Wohl denen, die da wandeln

Der Liederdichter Cornelius Becker fasste Psalm 119 in 88 Strophen zusammen. Ins Evangelische Gesangbuch schafften es vier.

  1. Wohl denen, die da wandeln
    vor Gott in Heiligkeit,
    nach seinem Worte handeln
    und leben allezeit;
    die recht von Herzen suchen Gott
    und seine Zeugniss‘ halten,
    sind stets bei ihm in Gnad.
  2. Von Herzensgrund ich spreche:
    dir sei Dank allezeit,
    weil du mich lehrst die Rechte
    deiner Gerechtigkeit.
    Die Gnad auch ferner mir gewähr;
    ich will dein Rechte halten,
    verlass mich nimmermehr.
  3. Mein Herz hängt treu und feste
    an dem, was dein Wort lehrt.
    Herr, tu bei mir das Beste,
    sonst ich zuschanden werd.
    Wenn du mich leitest, treuer Gott,
    so kann ich richtig laufen
    den Weg deiner Gebot.
  4. Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
    es bleibet ewiglich,
    so weit der Himmel gehet,
    der stets beweget sich;
    dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
    gleichwie der Grund der Erden,
    durch deine Hand bereit‘.

[Extra Strophe:
Lehr mich den Weg zum Leben,
führ mich nach deinem Wort,
so will ich Zeugnis geben
von dir, mein Heil und Hort.
Durch deinen Geist, Herr, stärke mich,
dass ich dein Wort festhalte,
von Herzen fürchte dich.]

Cornelius Becker (1602)


Neu entdeckt

Vor 85 Jahren taucht das Lied „Wohl denen, die da wandeln“ in zwei Jugendliederbüchern auf. Der Name des einen passt wunderbar zu diesem Lied, denn „Der helle Ton“ erfreut alle, die es singen. Das andere Buch hatte den Titel „Ein neues Lied“. Auf unser Lied trifft das nur insofern zu, als es damals nicht allgemein bekannt war. Neu im Sinne von frisch gedichtet und komponiert war und ist es aber nicht. Im Gegenteil: Es ist uralt! Wurde damals aber neu entdeckt.

Der Hauptgrund für die Wiederbelebung dieses über 300 Jahre alten Liedes ist die wunderbare Melodie samt Singsatz! Beides stammt von einem der bedeutendsten Komponisten vor Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz. Kaum war das Lied wiederentdeckt, folgte eine faszinierende Neubelebung des klassischen Chorsingens, nicht zuletzt in der Jugendbewegung. Ein schweizerisches Heft bot bereits 1900 unser Lied an, 1932 in jener Version, die dann über die beiden Jugend-Gesangbücher ihren Weg zurück nach Deutschland fand. Manchen unter uns ist es spätestens 1957 durch das eigene Jugendliederbuch vertraut geworden. So wie es dort und anderorts enthalten war, so singen wir es in aller Regel bis heute: vierstrophig und vierstimmig.

88 Strophen

Und der Text? Er stammt aus einer Bereimung aller 150 Psalmen durch den strengen Lutheraner Cornelius Becker. Er wurde von ihm gezielt konzipiert, in Konkurrenz zu einem bei den Calvinisten überaus beliebten anderen Psalter. Das Lied „Wohl denen, die da wandeln“ basiert auf dem längsten aller Psalmen (Psalm 119), den der Liederdichter in 88 Strophen zusammenzufassen bemüht war! Allein dafür schuf der Komponist Schütz neben der heute noch erklingenden sieben weitere Melodien!

Schauen wir in den Text, eine sprachlich geglättete Miniaturausgabe des Originals. Gleich zu Anfang hört man den Wortlaut der Lutherübersetzung. Neutestamentlich würde man von einer Seligpreisung sprechen. Gratuliert wird allen, die ihren Lebenslauf vom Wort Gottes bestimmen lassen. Dafür dankt, wer das Lied singt, dann ausdrücklich und bekennt sich dazu: persönlich und dann auch generell.

Zeugen des Heils

Anders als noch im Evangelischen Gesangbuch findet man in den schweizerischen Büchern der Evangelisch-reformierten und der Katholischen Kirche noch eine weitere Strophe, ebenso in denen einiger Freikirchen und auch im aktuellen „Gotteslob“ der katholischen Diözesen Deutschlands und Österreichs. Hierbei handelt es sich um ein schon Anfang der Siebzigerjahre erstelltes Puzzle aus der Vorlage des Dichters.

Noch einmal taucht ein für Becker als Lutheraner überaus wichtiges Stichwort auf. Denn er betonte: Was Gott gebietet, ist Bestandteil des gnädigen Wirkens Gottes. Die neue Strophe gehört zur „ökumenischen“ Fassung unseres Liedes. Wer bisher die vier Strophen zu singen gewohnt war, macht sich nun mitsingend noch einen weiteren wichtigen Aspekt christlichen Lebens zu eigen: Von Gott geheiligt sein heißt auch, Zeuge des Heils zu sein, nicht „gesetzlich“, sondern begnadigt und begnadet.

Text: Günter Balders


Hier findest du gute Gedanken zu weiteren altbekannten Chorälen und christlichen Liedern.

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