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Weihnachten feiern – Fan oder Kritiker?

Zwischen Krippe und Kommerz: Uli Eggers und Thomas Härry sprechen darüber, was ihnen Weihnachten persönlich bedeutet.

Uli: Ich gebe es gern gleich zu: Ich habe ein Faible für romantische Weihnachts-Bilder – Wandern im frisch gefallenen Schnee, Lichterketten oder Tannenbäume in den Fenstern, der vertraute Adventsschmuck im Haus – ich liebe es sogar, morgens den Fußweg zu räumen, ein sinnliches Vergnügen! Dazu dann noch hier und da eine heiße Tasse Tee und ein gutes Buch am Kamin – vermutlich bin ich da familiär vorgeprägt durch das Leben in einem Pastorenhaushalt: Adventsfeiern, Weihnachten – das ist ja eine Form der Hochsaison in der Kirche, die dann auch an den Pastorenfamilien nicht einfach vorbei geht.

Neulich war ich mal bei einem Adventsmarkt im Heimatmuseum. Es gab sogar ein Kaffeetrinken in der großen Tenne eines Bauernhauses. Ich trat in den großen Raum ein und nahm diese herrlich sinnliche (Geruchs-)Mischung aus warmem Kaffee, süßem Kuchen, Tassenklirren und Volksgemurmel der Unterhaltungen wahr: Hey, das war ja wie die Gemeinde-Adventsfeiern in den sechziger Jahren in der FeG Stade, die ich als Junge wohl irgendwie tief in mich aufgenommen habe! Herrlich, anrührend – pure Nostalgie! Weihnachten – unsere Beziehung dazu wird offensichtlich schon in der Kinderzeit geprägt.

Oder wie sieht es da bei Dir aus, Thomas? War auf einem Bauernhof Advent und Weihnachten ein Thema? Hast Du positive Erinnerungen?

Thomas: Ja, die habe ich. Es begann schon früh im Dezember mit dem Samichlaus [Schweizer Bezeichnung für den Nikolaus]. Große Aufregung, wenn er an die Türe klopfte, mit tiefer Stimme zu uns Kindern sprach, uns lobte und mahnte. Ich konnte mir keinen Reim daraus machen, woher er von unseren Streichen wusste, von denen wir dachten, dass nicht mal die Eltern sie mitbekommen hatten. Das war schon mal ein großer Höhepunkt. Der praktisch jedes Jahr verschneite Winter schuf auch eine besondere Nähe zu unseren Tieren: Die Katzen durften sich im Haus aufhalten. Der Hund suchte öfter unsere Nähe. Selbst die Kühe im Stall schienen uns zugeneigt und verbreitete ein Stück Bethlehem-Stimmung. Wir waren froh, dass ihre Leiber den Stall wärmten, in dem wir als Kinder mithelfen mussten: Tiere füttern, melken, ausmisten. Die Familienfeiern waren sehr schlicht, nüchtern, aber herzlich. Es gab sehr einfache Geschenke – aber vor der Mutter immer mit viel Bedacht ausgewählt. Oft Nützliches (warme Socken), aber immer auch Erwünschtes (ein Kassettengerät). Es war ein großes Zusammenrücken, viel Nähe. Auch gefühlt eine heilige Zeit …

Uli: Meine positive Erinnerung an eine romantisch-gemütliche Weihnachtszeit hat sich jedenfalls stark auf unser eigenen Familienleben ausgewirkt. Wir haben versucht, da möglichst viel Gutes fortzusetzen und diese Zeit zu etwas Besonderem gerade auch für die Familie zu machen – gerade gebe ich das jedes Adventswochenende an unsere Enkel weiter mit Vorlesen, Kamin, leckeren Broten – sogar ein paar Lieder schaffen wir zusammen (naja, ich singe, die Enkel nutzen die von meiner Frau ausgeteilten Rhythmus-Instrumente …). Wobei – Du hast das ja in Eurer Familienzeit als Gemeindepastor vermutlich auch mit einem professionellen Blick betrachtet und vielleicht auch die Stress-Seite des Themas zu spüren bekommen. Hat das positive oder negative Spuren für dich und euch hinterlassen?

Thomas: Ja, ich war natürlich in dieser Zeit innerlich weniger frei und wohl auch weniger verfügbar für die eigene Familie, wie wenn ich einen Beruf gehabt hätte, der mir freie Weihnachtstage ermöglichte. Wir versuchten dennoch einen der Weihnachtstage ganz für uns und ausgiebig zu feiern. Ich erinnere mich an eine Zeit, in der nicht viel Romantik dabei war: Die Kinder waren so aufgeregt und auf ihre Geschenke fixiert, dass es mehr Stress als Besinnung war. Je älter sie wurden, umso besser gelang uns ein bewusstes Feiern. Heute sind es für mich selbst die schönsten Weihnachtsfeiern: Unsere drei mittlerweile ausgezogenen Töchter kommen nach Hause. Wir bereiten alles gemeinsam vor. Jeder trägt etwas bei: Ein Lied, einen Text, ein Gedicht. Wir erzählen einander zu den Geschenken, was uns dazu bewogen hat. Wir singen. Spielen Spiele. Eine wunderschöne Gelegenheit, einander Wertschätzung und Liebe zu geben. Natürlich, da kann auch mal ein spannungsvoller Krisenmoment entstehen. Aber wir sind im Umgang damit alle erwachsener geworden, auch wir Eltern.

Bei der Spurensuche nach dem eigentlichen Inhalt landen die Leute dann eher noch bei den Traditionen von Tannenbaum und Adventskranz als beim Kind in der Krippe.

Uli Eggers
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Uli: Es ist ja heute leicht, den ganzen Weihnachtsrummel zu kritisieren – so viel Kommerz, Extra-Umsatz, gnadenloses Instrumentalisieren aller irgendwie nutzbaren Verkaufs-Anlässe von Halloween bis Nikolaus. Ich empfinde es zugleich wirklich als ein Trauerspiel, wie proaktiv – zumindest bei uns im traditions-misstrauischen und eigene-Wurzeln-kritischen Deutschland – die christliche Weihnachts-Tradition übermalt oder verzerrt wird durch säkularisierte und multi-traditions-taugliche Versionen: Lichterfest heißt das dann etwa – und selbst bei der Spurensuche nach dem eigentlichen Inhalt landen die Leute dann eher noch bei den Traditionen von Tannenbaum und Adventskranz als beim Kind in der Krippe, dass die ultimative Selbst-Definition unseres Gottes und seiner Liebe zu uns ist. Das finde ich eine Riesen-Aufgabe der Kirchen, sich da gesellschaftlich laut zu äußern – und eine riesige Chance! Gemeinden mit einem Stand beim Weihnachtsmarkt, Veranstaltungen in der Weihnachtszeit, Aktionen wie „Weihnachten neu erleben“ oder die Super-Idee, Weihnachts-Gottesdienste oder Christvespern an öffentlichen Orten der Stadt zu feiern und alle einzuladen: Was für eine Chance, die Stimmung von Weihnachten aufzunehmen und auf ihren Ursprung zurückzuführen!

Insofern rufe ich mich selbst bei allem Ärger über Kommerzialisierung oder Entchristlichung auch immer ein bisschen zur Ordnung und sage: Wir müssen und können was daran tun und verändern – gerade die großen traditionellen Kirchen haben hier ja eine besondere Chance. Wobei – wenn ich an die Schweiz und Winter und Schnee denke, dann könnte man meinen, bei Euch sei die Situation im Blick auf Weihnachten noch irgendwie heiler …

Thomas: In den ländlichen Gegenden bei uns mag es tatsächlich in der Tendenz etwas heiler zu und her gehen. In den urbaneren Zentren wird es dem ähnlich sein, was du beschreibst. Und der Schnee ist bei uns im Mittelland auch selten geworden. Die Kommerzialisierung eines christlichen Festes stört mich auch, vor allem die kapitalistische Aushöhlung darin. Die Säkularisierung als solche stört mich weniger. Ich weiß, beides ist miteinander verhängt. Aber ich kann schon gut nachvollziehen, dass ein Mensch, der keinen Bezug zum christlichen Glauben hat, an Weihnachten nicht zur Besinnung neigt. Wie auch? Dass er keinen Gottesdienst besuchen will. Unsere Länder waren einmal christlicher geprägt – sie sind es heute nur noch an den Rändern. Wir Christen können das bedauern und beklagen – es hilft nichts. Ich für mich sehe an Weihnachten nicht die große missionarische Chance, vor allem, wenn wir sie übers Jahr hinweg nicht ebenso ernsthaft wahrnehmen. Gottes Mission ist/gilt immer – am 18. Februar genauso wie an Weihnachten. Außer, dass wir an Weihnachten einen gewissen Anknüpfungsvorteil bei jenen Menschen haben, die zumindest noch grob wissen, worauf sich dieses Fest gründet.

Als Pastor habe ich beides erlebt: Stressige Dienste, fehlende Ideen – und zu aufgeblasene Projekte, die mich und die Gemeinde letztlich überfordert und ausgelaugt haben. Wo wir es schlicht hielten, dafür umso mehr Herz in einfachste Formen legten, dort war es auch für mich am Schönsten. Und ich bilde mir ein, für die Besucherinnen und Besucher der Gottesdienste auch.

Ich bin dankbar für Advent und Weihnachten.

Uli Eggers

Uli: Als Freikirchler habe ich ja ein relativ ungeprägtes Verhältnis zur Institution des Kirchenjahres mit seinen Regel-Terminen, die das Jahr ja fast wie eine Art Rosenkranz in geistliche Termine gliedern und bestimmte Aspekte immer wieder in Erinnerung bringen. Je älter ich werde, umso mehr kann ich damit anfangen und den Wert dieser Institution entdecken. Wiederholungen haben Schwächen – sie nutzen sich ab. Und eben aber auch Stärken, weil sie unsere Tendenz zum Vergessen und Verflachen berücksichtigen. Auch insofern bin ich dankbar für Advent und Weihnachten, die sich hierzulande ja eben besonders auch durch den Gegensatz von Dunkel und Licht so sinnlich gestalten lassen.

Aber in dem allen dann immer wieder durchzustoßen zum Kind in der Krippe, seinem Leben und Sterben für uns – und der Liebe Gottes, die sich darin äußert, das bleibt Aufgabe, für die wir Zeit finden müssen in den kurzen langen Wochen vor Weihnachten. Mir hat mal ein Satz des schlesischen Dichters Angelus Silesius geholfen: „Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du gingest ewiglich verloren!

Ich verstehe gut den Punkt der persönlichen Beziehung, zu der uns Christus einlädt, diesen Ruf zur Nachfolge an mich. Und eben auch an andere, unsere missionarische Verantwortung, weiterzusagen von Gottes Liebe – und eben gerade Weihnachten da als Sprungbrett einzusetzen. Zugleich will ich im Blick behalten, dass Gottes Wunsch nach Wiederherstellung der Gemeinschaft mit seinen Menschen in Tod und Auferstehung vielleicht ja noch viel umfassender geschieht als das hier mit dem Fokus der persönlichen Wiedergeburt zugespitzt wird. Da ich das aber nur ahnen und wünschen kann, bleibt dieser starke Impuls: Die Geburt von Jesus hat sehr persönlich mit meinem Leben zu tun – nicht nur Weihnachten …

Meinem Glauben hilft das Wissen um dessen historische Verankerung.

Thomas Härry

Thomas: Dein Silesius-Zitat erinnert mich an einen Theologieprofessor, der in meiner Dogmatik-Abschlussklausur damals dieses Satz umkehrte und sagte: „Wäre Christus tausend Mal in dir geboren und nicht in Bethlehem, dann gingest ewiglich du verloren!“ Das fand ich bemerkenswert. Und es stimmt: Innerste Erfahrung ohne Bezug zu einer von mir losgelösten Wirklichkeit bleibt am Ende reine Subjektivität. Wir brauchen beides: Die persönliche Bejahung wie auch die Verlässlichkeit dessen, worauf sich diese gründet. Von daher hilft meinem Glauben das Wissen um dessen historische Verankerung. Sie ersetzt meinen persönlichen Glauben nicht, aber sie gibt ihm einen guten Boden. Es ist eben auch vernünftig zu glauben. Wenn auch die Vernunft alleine den Glauben nicht zu tragen vermag. Aber sie tun sich gut, die beiden! O je, jetzt bin ich philosophisch geworden.


Thomas Härry und Ulrich Eggers sprechen über Glaube, Führung, Lebensstile und Literatur. Die Idee kam ihnen beim Biografie-Projekt von Ulrich Eggers – Der Ideen-Entzünder – Von der Treue im Großen, mutigen Entscheidungen und dem Glauben am Montag

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1 Kommentar

  1. Traditionen sind immer gut

    Warum nicht: Jede und jeder hat seine eigene Weihnachtstradition. Dies ist allzu menschlich. Wenn wir dabei nicht vergessen, um was es im Kern geht: Dass Gott Mensch wurde, ein kleines Baby, in einer Notunterkunft, mit sehr jungen Eltern. Dass Gott im Menschen Jesu erfahren konnte und wollte, wie es sich anfühlt im menschlichen Leben, sogar in seinen tiefsten Tiefen wie bei Jesu Hinrichtung am Kreuz: Kann es mehr Solidarität und Liebe Gottes geben? Dass ein neugeborenes Kind bereits das Symbol dafür ist, dass alles neu wird – als Neuer Himmel und Neue Erde. Wenn wir das nicht vergessen und wenn es nicht untergeht dabei, dann ist jede Weihnachtstradition gut. Denn wie sollten wir dann gut leben können ohne Traditionen, Rituale und den menschlichen Zusammenhalt. Ich wage es sogar zu sagen, dass auch n u r ein Fest zu feiern wo es um Liebe geht, schon ein Wert auch an sich ist. Fundamentalisten wären dann jene, die völlig vergessen, wie über dem Fundament auch Menschlichkeit sein muss. Oder Modernisten wären dann, die alles Äußerliche verinnerlichen und das Fundament, den Grund und das Motiv des Glaubens, vergessen.

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