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Gemeinde: Junge Erwachsene verstehen und fördern

Die Kirchen haben gute Möglichkeiten, junge Erwachsene in ihrer Entwicklung und Identitätssuche zu unterstützen, sagt Sozial- und Gemeindepädagogin Judith Westerheide. Doch dafür sei ein Umdenken nötig. 

Junge Erwachsene sind nicht mehr so, wie vorherige Generationen ihre Zeit zwischen 20 und 30 in Erinnerung haben. Da hat sich etwas verändert. Viele von uns nehmen das zwar wahr – doch wahrhaben will man es deshalb noch lange nicht … Und daher erwarten wir in unseren Kirchen weiter: stabile und verantwortungsvolle junge Erwachsene, die wissen, wer sie sind, die selbstlos, engagiert und eigenständig Aufgaben in der Gemeinde übernehmen und jede Woche treu im „Jungen Erwachsenenkreis“ erscheinen. Wir jammern, wenn sie für ihr Studium wegziehen oder, noch schlimmer, monatelang mit dem Rucksack durch die Welt pilgern, ein Praktikum nach dem anderen machen, die Ausbildung abbrechen oder sich als Influencer/innen versuchen.

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Doch die Zeiten haben sich geändert. Und mit ihr die jungen Erwachsenen oder, wie ich sie nenne, New Adults.1 Diese Veränderungen zu verstehen, New Adults zu verstehen, ist ein erster und wichtigster Schritt für uns als Gemeinden. Denn nur, wenn wir wissen, mit wem wir es zu tun haben, können wir die Anknüpfungspunkte für unser Gemeindeleben suchen und finden. Erst dann können wir auf Bedürfnisse eingehen, Entwicklungsprozesse unterstützen, New Adults fördern und fordern, von ihnen bereichert werden und ihnen Begleitpersonen sein auf dem Weg des Erwachsenwerdens. Und dann können wir auch die Anknüpfungspunkte für das Evangelium finden – die Punkte, die wirklich „gute Nachricht“ für diese Lebensphase sind und Herzen erreichen.

Das „neue Normal“ anerkennen

Das inhaltliche Hauptmerkmal heutiger New Adults ist die Identitätsentwicklung2, so das Ergebnis der Forschungen von Jeffrey J. Arnett innerhalb der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen. Anders als zu Erik Eriksons Zeiten, der die Entwicklung der eigenen Identität als Voraussetzung für den Beginn des jungen Erwachsenenalters sah, haben wir es also heute mit jungen Menschen zu tun, die häufig eben noch nicht wissen, wer sie sind, sondern die gerade dabei sind, dies herauszufinden. Die anderen, von Arnett genannten Merkmale gehen mit der Identitätsentwicklung einher: ein hohes Maß an Instabilität, eine starke Selbstfokussierung, ein Gefühl des Dazwischenseins und die Zeit der Möglichkeiten.3

Es ist gerade „in“, New Adults von ihren Defiziten her zu betrachten, sie als unreif und unmündig, egoistisch und ziellos zu betiteln.4 Hilfreicher ist es aber, wenn wir unsere Gemeinden Orte sein lassen, die Räume eröffnen, an denen New Adults ihre eigene Identität entwickeln können. Räume, in denen sie angenommen und anerkannt werden, in denen sie sein und werden dürfen. Räume, in denen sie Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter finden auf dem Weg zur eigenen Identität. Räume, in denen sie Gott als jemanden kennenlernen können, der sich das mit der Einzigartigkeit und dem Wert jeder einzelnen Person überhaupt erst ausgedacht hat, was wiederum die Basis der Identitätssuche bilden kann.

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In den folgenden Abschnitten gebe ich einige Ideen weiter, die helfen können, auf New Adults einzugehen. Die von mir genannten Punkte sind einzelne Schlussfolgerungen aus der Frage, wie sich Identität entwickelt (worauf an dieser Stelle aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann) und was es dafür braucht. Als Gemeinden haben wir unglaubliche Ressourcen, um New Adults in den Herausforderungen ihrer Lebensphase zu begegnen. Voraussetzung ist allerdings, dass wir uns auf sie einlassen, darauf, wie New Adults wirklich sind und nicht, wie wir sie vielleicht gerne hätten. Dann werden auch wir herausgefordert, bereichert, hinterfragt und mit Leidenschaft, Tatendrang und Optimismus angesteckt.

Positive Begegnungsräume

Um Identität entwickeln zu können, braucht es soziale Ressourcen.5 Jugendkreise und Kleingruppen, Freundinnen und Freunde, Jugendleiter und Mentorinnen, Seelsorger und Pastorinnen – unsere Gemeinden strotzen vor Potenzial! Positive soziale Beziehungen „fungieren als Rückhalt und emotionale Stütze und dienen der Orientierung in inneren Spannungen und äußeren Umbrüchen“.6 Sie sind wie eine Art „safe haven“ in einer Welt mit unendlichen Möglichkeiten und Herausforderungen.

Als Gemeinden können wir Räume schaffen, die positive, echte Beziehungen ermöglichen und fördern. Dazu zählen die tatsächlichen Räumlichkeiten, in denen Treffen möglich sind und Menschen, die ihre Häuser öffnen und bei denen man willkommen ist. Das können Abende zum Thema Freundschaft und Diskussionsrunden zum Umgang mit sozialen Medien sein, erlebnispädagogische Angebote, Koch- und Gemeinschaftsabende oder auch der ehrliche Austausch darüber, was es heißt, Weggefährtinnen und Weggefährten zu sein – auf dem Weg als Christin oder Christ.

Mentoring und andere Begleitungsangebote

Auf einen positiven Begegnungsraum möchte ich noch etwas genauer eingehen – Mentoring. Eine erfahrenere, dadurch meist ältere Person unterstützt eine jüngere Person in ihrem ganzheitlichen Lebensentwurf und wird zum Wegbegleiter, zur Wegbegleiterin.7 Eine Person, bei der Gedanken ausgesprochen, Fragen gestellt und das Herz ausgeschüttet werden darf. Aber ein Mentor/eine Mentorin darf auch mal hinterfragen oder herausfordern und kann dabei helfen, sich auf die Schliche zu kommen und neue Perspektiven zu entdecken.

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Ein Mentor oder eine Mentorin sind eine soziale Ressource, die helfen kann, die eigenen personalen Ressourcen zu entdecken, die ebenfalls für die Identitätsentwicklung notwendig sind.8 Gaben- und Persönlichkeitstests können dabei eine Hilfe sein oder Fragen zur „Bestandsaufnahme“: Welche Herausforderungen hast du schon gemeistert? Welche Erfahrungen hast du mit Gott gemacht? Was magst du an dir? Was gibt dir Sinn? Im Mentoring und anderen Begleitungsangeboten kann auf die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen von New Adults eingegangen werden.

Hilfreich ist es, wenn die Hürden, Mentoring in Anspruch zu nehmen, möglichst niedrig gehalten werden. So kann beispielsweise das Thema Mentoring in unterschiedlichen Kontexten thematisiert werden und Steckbriefe mit Kontaktdaten von Mentorinnen und Mentoren können aushängen. Und da Mentoring nach dem Prinzip „empfangen und weitergeben“ verläuft, können New Adults auch selbst Mentorinnen und Mentoren für andere werden. Eine gute Begleitung von Mentorinnen und Mentoren und eventuell auch Schulungsangebote sind dabei notwendig.

Biografiearbeit als eine Form der Orientierung

Ein Gefühl von Kohärenz zu entwickeln, ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der eigenen Identität. Wenn es gelingt, den Zusammenhang zwischen der eigenen bisherigen Lebensgeschichte (d.h. der Vergangenheit), den aktuellen Herausforderungen und Möglichkeiten (d.h. der Gegenwart) und den Vorstellungen von der Zukunft herzustellen, ist das ein wichtiger Schritt. Die Biografiearbeit ist hier hilfreich und sicherlich nicht ausschließlich für New Adults interessant! Neben dem eigenen Geworden sein können auch persönliche Kompetenzen, Ressourcen und Potenziale entdeckt werden. Aber auch die Reflexion der eigenen Glaubensgeschichte hat ihren Platz und kann New Adults dabei unterstützen, einen eigenen, mündigen Glauben zu entwickeln. Das Reflektieren und Verstehen des eigenen Geworden seins hilft, Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, Weichenstellungen vorzunehmen und Entscheidungen zu treffen.9

Biografiearbeit kann mit einzelnen Personen, etwa im Mentoring oder der Seelsorge, aber auch in Gruppen durchgeführt werden. Sechs bis acht Biografieabende mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten und geschulten Mitarbeitenden und Seelsorgenden sind ein gutes Format. Gibt es in der Gemeinde keine Kapazitäten für diese zugegeben etwas aufwändige Form, können Aspekte aus der Biografiearbeit in die bereits bestehende Arbeit miteinfließen. Übungen wie die eigene Geburtstagsrede oder das Visualisieren des eigenen Lebensweges mit Fäden, Steinen und Perlen10 können dabei eine Hilfe sein; aber auch Fragen, die New Adults helfen, das eigene Leben besser zu verstehen und Zusammenhänge zu erkennen, zum Beispiel: „Wie kam es dazu?“ „Wie hast du dich gefühlt?“ „Was hat dich dazu bewegt?“ „Hast du dich dadurch verändert?“ „Was hast du daraus für die Zukunft gelernt?“

Echte Fragen

„Fragen“ ist ein gutes Stichwort. New Adults stecken voller Fragen: Wie wasche ich meine Wäsche? Wie finde ich einen Partner oder eine Partnerin? Welche Versicherungen brauche ich? Wie gehe ich mit schmerzhaften Erfahrungen in meinem Leben um? Und mit Zweifeln? Mit Krankheit? Mit Stress? Wo ist Gott in all dem Leid um mich herum? Wie treffe ich Entscheidungen? Warum soll ich in der Bibel lesen?

New Adults suchen nach Orientierung. Und sie suchen reale Menschen als Gegenüber, um sich mit den Fragen des Lebens, des Glaubens und des Alltags auseinanderzusetzen. Denn, wie oben schon beschrieben, braucht es soziale Beziehungen, um „das eigene“ herauszufinden. Im Austausch kann man mit Meinungen übereinstimmen oder sich distanzieren, bekommt man neue Perspektiven aufgezeigt, kann die eigene Haltung verteidigen oder gemeinsam auf ganz neue Ideen kommen.

Diskussionsrunden mit Experten-Inputs, Interessengruppen zu ganz praktischen Fragen, Seminare und Workshops – all das können Möglichkeiten sein, New Adults in ihren Fragen zu begegnen und sie bei der Suche nach Antworten zu unterstützen. Der konkrete Bedarf lässt sich, und das gilt auch für alle anderen hier beschriebenen Ideen, am besten im direkten Austausch mit New Adults herausfinden. Noch besser ist es, wenn New Adults von sich aus initiativ werden – dann gilt es für Gemeinden, sie mit ihren Ideen ernst zu nehmen, sie darin zu unterstützen und zu begleiten.

Raum für Entwicklung

Teil der Identitätsentwicklung ist das Entdecken der eigenen Begabungen und Fähigkeiten, das Herausfinden, wo man wirklich gut drin ist und was alles in einem steckt. Und wenn es einen Ort mit Möglichkeiten dazu gibt – dann unsere Gemeinden! Von Technik über Teamleitung zum Kochen für Großgruppen; von Organisation über Moderation zum kreativen Gestalten von Kindergottesdiensten, von Musik machen über Predigen zum Theaterspielen – das und noch so viel mehr kann in Gemeinden ausprobiert und geübt werden. Wie wunderbar wäre es, wenn unsere Gemeinden Orte sind, an denen New Adults herausfinden, was ihre Begabungen und Fähigkeiten sind, was sie gut können und wo sie etwas beitragen können, um diese Welt ein Stückchen besser zu machen!

Ganz praktisch bedeutet das, dass Gemeinden New Adults Verantwortung abgeben. New Adults wollen nicht nur „mitmachen“, sie wollen auch selbst initiieren, Dinge entwickeln, gestalten und verantworten. Und das geht nur, wenn wir sie ernst nehmen, an sie glauben und ihnen etwas zutrauen. Eine gute Begleitung, eine positive Fehlerkultur, die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und mehr Spontanität und Flexibilität als uns vermutlich lieb wäre, gehören von unserer Seite aus dazu.

Die wirklich gute Nachricht

Das Entwickeln der eigenen Identität ist anstrengend. Identitätsarbeit11 wird dieser Prozess häufig auch genannt und dahinter steckt der Gedanke, dass der Mensch sich seine Identität erarbeitet. Das Suchen und Finden der eigenen Identität ist etwas sehr Aktives. Das kann zwar unglaublich schön und spannend sein, aber eben auch herausfordernd und ermüdend. Identitätsarbeit eben.

Doch ist das alles? Unser Glaube zeigt noch eine andere Perspektive auf. Direkt am Anfang, noch bevor der Mensch irgendetwas tun konnte, spricht Gott sein „sehr gut“ über ihm aus. Und er hört damit nicht auf. Immer und immer lesen wir in der Bibel, wie Gott dem Menschen von außen Wert und damit auch Identität zuspricht. Und das können wir auch als Gemeinden tun! Wir können New Adults Zuspruch schenken, den Zuspruch Gottes in ihr Leben sprechen, wir können sie lieben, noch bevor sie irgendetwas geleistet oder sich selbst bewiesen haben, inmitten aller Selbstzweifel und der Instabilität, die ihre Lebensphase mit sich bringt (s.o.). Denn Identität gilt es nicht nur zu erarbeiten; Identität darf auch empfangen werden. Und das ist die gute Nachricht! Und damit auch Anknüpfungspunkt, um New Adults in den Herausforderungen ihrer Lebensphase zu erreichen.

Und dazu dürfen wir New Adults einladen: Teil zu sein von der großen Geschichte Gottes mit der Welt, dazuzugehören, den eigenen Platz darin zu finden.

Ein letzter Aspekt noch: Identität entwickelt sich auch über die Zugehörigkeit und Identifikation mit einer Gruppe: Die Identität der Gruppe, zu der man gehört, ist auch ein Teil der eigenen Identität, die Geschichte dieser Gruppe, die eigene. Schließen sich New Adults also unseren Gemeinden an, oder, noch größer gedacht, schließen sie sich der großen Gemeinschaft von Christinnen und Christen an – erzählen sie sie mit: die große Geschichte Gottes mit der Welt, in der jede einzelne und jeder einzelne ihren und seinen Platz findet.

Und dazu dürfen wir New Adults einladen: Teil zu sein von der großen Geschichte Gottes mit der Welt, dazuzugehören, den eigenen Platz darin zu finden. Wir dürfen sie einladen, die eigene kleine Geschichte als Teil der großen Geschichte zu verstehen, die große Geschichte zur eigenen zu machen und darin Identität zu finden.

Judith Westerheide, geb. 1984, ist Autorin von „way to go! Weil deine Identität entdeckt werden will“ (Francke 2023). In den letzten 12 Jahren hat sie mit der Altersgruppe der New Adults im christlichen Kontext gearbeitet, zuletzt am MBS Bibelseminar. Frisch verheiratet lebt sie in Dresden.

1 Hinter dem Begriff „Junge Erwachsene“ verbergen sich bestimmte Rollenerwartungen, die ich mit dem neu gewählten Begriff gerne vermeiden möchte. Jeffrey J. Arnett spricht in seiner Theorie von „Emerging Adults“ und meint damit die 18- bis 29-Jährigen. Diese meine ich auch, nur nenne ich sie „New Adults“ – ein Begriff, den es im deutschsprachigen Raum bereits als Buchgenre für ebendiese Altersgruppe gibt. 
2 Vgl. Arnett, Jeffrey Jensen: Emerging Adulthood. The winding road from the late teens through the twenties, 2. Aufl., New York: Oxford university press 2015, S. 8-11.
3 Vgl. u. a. Keller, Birgit Ulrika: Emerging Adulthood – Eine Lebensphase zwischen Instabilität und maximaler Freiheit, Weinheim – Basel: Beltz Juventa 2019, S. 51.
4 Vgl. Nelson, Larry J.: Series Forword, In: Padilla-Waller, Laura M.; Nelson, Larry J. (Hrsg.): Flourishing in Emerging Adulthood. Positive Development During the Third Decade of Life, Oxford: Oxford University Press 2017, S. xii. Und: Hurrelmann, Klaus; Quenzel, Gudrun: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung, 13. Aufl., Weinheim – Basel: Beltz Juventa 2016, S. 47.
5 Vgl. u. a. Hurrelmann, Klaus; Bauer, Ullrich: Einführung in die Sozialisationstheorie. Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung, 13. Aufl., Weinheim – Basel: Beltz Verlag 2020, S. 114. 
6 Keupp, Heiner; Ahbe, Thomas; Gmür, Wolfgang; Höfer, Renate; Mitzscherlich, Beate; Kraus, Wolfgang; Straus, Florian: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne, 4. Aufl., Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2008, S. 203.
7 Vgl. Faix, Tobias; Wiedekind, Anke: Mentoring. Das Praxisbuch. Ganzheitliche Begleitung von Glaube und Leben, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagsgesellschaft 2010, S. 21. 
8 Vgl. u. a. Hurrelmann, Klaus; Bauer, Ullrich: Einführung in die Sozialisationstheorie. Das Modell der produktiven Realitätsverarbeitung, 13. Aufl., Weinheim – Basel: Beltz Verlag 2020, S. 114. 
9 Vgl. Arnett, Jeffrey Jensen: Emerging Adulthood. The winding road from the late teens through the twenties, 2. Aufl., New York: Oxford University Press 2015, S. 308 f.
10Diese und weitere Übungen finden sich in meinem Buch: Way to go! Weil deine Identität entdeckt werden will, Marburg: Francke 2023. 
11 Vgl. u. a. Keupp, Heiner; Ahbe, Thomas; Gmür, Wolfgang; Höfer, Renate; Mitzscherlich, Beate; Kraus, Wolfgang; Straus, Florian: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne, 4. Aufl., Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2008, S. 8.


Ausgabe 3/22

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift P&S, Magazin für Psychotherapie und Seelsorge erschienen. P&S ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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1 Kommentar

  1. Wir sind die Guten – wenn wir es auch sind

    „Wir haben es heute mit jungen Menschen zu tun, die häufig eben noch nicht wissen, wer sie sind, sondern die gerade erst dabei sind, dies herauszufinden. Die anderen, von Arnett genannten Merkmale gehen mit der Identitätsentwicklung einher: Ein hohes Maß an Instabilität, eine starke Selbstfokussierung, ein Gefühl des Dazwischenseins und die Zeit der Möglichkeiten.“! Dies scheint auch für viele Beobachter*innen des ganz normalen Lebens so zu sein. Also dass Jugendliche und junge Erwachsene es schwerer haben überhaupt einen Start hinzulegen, was sie etwa machen wollen – beispielsweise beruflich. Möglicherweise hat dies auch – aber nicht immer megakausal – mit allen Erfahrungen der Pandemie zu tun. Denn diese bremste Biografien einfach aus. Für Kinder sind ein paar Jahre Conona ein nicht unbeträchtlicher Teil des Lebens. Die Lösung ist dann allerdings fast selbsterklärend und war im Grund immer schon so. Nämlich: „Teil zu sein von der großen Geschichte Gottes mit der Welt. Also dazuzugehören und den eigenen Platz darin zu finden“. Man braucht nur zurück zu blicken zum Weltjugendtag und die Worte von Franziskus in sich nachklingen zu lassen: „Habt keine Angst“. Angst ist ja ein stark zunehmender Lebensbegegleiter. Etwa wohin die Klimakrise persönlich führt, vor allem wenn man jünger ist und es also noch erleben wird. Oder ob wir die Welt nun endlich in die Luft sprengen, vor allem auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Dabei wäre es auch eine (zumal sehr christliche) Aufforderung auszurufen „habt keine Angst“. Eigentlich eine Bitte um eine große Portion mehr an wirklichem Urvertrauen, auch und zumal in Gott. Glauben wir denn noch, dass wir niemals in Bodenlose fallen ? Oder ist dies zu theoretisch, zu abwesend von der Realität ? Und wie in Gruppen (also soziologlisch, nicht nur theologisch, sondern gruppenpädagogisch) dies zu anzugehen, wäre, ist eine andere Frage. Also nicht so zu vermitteln wie es Sektieren tun: Einengend, holzschnitzartig und vereinfachend. Die Welt ist leider fast kein Paradies. Doch es ist ebenso nicht verboten, ein wenig dazu beizutragen: Wenn auch in unseren Kirchen jeder Form ein Gefühl dafür entsteht, es sei nun an der Zeit, gleichsam das Prinzip Hoffnung auch zu leben. In dem man die Welt, dort wo man lebt, ein wenig besser macht. Denn wenn ich auf den Anderen nur dann hinabsehe, wenn ich ihm helfe aufzustehen, dann wurde dies schon zeichenhaft erfüllt.

    Vielleicht sind auch unsere Formen der Kommunikation in den Massenmedien zu sehr darauf focusiert, dass eine Meinung, Wahrheit und Meldung nur gut ist, wenn sie das Negative publiziert. Dann muss die Welt nur grau und schwarz aussehen. Die „Tagesthemen der guten Nachrichten“ gibt es leider nicht, sie fehlt uns. Denn an vielen Orten, zu vielen Gelegenheiten, sind viele gute Menschen unterwegs (die wirklich auch gut sind) – aber wer nimmt es denn wahr ??? Dies soll nun kein Aufruf zum Selbstlob zu sein. Sondern jene zu stärken, die wegen Hass, Hetze, Falschinformation, Vorteile und Rassismus zu Felde ziehen. Aber gescheit ist dies, in dem man den eigenen Ton friedlicher macht. Wenn ich mich nicht auf die Ebene derjenige begebe, die Unfrieden sät, betriebe ich ihr Werk nicht mit. Leider gilt seit Jahrhunderten und auch heute noch: „Man kann den Belzebub nicht mit dem Teufel austreiben“. Populisten leben nach dem Motto: „Viel Feind, viel Ehre“. Diese Ehre sollten wir niemand schenken. So gesehen wäre das gute Bestreben, nicht nur der Christinnen und Christen, in diese Welt antizyklisch zu leben, auf deutsch: Gegen den Strom zu schwimmen

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