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Sexueller Missbrauch: EKD Betroffenenbeirat gescheitert

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat die Arbeit des Betroffenenbeirats zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Mit der Begründung ist die Mehrheit der Beiratsmitglieder nicht einverstanden.

Darum geht es: Der zwölfköpfige Betroffenenbeirat sollte den EKD-Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, ein Gremium aus leitenden Geistlichen und Kirchenjuristen, beraten und begleiten. So weit, so gut. Jetzt wurde durch die EKD jedoch die Aussetzung des Betroffenenbeirats angekündigt. Begründet wird der Schritt in einer Pressemitteilung unter anderem mit den Rücktritten mehrerer Mitglieder aus dem Betroffenenbeirat und internen Streitigkeiten, die einen strategischen Konsens verhindert hätten. Daher wolle man die bisherige Arbeit des Gremiums aussetzen und extern auswerten lassen, um „die Perspektive der Betroffenen künftig noch besser einzubeziehen“. Auf Basis dieser Auswertung wolle man dann gemeinsam mit den ursprünglichen Mitgliedern des Betroffenenbeirats „neue Formen der Beteiligung“ diskutieren, so die EKD. Dennoch solle auch in dieser Übergangszeit der Fortschritt der Arbeit durch eine Interimslösung sichergestellt werden. Der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns betonte, man wolle dazulernen und seit auch weiterhin auf das „Erfahrungswissen der Betroffenen angewiesen“.

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„Notwendige Arbeitsbedingungen nicht sichergestellt“

In seiner Analyse der Situation merkt Philipp Greifenstein im Eulemagazin kritisch an, dass die Mehrheit der verbliebenen Mitglieder nicht mit der Auflösung des Betroffenenbeirats einverstanden gewesen sei. Außerdem hätten sich vier der fünf zurückgetretenen Beiratsmitglieder bereits mit einem Schreiben zu Wort gemeldet, um der Aussage zu widersprechen, dass vor allem Streitigkeiten unter den Beiräten der Grund für das Aussetzen des Gremiums gewesen seien. Vielmehr habe der EKD-Beauftragtenrat die „notwendigen Arbeitsbedingungen von vornherein nicht hergestellt“, so Detlev Zander, bis zuletzt Mitglied im Betroffenenbeirat, laut Eulemagazin. So habe es zum Beispiel keinen Raum für vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Mitgliedern aus sehr unterschiedlichen Kontexten gegeben. Von der EKD habe man außerdem die fachliche Expertise in der Begleitung vermisst. Es habe ein „in der Sache kompetentes zu beratendes Gegenüber“ gefehlt, heißt es in dem Schreiben. Auftrag und Ziel des Betroffenenbeirats seien bis zuletzt nicht klar geworden.

Missbrauchsbeauftragter Rörig: „Es braucht klare Regeln“

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, äußerte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd), er hoffe, „dass man über eine Schlichtung zu einer Fortsetzung der Arbeit des Betroffenenbeirats“ komme. Es müsse klare Regeln geben, die die Pflichten der Institution sowie das Mitwirken der Betroffenen benennen, damit enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten vermieden werden könnten. „Das scheint mir einer der Kristallisationspunkte des aktuellen Streits zu sein. Man hätte die gegenseitigen Erwartungen ausführlicher besprechen müssen“, sagte Rörig. Daher sieht Rörig auch den angekündigten Auswertungsprozess, den die EKD ankündigte, skeptisch:  „Ich kann einen Prozess erst dann evaluieren, wenn er eine gewisse Zeit nach festgelegten Kriterien gelaufen ist“, sagte er. Sicher sei: „Menschen dürfen nicht evaluiert werden.“

Zum Hintergrund

Der Betroffenenbeirat wurde von der EKD im August 2020 berufen, mit dem Ziel, Betroffene sexualisierter Gewalt in die laufenden Entscheidungsprozesse einzubinden. Der Beirat sollte an allen laufenden Prozessen zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der EKD und der Diakonie beteiligt werden.

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1 Kommentar

  1. Kein weiteres Gemurkse um Aufarbeitung, Buße, Vergebung und Wiedergutmachung

    Das EKD- Betroffenenbeirat ist gescheitert – dies ist sehr bedauerlich. Es habe ein „in der Sache kompetentes zu beratendes Gegenüber“ gefehlt, heißt es in dem Schreiben. Auftrag und Ziel des Betroffenenbeirats seien bis zuletzt nicht klar geworden. Mir ist beim Lesen dieser Nachricht nicht wirklich deutlich geworden, wer das nichtkompetente beratende Gegenüber ist: Der Beauftragtenrat oder der Betroffenenbeirat ? Es ist hier auch nichts zu lesen, ob und wie externe Fachleute einbezogen sind. Sind diese beispielsweise Mitglieder im Beauftragtenrat bzw. Betroffenenbeirat ? Wenn hier kritisch angemerkt wird, es müsse Regeln geben, dann entsetzt mich dies. Denn diese Aussage für Regeln ist genauso selbstredend, dass es abends dunkel wird und im Winter meist kalt. Wer über solche schwierigen Themen, dann auch noch mit Betroffenen, vor allem in einer angemessener Form kommunizieren will, braucht klare und m.E. vor allem sehr fachliche Regeln. Dazu gehört auch, dass alle Seiten ganz genau miteinander festlegen, wann und über welche Themen/Ergebnisse auch die Öffentlichkeit informiert werden soll und wie solche Ergebnisse festgestellt werden. Wird da der Betroffenenbeirat nur gehört, oder stimmt er mit ab ? Muss Einstimmigkeit erfolgen ? Für eine psychologisch bzw. psychotherapeutisch arbeitende Gruppierung gilt sogar eine absolute Schweigepflicht nach außen, damit in einem geschützten Raum Vertrauen überhaupt entsteht und Unsagbares versprachlicht werden kann. Nun sind aber diese beiden Teilgruppen weder eine Selbsthilfe- noch eine psychotherapeutische Gruppe, sondern es soll ja aufgeklärt, benannt und möglicherweise auch in Akten gebracht werden. Und es muss ein Ergebnis bekannt gegeben werden.

    Da ich kein Fachmann (sondern höchstens ein informierter Laie) bin, schreibe ich daher sehr vorsichtig und mit der Möglichkeit des Irrtums: Wäre es nicht sinnvoller, beide Teilgruppen zunächst getrennt arbeiten zu lassen ? Denn ein Betroffenenbeirat hat aufgrund der inneren Logik der Probleme eine ganz andere Sicht, auch wegen der Betroffenheit, auf ein erwartetes Ziel als der Beauftragtenrat, letzterer vertritt ja eine Institution. Beide Teilgruppen am Ende zusammen zu führen und zu sehen, ob die Zahnrädchen ineinander einrasten, wäre ggfls. sinnvoll. Mich erstaunt, dass hier auf kirchlicher Seite nicht vorher bereits wesentliche und grundlegende Überlegungen getroffen wurden und man erst jetzt feststellt, dass es keine (klaren ?) Regeln gibt. Natürlich kann man einem Betroffenenbeirat keine Regeln aufoktruieren, aber man sollte wenigstens etwas mit einbringen und darüber reden. Es ist wahrscheinlich auch völlig unfair von dem Betroffenenbeirat zu erwarten, klare Vorstellungen von der Form des Kommunikationsprozesses zu haben.

    Interessant ist auch die Frage, inwieweit hier in Gruppendynamik und in Beratungsprozessen erfahrene Menschen, von Seiten der beiden Räte sich einbringen können oder sollen. Erfahrene neutrale Supervisoren könnten hier mehr zu einem Erfolg führen als so so ein ofjektiv sehr schwieriges Konstrukt. Auch Kirchenjuristen dürfen dann etwas dazu lernen. Supervision ist auch nicht unchristlich. Wie gewissenhaft hier auf menschlich-kommunikativer Ebene miteinander geredet werden muss zeigt die Tatsache, dass Teilnehmer*innen selbst von Supervisionen in Einzelfällen Suizid gegangen haben. Es geht ja leider um Menschen, die in ihrer Seele sehr verletzt sind. Dies braucht vor allem Einfühlungsvermögen.

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