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China: Evangelisation in Frauenhand (2)

Die Bedeutung der „Bible Women“ bei der Verbreitung des christlichen Glaubens in China war Anfang des 20. Jahrhunderts immens. Eine von ihnen, die Ärztin und Schulgründerin Dora Yu, inspirierte Watchman Nee zu seinem Dienst.

Die Arbeit als Bible Women brachte für die Frauen viele Entbehrungen mit sich. Nicht nur, dass die Bezahlung schlecht war, es gab oft Widerstand von den Familien. Nicht alle waren begeistert vom Enthusiasmus ihrer Töchter, Ehefrauen oder Mütter, mit dem sie sich dieser neuen Religion widmeten. Hinzu kam die unausgesprochene Erwartung, dass Töchter sich um ihre alternden Eltern kümmern und ihnen ihre Zeit opfern, anstatt durch die Gegend zu ziehen und zu evangelisieren. Im schlimmsten Fall wurden Frauen von ihren Familien verstoßen, enterbt oder sogar verfolgt. In manchen Fällen wurde es sogar lebensgefährlich für die Frauen: Als in China während des Boxeraufstands 1900 beinahe zweihundert christliche Missionare getötet wurden, blieben auch viele Bible Women nicht verschont.

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Wegbereiterin und Pionierin Dora Yu

Trotz aller Gefahren und Einschränkungen fanden sich immer wieder mutige Frauen, die ihr Leben der Evangelisation und der Verbreitung der Bibel widmeten. Gerade Bildung öffnete dabei immer wieder neue Türen und bot nicht zuletzt die Möglichkeit, die Missionstätigkeit mit praktischer Hilfe zu verbinden und nicht nur die einfachen Leute, sondern alle Gesellschaftsschichten zu erreichen.

So auch bei Dora Yu (oder Jü). Sie wurde 1873 als Tochter eines chinesischen presbyterianischen Pastors geboren. Ihr Vater, ursprünglich ein Militärarzt, hatte sich nach seinem Dienst in einem von Amerikanern gegründeten Seminar eingeschrieben. Dora empfand es als großen Segen, dass sie diesen Glauben dadurch nicht nur kennengelernt, sondern selbst damit aufgewachsen war. Sie ging von klein auf zu einer christlichen Schule und entwickelte einen sehr persönlichen Glauben an Gott. Nach einer medizinischen Ausbildung arbeitete sie lange Jahre als Ärztin und verknüpfte dies immer wieder mit evangelistischen Tätigkeiten.

1897 begleitete sie die amerikanische Missionarin Josephine Campbell einige Jahre lang nach Korea, wo sie mit ihr gemeinsam eine Mädchenschule und eine kleine Gemeinde gründete, in der Dora für eineinhalb Jahre als Hauptpredigerin tätig war. Nach einigen Jahren kehrte sie nach China zurück und widmete sich ganz der Evangelisation, als Anfang des 20. Jahrhunderts eine Welle der Erweckung durch China schwappte. Dabei sagte sie sich schließlich ganz von der finanziellen Unterstützung des Westens los und lebte von Spenden und Unterstützern. 1909 gründete sie in Shanghai eine Bibelschule, die eine besondere Betonung auf Gebet und Bibelstudium legte.

Im Laufe ihres Lebens förderte und stärkte Dora Yu nicht nur viele Gemeinden, sondern bereitete auch viele Evangelistinnen und Evangelistin auf ihren eigenen Dienst vor. Einer der bekanntesten war Watchman Nee, der sich auf einer ihrer Evangelisationsveranstaltungen bekehrte und daraufhin ihre Bibelschule besuchte. Er gründete über 700 Gemeinden und schrieb viele Bücher über Predigten und Bibelauslegungen. 1952 steckte ihn die regierung wegen angeblicher „konterrevolutionärer Tätigkeiten“ ins Gefängnis. Er starb dort 1972.

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Frauen als Pfarrerinnen?

Zu erwähnen sind im Zusammenhang mit den Bible Women nicht nur herausragende Evangelistinnen, sondern auch jene Frauen in ganz offiziellen Kirchenämtern. Auf den Missionskonferenzen in China waren Missionarinnen und Bible Women zu Beginn außen vor. Alle Entscheidungen wurden von Männern getroffen, die Ämter von Männern getragen. Dies änderte sich erst nach der National Christian Conference 1922. In einem dort vorgestellten Artikel mit dem Titel „Women and the Church“ (Frauen und die Kirche) stellte Ruth Cheng von der Universität Yanjing fest, dass die Kirche einen weitaus größeren Beitrag für die Frauenrechte geleistet hatte als die „Bewegung des vierten Mai“ (eine Protestbewegung gegen den Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg und gegen die bisherigen kulturellen Gegebenheiten in China wie die Rollentrennung von Mann und Frau). Obwohl in der Kirche immer mehr Frauen leitende Rollen übernahmen, war ihnen eine offizielle Anerkennung bis dahinverwehrt geblieben.

Cheng sprach sich dafür aus, dass die Kirche sich nicht auf die „Befreiung der Frau“ konzentrieren, sondern auch offen sein sollte für ihre aktive Mitarbeit. Fan Yu-Jung, Sekretärin des Nationalen Komitees des YWCA (zu Deutsch CVJF, die weibliche Variante des CVJM), betonte die Wichtigkeit der Förderung weiblicher Leiter, damit die Kirche eine gesunde Balance entwickeln und ganzheitlich reifen könne. Immer mehr Stimmen forderten, die Arbeit der Frauen in der Kirche nicht nur als positiven Beitrag, sondern als essenziell und unentbehrlich für den Bau der Kirche in China anzuerkennen.

Diesen Aufrufen folgten nach und nach Veränderungen. 1929 wurde Siek Hua-Saeng von der Methodistischen Kirche als Predigerin ausgesandt, um das schwer zugängliche Dorf Bah-sua auf der Insel Hainan zu betreuen. Innerhalb von zwei Jahren bekehrten sich über hundert Familien, und ein Mitarbeiter der Kirche bezeichnete sie als sehr viel begabter als ihre männlichen Kollegen in dem Distrikt. 1931 griff die Church of Christ in China die Frage nach ordinierten Frauen auf und stellte fest, dass es bei ihnen längst weibliche Älteste gab – lange bevor dies auch in westlichen Kirchen geschah. Chen Yu Lin, eine erfolgreiche Evangelistin, wurde 1938 als erste Pastorin ordiniert. 1944 wurde mit Florence Li Tim-Oi die erste anglikanische Priesterin geweiht – etwas, das im Westen erst ab den 1970er-Jahren üblich wurde und selbst bis heute eher die Ausnahme ist. Allerdings musste sie dieses Amt nach dem Ende des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs wieder niederlegen. Es dauerte nicht lang, bis Leiterinnen und teilweise Pastorinnen zur Norm wurden.

Zahl der Frauen in Leitungsfunktionen rückläufig

Erst in den letzten beiden Jahrzehnten ist diese Entwicklung rückläufig. Starke calvinistische Strömungen, die eine klare Rollenverteilung von Mann und Frau betonen, wie auch das Auftauchen einzelner Irrlehrerinnen und Sekten (wie in der „Kirche des Allmächtigen Gottes“, die behauptet, Jesus sei bereits in weiblicher Form wiedergekehrt) führen immer mehr zum Rückgang weiblicher Leiterinnen.

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Tatsache bleibt, dass die inzwischen über 30 Millionen starke Christenheit in China und die Verbreitung der Bibel dort nicht denkbar gewesen wären, hätte es die Bible Women und ihre hingebungsvolle Arbeit nicht gegeben.

Dieser Text ist der zweite Artikel über die Arbeit der Chinese Bible Woman. Den ersten Teil des Artikels können Sie hier nachlesen. 


Lydia Rieß ist evangelische Theologin, Autorin und Übersetzerin. Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Faszination Bibel (Ausgabe 03/2020). Faszination Bibel erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.

 

 

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