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Von Verwundungen und Heilung

Wie können Menschen mit seelischen Verwundungen umgehen und neue Kraft gewinnen? Zwei untaugliche und eine segensreiche Strategie.

Von Daniel Wildraut

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Samstagvormittag, dm-Arena Karlsruhe, vorletzter Redebeitrag beim Willow-Creek-Leitungskongress. Es geht in die Tiefe: Verwundungen, Heilung, Aufbrüche. Impulsgeber ist Jörg Ahlbrecht, theologischer Referent von Willow Creek Deutschland. Moderatorin Daniela Mailänder kündigt ihn bewegt als ihren „Mentor“ an, als „klugen und tiefen“ Menschen. „Jörg lebt das, was Gott in ihn gelegt hat. Er ist für mich ein Vorbild“, sagt Mailänder.

Was folgt, ist ein sehr persönlicher Impuls mit vielen leisen Tönen, aber auch leidenschaftlichen Appellen. „Viele von uns hatten viel zu verarbeiten in den vergangenen Jahren“, sagt Ahlbrecht. „Vieles tut weh in der Seele. Viele hier tragen Wunden in sich.“ Wodurch werden Menschen verwundet? Der Theologe nennt vier Auslöser:

  • Durch das Leben: Ziele werden nicht erreicht, wir verlieren Job oder Gesundheit. Die Ehe scheitert, geliebte Menschen sterben plötzlich und zu früh.
  • Durch Menschen: Wir werden ausgelacht oder ausgegrenzt, belogen und betrogen – von Bekannten, Freunden, Verwandten und Menschen aus unseren Gemeinden.
  • Durch Gott: Weil er nicht handelt, obwohl wir beten und ihn bitten. Weil er schweigt. Warum gewinnen in dieser Welt eigentlich immer die Kriegstreiber?
  • Durch uns selbst: Wir bestrafen uns selbst für unser Versagen, klagen uns an. Schämen uns.

Im Umgang mit Verwundungen gebe es typischerweise zwei Strategien, erklärt Ahlbrecht:

1. Die „Linus-Strategie“

Linus, der kleine Junge mit der Schmusedecke aus den Charlie-Brown-Comics, sagt einmal: ‚Kein Problem ist so groß oder kompliziert, dass man nicht davor weglaufen könnte.‘ Und genau das tun viele Menschen. Weglaufen. Ahlbrecht wird persönlich, erzählt von der zweiten Fehlgeburt seiner Frau: „Mein Schmerz war so groß, ich war taub, habe mich in die Arbeit gestürzt. Ich hatte keine Zeit für meine Verwundung – und keine Zeit, meiner Frau in ihrer Trauer beizustehen.“ Stille? Nicht auszuhalten.

2. Die „Joker-Strategie“

Joker, der grausame Gegenspieler von Batman, wählt eine andere Strategie: Er macht die Verwundung, sein durch Säure entstelltes Gesicht, zum Zentrum seines Lebens, zum Teil seiner Identität. „Manche Menschen definieren sich nur noch über die eigene Verwundung“, erklärt Ahlbrecht. „Alles dreht sich darum in ihrem Leben.“

Aber: „Helfen diese Strategien?“, fragt Ahlbrecht. „Heilen Sie? Was wäre, wenn da jemand ist, der deine Wunde heilen kann?“ Er stellt eine dritte Strategie vor:

3. Die „Jesus-Strategie

„Jesus kam, um die zerbrochenen Herzen zu verbinden. Gott verspricht, dass er am Ende alle Tränen abwischen wird. Und er geht noch weiter. In Psalm 56,9 heißt es: ‚Du sammelst meine Tränen in deinen Krug. Ich bin sicher, du zählst sie alle.‘“ Viele der Teilnehmenden im Messesaal in Karlsruhe hätten in den vergangenen Jahren Tränen ‚gesammelt‘. „Weißt du, dass du nie allein warst?“, unterstreicht Ahlbrecht. „Gott will deine Verwundungen heilen.“

Er wendet sich direkt an die Menschen in der Arena: „Darf ich dich fragen: Was ist deine Wunde, die nicht heilt? Was ist dein Schmerz, vor dem du fliehst? Die Berührung Jesu kann das heilen. Möglicherweise schont heute, in der kommenden Woche oder in einem Monat. Vielleicht braucht es dazu auch Seelsorge oder therapeutische Begleitung.“

Jörg Ahlbrecht beim Leitungskongress 2024 in Karlsruhe
Jörg Ahlbrecht (Foto: Willow Creek Deutschland)

Ahlbrecht wird noch einmal ganz persönlich, erzählt, dass er mehrere Jahre lang beim Lobpreis immer weinen musste, weil alte Wunden ungeheilt in ihm steckten. Bei einer Auszeit im Kloster habe er das vor Gott gebracht. „Und dann hörte das Weinen auf.“

„Linus-Typen“ sollten stehenbleiben und Gott erlauben, ihr Herz zu berühren. Die „Joker“ sollten sich von Gott eine neue Identität geben lassen, denn: „Du bist Gottes Meisterwerk, das ist deine Identität.“ Kann Jesus Wunden heilen? „Ja“, sagt Ahlbrecht. „Weil er selbst der verwundete Heiler ist.“

Im Anschluss an den Impuls können die Menschen in der Halle ihre persönlichen Verwundungen zu aufgestellten Kreuzen in der Halle „bringen“. Alles in Gottes Hand legen. Loslassen. Frei werden. Viele tun es. Wer möchte, kann sich im Foyer an das Willow-Gebetsteam wenden. Der Kongress bietet Raum für große Gemeinschaftserlebnisse, lautstarken Lobpreis zu treibenden Rhythmen – aber auch für die leisen Töne in der Seelsorge unter vier Augen. Das ist Willow.

Foto: Willow Creek Deutschland

Willow Creek Deutschland ist ein überkonfessionelles Netzwerk, das haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter ermöglichen will, ihre Berufung zu entdecken. Seit 1996 finden Kongresse in Deutschland statt – zuletzt 2022 in Leipzig.

Noch mehr Beiträge über den Leitungskongress 2024 findet ihr hier.


Transparenzhinweis: Das Jesus.de-Team unterstützte während des Leitungskongresses die Pressearbeit von Willow Creek Deutschland.

3 Kommentare

  1. Mein Ehemann ist vor einem Jahr verstorben. Ich vermisse ihn sehr. Gehe aber auch regelmäßig in die Kirche. Glaube trotzdem an Gott. Trotz großer Trauer.

  2. Gott ist Liebe

    Ein guter Artikel von Daniel. Ich glaube, dass – und da schließe ich mich zuallererst kritisch mit ein – wir alle in der Lage sind jeden Tag mit Gott zu reden und uns ihm gewissermaßen ebenso in die Arme zu werfen. Jedenfalls funktioniert es, Jesus selbst in das gute Wohnzimmer unserer Seele auch einzuladen. Auch wenn es nicht immer sehr aufgeräumt aussieht. Wir alle sind nicht vollkommen. Nirgend ist in der Bibel von den großen Persönlichkeiten im Alten Testament und im Neuen Testament die Rede, sie seien vollkommen gewesen. Petrus hat den Kopf geschüttelt, als das Grab an Ostern leer war. Vorher hatte er Jesus verleugnet. Saulus war sogar ein Verfolger der Jesusfreunde und wurde in der Begegnung mit Jesus ein Paulus und Apostel. Wir sind nicht vollkommen, aber wir können niemals aus der Hand Gottes fallen. Gott zu lieben, den Nächsten und uns selbst, ist unser vollständiger Auftrag. Sich selbst zu lieben bedeutet dabei ebenso vorauszusetzen, dass wir im Himmel geliebt sind und daher uns gegenüber auch nicht päpstlicher sein sollten wie der Papst. Das Problem hatte auch der junge Luther, der sich seines Heils nicht gewiss war und ständig neue Versuche startete, sich irgendwie doch selbst zu heilen und zu erlösen. Seine Bußübungen fühlen sich an, als wolle er über seinen eigenen Schatten springen. Wir sind es – erlöst. Golgatha hat bereits stattgefunden. Unsere Tränen werden abgewischt und wir sollten – ich an erster Stelle eingeschlossen – keine Allmachtsphantasien entwickeln. Jesu Jünger hatte diese und sie waren in den Wunsch verliebt, so etwas wie eine himmlische Regierung zu bilden. Über andere Macht zu haben kann die anderen Menschen ohnmächtig amchen. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg beschriebt, dass alle Arbeiter dort den gleichen Lohn erhalten und nicht nach (frommer) Leistung bezahlt werden. Denn auch und vor allem die Liebe Gottes gibt es nur als unbezahlbares Geschenk. Eigentlich müsste mich dies schon jubeln lassen. Aber wir sind eben alle nur Menschen und jubeln nicht, sondern jammern und manchmal mögen wir wir unser eigenes Spiegelbild nicht ansehen. Die Jesus-Strategie dürfte eher der Königsweg sein, verbunden damit schon hier gerne den Glauben aus Dankbarkeit exemplarischer zu leben.

  3. Manchmal muss man die ersten zwei Phasen durchlaufen um zur Dritten zu kommen ! Manchmal kann ein symbolischer Akt in die Tiefe wirken, manchmal durchläuft man anscheinend „ewig dauernde“ Prozesse !? Manchmal ist der vorgehaltene Spiegel wichtig und manchmal sollte man von sich selbst wegschauen. Manchmal geht es in die Einsamkeit und manchmal braucht es die Gemeinschaft. Manchmal widerstrebt man Gott und manchmal kooperiert man mit ihm. Manchmal geht es in den Himmel und noch nicht alles ist verheilt !

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