkehrsinseln ziehen sich durch die Innenstadt von Kigali. E-Motorräder, die auf dem Rücksitz Passagiere durch die Stadt befördern, sind keine Seltenheit. Es herrscht Helmpflicht, die konsequent durchgesetzt wird. Die Staatspolitik ist auf Wirtschaftswachstum ausgelegt. Die nationale Statistikbehörde beziffert das durchschnittliche Wirtschaftswachstum seit 1994 auf sieben Prozent.

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Zusammenhalt ist das Mantra

Eine weitere Säule ist eine Politik der nationalen Versöhnung und Einheit. Seit 30 Jahren werden Versöhnungsinitiativen in großem Stil gefördert. Ruanda sieht sich als Land der Einheit. Ethnische Zugehörigkeiten wie Hutu und Tutsi sind im öffentlichen Diskurs nicht mehr zu finden, stattdessen ist von «Brüdern und Schwestern» die Rede. Zusammenhalt ist das neue Mantra, allerdings unter straffer Führung. Denn was die Menschenrechtsbilanz angeht, ist das autokratisch geführte Land nicht dafür bekannt, zimperlich mit Regimekritikern umzugehen.

Dennoch hat es Ruanda geschafft, seine Bürgerkriegsvergangenheit zumindest ein Stück weit hinter sich zu lassen. Die Feierlichkeiten rund um den 7. April seien auch eine Erinnerung daran, wie weit Ruanda gekommen sei, findet Arene. Unzählige Male hat sie bereits die «Wall of Names» am Kigali Genocide Memorial besucht. Eine Wand, in der in kleiner Schrift die Namen der getöteten Menschen eingraviert sind, die 1994 in den Straßen von Kigali gefunden wurden.

In Gedenkstätten dieser Art wird im gesamten Land die Erinnerung an die Geschehnisse von damals wachgehalten – oft mit drastischen Zeugnissen der Gewalt. So gehört auch im Kigali Genocide Memorial ein Raum mit ausgestellten Totenköpfen dazu. Gut sichtbar, mit klaffenden Löchern in den Schädeldecken. Nur ein kleiner Ausschnitt, der Aufschluss gibt über die stumpfe Gewalt, unter der so viele Menschen starben. Besuche in solchen Gedenkstätten seien jedes Mal auch schmerzhaft, sagt Arene.

„Nicht vergessen, was geschah“

Tatsächlich sind die jährlichen Feierlichkeiten zum Gedenken an den Genozid nicht unumstritten. Psychologische Studien betonen zwar, wie heilsam das Erinnern grundsätzlich sein kann. Sie deuten aber zugleich darauf hin, dass das Trauma der Überlebenden unter anderem durch die jährlichen Gedenkakte wachgehalten und auf die nachkommende Generation übertragen werden könne. Arene hält das Erinnern trotz allem für notwendig, «um nicht zu vergessen, was geschah».

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Valens Niragire befasst sich bereits seit Längerem mit den Vorbereitungen zum Gedenktag am 7. April. Er ist katholischer Priester und Leiter der «Commission Episcopale Justice et Paix» (CEJP), eine Organisation der katholischen Kirche, die sich der Versöhnungsarbeit widmet. Vorgesehen ist unter anderem die Ausbildung von 120 Priestern, Ordensleuten und Nonnen im aktiven Zuhören und Weiterbildungen im Bereich Traumatherapie.

100 Tage dauert die Staatstrauer in Ruanda – etwa so lange, wie die Massaker andauerten. «In der Zeit des Gedenkens», wie Niragire diese Zeit bezeichnet, sei es wichtig, die Mitarbeiter zu stärken, sodass den Menschen, die Trost und Halt suchten, dieser auch wirklich gespendet werden könne. «Es ist immer auch eine Zeit großer menschlicher Solidarität», sagt er. «Für mich sind die Gedenktage jedes Jahr eine Erinnerung daran, dass Brüderlichkeit und Versöhnung möglich sind.»


Wie der britische Sender BBC am Freitag berichtet (Englisch), soll im Zuge der Gedenk-Feierlichkeiten am Sonntag in Ruanda auch eine Videobotschaft des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ausgestrahlt werden. Darin erkennt dieser ein Versagen Frankreichs und anderer Länder an, weil sie nicht genug getan hätten, um den Genozid zu verhindern.

Unterdessen hat Amnesty International die schleppende juristische Aufarbeitung des Genozids beklagt (Englisch). Diverse Täter seien verstorben, bevor ihnen der Prozess gemacht worden sei.

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1 Kommentar

  1. Die Welt ist Dualität von Gutem und Bösem

    „Eine weitere Säule ist eine Politik der nationalen Versöhnung und Einheit. Seit 30 Jahren werden Versöhnungsinitiativen in großem Stil gefördert. Ruanda sieht sich somit als Land der Einheit. Ethnische Zugehörigkeiten wie Hutu und Tutsi sind im öffentlichen Diskurs dort auch nicht mehr zu finden, stattdessen ist nur noch von «Brüdern und Schwestern» die Rede. Zusammenhalt ist das neue Mantra, allerdings unter straffer Führung“! Es ist erstaunlich, welcher starke Wandel sich hier vollzogen hat. Ähnlich wie bei der Beendigung der Rassentrennung in Südafrika mit ähnlichen Bemühungen von sehr vielen Versöhnungskomitees. Selbst christliche Gemeinden nannten zuvor schwarze Mitglieder „Menschen“, im Gegensatz zu den weißen Christen, die „Geschwister“ waren. Billy Graham lehnte Evangelisationen mit Einhaltung der Rassentrennung ab und setzte sich – auch mit guter Solidarität durch Martin Luther-King – durch. Immer nach Katastrophen werden bei uns vieleMenschen oft monatelang kostenlos helfende Engel. Dagegen in Ruanda geschah vorher ein brutaler Völkermord. Kinder erstechen bei uns Nichtsesshafte. Teenagerinnen ermorden sich gegenseitig. 6 Millionen jüdische Menschen werden in Hitlers Reich bestialisch gequält, misshandelt und zumeist in Öfen verbrand. Die Hamas schlachtet zuhauf in brutalster Weise unschuldige Israelis. Allerdings hat nicht Gott die derzeitige dortige Regierung eingesetzt, sondern nur der Wähler.

    Da zeigt sich, was wir sind – in unserer wahren Zwiespältigkeit: Engel und Teufel, verkörpernd das Gute und das Böse: Also letztlich Abbild der Liebe Gottes – oder Menschen mit einem ganz tiefen Abgrund in sich selbst. Leider kann dieser Abgrund in uns hineinfallen, oder wir in ihn und er besitzt eine gewisses Eigenleben. Wir bleiben verantwortlich dafür: Dass wir die Guten sind. Der Glaube der Juden und Christen ist eindeutig: Nur Gott ist gut, gerecht und in seiner Wahrheit und in seinem Lichte sind wir wie Licht. Aber sind wir nicht in ihm und er nicht in uns, ist er nicht mehr der Schatten über unserer rechten Hand: Dann sind wir oft Asche und vergehen mit der Welt. Dafür ist Jesus gestorben, nämlich zu unserer Heimkehr zu Gott, in sein Licht und seine Liebe. In dies kann man gewissermaßen eintauchen. Das Gegenteil davon ist einfach substanzlose Dunkelheit, in uns, in der Welt und in den Taten der Menschen. So einfach ist das Universum und sind wir auch gestrickt: Es geht immer um das Gute und das Böse. Auch in jedem Märchen herrscht diese Dualität, selbst in Harry Potter oder in den romantischen Liebesfilmen. Im Märchen kommt am Ende der Prinz und heiratet die Pechmarie. Auf die Erde kommt Jesus, um die Schöpfung zu erneuern und uns zu erlösen. Daher ist unsere Hoffnung eine sehr große, nämlich: Am Ende wird wirklich alles gut und in Gottes neuem Universum werden die Tränen des Lebens liebevoll getrocknet.

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